The Cramps
Der Nostalgiedurst von Rockabilly-Fans muß in der Tat quälend sein, anders ist es nicht zu erklären, daß eine derart müde Show ohne Proteste über die Bühne geht. Die ‚richtigen‘ Fans, die mit den turmhohen Frisuren und den auffällig plazierten Büstenhaltern, wissen offenbar, wo man dennoch seinen Spaß hat – in der Bar vor der Halle. Aber die 3457 verbleibenden Gläubigen eines verwelkenden Mythos schauen in die Röhre. Der Applaus hält sich in Grenzen, man wünscht sich, den unschön grunzenden lärm ganz einfach verpaßt zu haben.
Es war einmal – in den besten Tagen des Punk – da schlugen die Cramps den Bogen zwischen krachender Energie und klassischen Rock-Strukturen. Sie spielten die Klischees vergangener Rockabilly Tage mit dem Verve der neuen Generation – und addierten eine süffisante Dosis schlechten Geschmacks, indem Frontmann Lux Interior auf die Bühnenbretter kotzte und hie und da sein primäres Geschlechtsorgan ums Mikrophon wickelte; voyeuristische Fans durften zudem auf die Entblätterungen der wildkatzenartig charmanten Poison Ivy hoffen. Daß sie meistens vergeblich hofften, gehörte zum Ritus.
Die Cramps, die sich nach vierjähriger Unterbrechung dem Publikum stellen – und dabei übrigens von der Hype-gewohnten Plattenfirma von Primal Scream und Oasis unterstützt werden – bestehen aus Lux Interior, Poison Ivy, Bassist Slim Chance und einem gesichtslosen Drummer. Sie spielen ein Repertoire aus neuen und alten Songs, das schlichtweg in einem färb- und konturenlosen Rumpeln untergeht. Die Anlage trifft dabei keine Schuld: Die Band kennt offenbar nur ein Tempo und eine Lautstärke. Noch dazu stehen die Vier auf der Bühne wie Schachfiguren vor dem nächsten Zug, weshalb die Show nicht einmal den Ansprüchen der von den Cramps schon immer umschwärmten Trash-Fans genügt ¿ die Band ist nicht einmal schrecklich genug, um wenigstens qualitativen Negativschemen zu entsprechen. Der Gig ist nicht mehr als eine ausgemachte Beleidigung: niemand, auch nicht der eingefleischte Freund des schlechten Geschmacks, verdient es, mit derartig schlappem Dürrezeitfutter abgespeist zu werden.