The Cure: The Cure live in Berlin
Berlin, Wuhlheide. Fanbescherung: Mit Rückkehrer Thompson stürzt sich Smith ins Wavepopwunderland.
Der erste Eindruck neigt zur Täuschung. Er legt an diesem Sommerabend in der Wuhlheide folgende Vermutung nahe: Die größte Leistung von Robert Smith könnte es heute sein, seiner Tätigkeit auch noch so etwas Ähnliches wie Würde abgewinnen zu können und nicht als komplett peinlicher Gruft-Teddy verhöhnt zu werden. Dabei war eigentlich schon Ende der 80er klar: Mit dem ganzen Haarspray-und-dicken-Pulli-an-Quatsch muß jetzt aber bald mal Schluß sein. Nur: Da draußen rennen 2005 auch immer noch Bono „Puck, die Stubenfliege“ Vox und Martin „Bubikopf“ Gore herum, und kaum einen wundert das mehr. Die Wildesten, Besten sterben jung, und die anderen eben gar nicht. Wer diese Regel vermnerlicht hat, vermag auch beim einzigen Deutschland-Gastspiel der Band 2005 seinen Spafian der Trübsal haben. Robert und seine wieder einmal umbesetzte Kapelle tun so einiges dafür. Und so einiges dagegen. Rocken z. B. Eine der schlechtesten Ideen von Smith ever war es, zu rocken. Das ging ca. mit der Single „Never Enough“ los und hat quer durch die 90er eine Spur der Verwüstung durch das Werk einer Kapelle gezogen, deren große Leistung es von jeher war, bis hin zum Kinderlied eindeutige Melodielinien ineinander zu weben. Und da The Cure zur Zeit nominell über gar keinen Keyboarder verfügen (tatsächlich beobachten aufmerksame Zuschauer eine Person in den Kulissen, die dort an einem Laptop oder Keyboard herumschraubt), wird auch im Sommer 2005 geschwulstrockt. Dennoch ist die Rückkehr von Porl Thompson auf die Gitarristen-Position ein dickes Geschenk. Selten gab es einen Musiker in dieser streng hierarchisch organisierten Band, der so viel Persönlichkeit einbringen konnte – und Können. Also, was liegt nach dem Kampf mit den jüngeren Song-Ungetümen näher, als ein paar bunte Wavepop-Htts aus den 8oern in die Runde zu werfen? Flamenco: „The Blood“; U2-Euphorie-Rock: „Push“; New-Wave-Dance: „The Baby Screams“. Selbst Drummer Jason Cooper kriegt mit seiner unsensiblen Hauerei diese Hits nicht kaputt. Doch spätestens bei den obligatorischen Postpunk-Freuden vom Debüt three imaginary boys wünscht man sich fast, daß Smith bald wieder einer Laune über den Weg läuft, die ihm flüstert: „Den Jason, ruf den einfach nicht mehr an!“ Dieser Typ sitzt da oben und drischtauf diese federnden 1-2-3-4-Evergreens ein, als hätten sie ihm etwas getan. Das darf der doch nicht!
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