The Darkness München, New Backstage


Der neue Rock der alten Schule: Am Vorabend ihres Durchbruchs auch in Deutschland spielen die Engländer in einem Club, der ihnen längst zu klein ist.

Dieses Konzert habe ich mit einer Vorfreude herbeigesehnt wie seit Teenagertagen keines mehr. Die Tickets hingen seit Wochen an der Küchentür, beim Vorbeigehen stets mit einem wohlwollenden Nicken gegrüßt. Und jetzt stehe ich hier im überfüllten New Backstage, verarbeitet zu einer mit Zigaretten- und Bierdunst gewürzten Presswurst. Das Publikum ist bunt gemischt: Vom Teeniemädchen bis zur aufgedonnerten Rock-Oma, vom interessierten, aber skeptischen Metalpetrus bis zum afroperückten Witzbold ist alles da. Es dürfte heute wohl das letzte Mal sein, dass man diese Band so aus der Nähe zu sehen bekommt.

Der Bühnenaufbau macht einen zusammengefalteten Eindruck wie ein Riese in einem Fiat Panda. The Darkness sind mittlerweile größere Hallen gewohnt. Die Stimmung ist trotz der extremen Enge gut und die 40 Minuten Umbauzeit nach der sauguten Vorband The Wildhearts leicht mit Geblödel überbrückt. Der Durst auf Malzgetränke ist hier niemandem fremd, die Boxen singen herzerwärmende Klassiker von Thin Lizzy, und hier und da wird schon mal die Faust Richtung Decke gestreckt, um die Funktionstüchtigkeit des Schulterscharniers später in der Konzertsituation zu gewährleisten. Schließlich kommt dann – unter dem Träten von Mike Oldfields „Arrival“ – doch mal die Band auf die Bühne, und schon der erste Akkord eint die zwischenzeitlich unruhig gewordene Menge zu einer riesigen Partywurst, die zuckend und hüpfend kaum das Fallen des Vorhangs vor der Bühne abwarten kann. Dann brettert „Black Shuck“ los, und der Vorhang gibt den Blick auf eine so offensichtlich schwer heruntergefeierte und übermüdete Band frei, wie ich persönlich das bisher nur von alkoholliebenden Tomte- bzw. Kettcar-Musikern kannte. Der Anblick ist herzerweichend, man möchte ihnen die schweren Augenlider mit Streichhölzern stützen. Im Laufe der folgenden paar Lieder kommen Justin Hawkins und seine Leute langsam in Schwung, sie steigern sich von Stück zu Stück, spielen wie erhofft fast sämtliche Knaller ihres Debüts permission to land. Nach einer halben Stunde kocht die Halle endgültig, staunende Augen verfolgen aufmerksam die Gitarrenduelle von Justin und Bruder Dan Hawkins, Mädchen tanzen wild auf tapferen Jungsrücken. Zwischen den Liedern gibt es Unterhaltungsprogramm von Justin, seit Song Nummer drei oben ohne. Er animiert die Leute, ihm zum Mitsingen in die obersten Register zu folgen, wo sich seine Schüler immer wieder in einem Wirrwarr von Melodien und Tonkarambolagen verfangen, was mit kollektivem Gelächter quittiert wird. Auch sonst hat Hawkins die Entertainer-Tricks der klassischen Rockfrontmannschule drauf, inklusive Kostümwechsel nach einem brustfreien Fantasy-Overall führt er später noch ein Teufelsgewand samt Schwanz vor) und einem Solo auf den Schultern des durchs Publikum wanderen Roadies beim Finale „Love On The Rocks“. Insgesamt ein sehr ordentlicher Rockabend der alten Schule von vier sympathischen, ausgefuchsten Musikern, die offensichtlich alle Restenergie mobilisiert haben. Nach 60 Minuten war etwas früh Schluss, aber die Gitarrensoli klingeln mir noch zu Hause unter der Bettdecke im Ohr. Man darf hoffen, dass The Darkness auch ein bisschen Schlaf gefunden haben.