The Divine Comedy
Es war eine rauschende Ballnacht: Neil Hannon holt in Paris zur großen Schweigerei aus
Messieursdames: ein Fisch im Wasser. Neil Hannon ist in seinem Element. Ein mondänes Theater im Herzen der Hauptstadt der Liebe, der Künste und des guten Lebens, aus dem ihm eine Begeisterung entgegensprüht, dass eigentlich Rosen darin mitfliegen müssten, hinter ihm ein halbes Orchester, 15 Leute, Streicher, Bläser, Schlagwerker, Pianist/Kapellmeister, Chanteuse. Und jetzt haben sie ihm gerade noch eine Flasche Chardonnay auf sein Tischchen gestellt. Elegant wieselhaarig, wie für ein viktorianisches Rat Pack gecastet, steht er in der Gala-Kulisse; das Insignium des Popmusikers, die Gitarre, wird ihm nur noch für punktuelle Eingriffe in die orchestrale Breitwand dargereicht, dann wieder weggetragen. Viel lieber schwenkt Hannon das Weinglas und surft auf dem Wohlklang seines Ensembles, das mit jedem nonchalant hergegeigten Juwel den Beweis erhärtet, was für ein sensationeller und mon dieu! – skandalös unterbewerteter Komponist dieser Spichtel ist, der sich da in Posen schmeißt, immer etwas albern rumtut -bis er den Mund aufmacht und seinen Bariton schmelzen lässt. Die Setlist ist opulent, 22 Songs, einen Großteil von absent friends, dazu Hits, „Becoming More Like Alfie“ „Generation Sex“, „National Express“, mittendrin ein verblüffendes Cover von „No One Knows“ – Queens Of The Stone Age im Weill-Gehrock. Zu „The Book Lovers“ kommt der Jungliterat Vincent Delerm auf die Bühne und liest aus Georges Perecs „Je Me Souviens“ – als Nicht-Franzose versteht man wenig und hat trotzdem den Kloß im Hals. Hannons Euphorie über den Verlauf des Abends ist so überschwänglich, dass ersieh zu so Aktionen hinreißen lässt. wie das Publikum zum Mitklatschen zu animieren – die Folgen für das göttliche „Tonight We Fly“ sind verheerend. Aber eine rauschende Ballnacht fordert eben Opfer.
Sie seien alle sehr betrunken jetzt, sagt Hannon vor den Zugaben; vielleicht ist das der pluralis majestatis, aber die Vorstellung, die 16 schmetterten sich durch das Finale „Something For The Weekend“ und „Sunrise“ mit allesamt vom Weine wallenden Sinnen, verleiht dem Ganzen noch das Extra an Grandezza. Man möchte sich vorstellen, der gute Oscar Wilde, der zwei Stadtviertel weiter auf Pere Lachaise liegt, hätte sich ein wenig wohlig geräkelt unter seinem mit Lippenstift-Kussmündern übersäten Stein.