The KLF


Britische Exzentrik ist verglichen mit dem anarchischen Treiben von KLF völlig harmlos. Ihre Leitfaden für Erfolg durch gezieltes Chaos gibt's nun auch bei uns.

WENN DU EINE IDEE HAST – SETZE SIE UM. Du hast nichts zu verlieren außer Deinen selbstauferlegten Ketten. Das ist die Essenz der Geschichte, darum geht es diesem Mann. Es ist nicht die Musik von Bill Drummond, einstmals Manager von Echo & The Bunnymen und Teardrop Explodes und zusammen mit Jimmy Cauty das Gehirn hinter dem mythisch aufgeladenen Phänomen The KLF, die ihn in den Geschichtsbüchern des Pop hinterlassen wird. Nein, es ist seine Konsequenz und natürlich das Spannungsfeld aus gnadenlosem Techno-Pop auf der einen und ebenso gnadenloser Subversion auf der anderen Seite. Klar, das war gestern. So ziemlich alles ist gesagt, die letzten Rauchschwaden der verbrannten Million Englischer Pfund sind verweht und weit und breit kein Film, keine Musik oder Aktion in Sicht doch siehe, da erscheint bei einem kleinen Berliner Verlag (Die Gestalten) das Buch, mit dem alles begann, in deutscher Übersetzung. Das Handbuch („Der schnelle Weg zum Nr. 1 Hit“) ist die Anleitung, wie es geht, vorausgesetzt man ist arbeitslos, Engländer und man schreibt das Jahr 1988. Er sei nicht sentimental, sagt Bill Drummond, der sich aus diesem Anlaß nach langer Zeit wieder der Presse stellt aber ein wenig sieht er doch so aus. Vor allem aber kann sich der freundliche ältere Herr nicht mehr an die vielen Namen und Daten erinnern. Da wir annehmen, daß dies auch für die Mehrzahl der übrigen Menschheit gilt, hier eine kleine Gedächtnisstütze in Sachen Pop und Revolution oder Jimmy Cauty und Bill Drummond.

The Justfied Ancients Of Mumu 1987

Wie alles begann? Mit einem Label namens KLF Communications, einer Wagenladung schnell zusammengesampelter Singles – und dem ersten Skandal. JAM’s leidlich unautorisierte Version von Abbas „Dancing Queen“ brachte eine schwere Krise in die schwedisch-englischen Beziehungen und mußte daher nicht nur vom Markt genommen, sondern die gesamte Auflage der zugehörigen LP umgehend eingestampft werden. Positiver Nebeneffekt – Cauty und Drummond lernten sofort, wie gute PR funktioniert.

The Timelords 1988

Für ein Jahr wurden Drummond & Cauty die Timelords, die sich entschieden, eine Nummer 1 („Doctorin’TheTardis“) zu plazieren, und siehe, so geschah es auch. Wie, das ist nachzulesen im Handbuch, dieser brillant beobachteten und urkomischen Entmystifizierung des Pop-Betriebs. Die Timelords hatten ein Auto, das ihre Interviews gab, und verbliesen ihre erste halbe Million in das irrsinnige Filmprojekt „The White Room“, für das sie Steven Spielbergs Indianalones-Crew ein paar Wochen in die Wüste schickten, um dann mittendrin frustriert abzubrechen. Immerhin – der Soundtrack wurde für das nächste Projekt war gerettet.

The KLF 1989 -1992

Der Markenname, gerne als „Kopyright Liberation Front“ übersetzt, ist laut Drummond nicht mehr als guter Klang. Vier Jahre gaben sich die Aktivisten dem bunten Pop-Treiben hin, vier Jahre voll von Musik und Spaß, wenn auch in erster Linie voll von dem wiederholten Insistieren auf zwei Hits („What Time Is Love“, „3.a.m. Eternal“), die Cauty und Drummond in einer unüberschaubaren Anzahl von Eigen-Remixen ins Volk warfen (wie übrigens bei ihren wenigen Auftritten auch gerne Bargeld). Weil das gesamte System – Management, Plattenfirma, Verlag etc. – bis zum letzten Moment ganz allein in ihrer Hand verblieb, sprudelten die Einkünfte trotz weniger Veröffentlichungen unaufhörlich. So konnte das System auch von heute auf morgen beendet werden. Bis zu ihrem letzten Tag haben The KLF kein „reguläres“ Konzert gegeben, zum Schluß und anläßlich der ehrwürdigen Brit Awards schickten sie die Grindcore-Truppe Extreme Noise Terror auf die Bühne, während Drummond und Cauty mit Platzpatronen-MGs ins mediendurchsetzte Publikum ballerten. Ein ohrenbetäubender Schlußakkord, dann die Lautsprecheransage: „The KLF have left the music business“.

The K Foundation 1992 -1995

Die Schaltstelle des Aktionismus, ins Leben gerufen nach dem offiziellen Austritt aus dem Pop-Dom und dafür zuständig, das schmutzige Charts-Geld in adäquate Projekte zu pumpen. Das begann mit dem K Foundation Award, dem Preis für die schlechteste Kunst des (ahres, einmalig verliehen an die Gewinnerin des renommierten britischen Tumer-Preises, die in einer perfekt vorbereiteten Aktion während der offiziellen Festivitäten heimgesucht wurde und vor versammelter Journaille mit süß-saurer Mine das Doppelte ihres eigentlichen Preisgelds (40.000 Pfund) entgegennahm sonst wäre das Geld an Ort und Stelle angezündet worden. Ihren flammenden Höhepunkt fanden die Provokationen auf der Island Of Jura, wo Jimmy Cauty und Bill Drummond den Scheiterhaufen des Kapitalismus errichteten: am Morgen des 23. August 1994 verbrannte, per Videokamera dokumentiert, eine Million britischer Pfund. Kaum eine Aktion im Pop-Geschäft, die ob ihrer Konsequenz mehr Unverständnis und Aggression auslöste, den beiden sogar den Vorwurf der Steuerhinterziehung einbrachte. Tatsächlich mußte das Duo auf den Betrag noch zusätzliche 400.000 Pfund Steuern entrichten, und zu promoten gab es längst nichts mehr. Die K Foundation wird offiziell zum 5.11.1995 zusammen mit einem blauen Nissan von den englischen Steilklippen gestoßen.

2K 1997

Irritation, Begeisterung, aber auch Angst durchfuhr die unerbittlich ausharrende KLF-Gemeinde vor zwei Jahren. Auf einmal waren sie wieder da, die legendären ganzseitigen Schwarzweiß-Anzeigen in den englischen Musikzeitungen und kündigten das für LInmöglich erachtete an: die Rückkehr der Könige des Stadion-House. Die Realität war allerdings dann doch weniger spektakulär: Initiiert von einem Künstler namens Jeremy Deller fanden sich Cauty und Drummond bereit, unter dem programmatischen Namen 2K (=2000) „Fuck the millennium“ zu skandieren und eine Maxi mit vier mehr oder weniger neuen Versionen von „What Time ls Love“ herauszubringen. Als besonderes Schmankerl gab es noch ein daran gekoppeltes Konzert, bei dem 300 Auserwählte genau 23 Minuten lang streng durchchoreographierten Irrsinn bewundem durften, Chöre, Bläser und zwei Helden, die mit Bart und Rollstuhl auf der Bühne herumfuhrwerkten. Natürlich keine Zugabe.

Bill Drummond 1956

Und dann ist da noch ein einzelner, erstaunlich bodenständiger Mann, der auf seinem südenglischen Anwesen den Garten bestellt. Sein Name ist Bill Drummond, und weder der Postbote noch der Wirt vom Pub gegenüber haben Angst vor ihm. Auch wenn er manchmal einen Anflug von Irrsinn in den Augen hat, der aber auch als britische Exzentrik durchgehen kann. Für Popmusik interessiert er sich kaum noch, aber es gibt immer wieder Platten, die er mag. Vor allem hat es ihn überrascht, daß Rock immer noch existiert. „Mitte der 80er war ich davon überzeugt, daß die Tage für die traditionelle Bandbesetzung Gitarre-Bass-Schlagzeug-Gesang gezählt sind. Heute ist mir klar, daß es dafür keinen Grund gibt. Man kann durch die Form einer Rockband etwas ausdrücken, das niemals durch Techno ausgedrückt werden kann.“ Begeisterungsfähigkeit und der Wunsch nach Energie sind ihm noch zueigen, auch wenn er zu Hause seine Instrumente vorsorglich weggeschlossen hat. Worum es jetzt geht, ist Schreiben. Seit er achtzehn ist, schreibt er, aber es hat ihm immer an Selbstbewußtsein gefehlt. Nach dem Handbuch versuchte sich Drummond zusammen mit Mark „Zodiac Mindwarp“ Manning an wahnwitziger Rock’n’Roll-Prosa, letzt arbeitet er allein an neuen Veröffentlichungen. Die stille, zurückgezogene Art der Arbeit bereitet ihm kein Problem, aber „rausgehen, schreien und die Medien auf sich aufmerksam machen, das tut auch niemandem weh. Wir sind ja nicht mit Knarren rumgelaufen und haben Leute umgebracht. Es war immer innerhalb des großen Spielzimmers, in dem sich Kunst befindet. Wir haben nie wirklich die Grenzen überschritten.“ Sie haben sich nie wie Stars gefühlt oder so gelebt. Pop war so lange gut, wie er Spaß machte, die Regeln erkannt waren und die Waffen umgedreht wurden. Daneben haben KLF immer auch für sich selbst gearbeitet – ein Aspekt, der nun im Vordergrund steht: „Wenn du etwas an die Öffentlichkeit gibst, und es wird darüber berichtet, ändern sich deine Gefühle dazu. Deshalb gibt es immer mehr Dinge, die wir einfach nur für uns machen, auf einem Stück Papier zum Beispiel.“ Geld ist dabei kein Thema. Bill Drummond braucht nicht viel und hat vorrausschauenderweise genug übrig behalten, um keine Sorgen zu haben. Womit wir wieder beim Anfang wären.