The Real Apocalyptica
Mutter ist eine Band aus Berlin, 18 Jahre alt. Auch wenn die Gründungsmitglieder Max Müller. Frank Behnke, Florian Koernervon Gustorfund Kerl Fieser immer wieder auf anderen künstlerischen Feldern wie Film, Theater, Literatur, Malerei tätig waren, vollzog die Band doch nicht etwa parallel zu den Einstürzenden Neubauten die Entwicklung zu einem Kunstprojekt in sich relativierender Nähe zum Rock. Mutter sind immer eine Rockband geblieben. Doch ihr Rock zeigt tiefe Risse, dort, wo er nicht ohnehin schon in Trümmern liegt.
Mutter schwebte von Anfang an ein klarer Entwurf von Rock vor, der dem Roll abgeschworen hatte. Stil-Protokollanten notierten Doom, Hardcore, No Wave und betonten den schlichten, bald erdrückenden Effekt sich wiederholender und fortwährend verdichtender Riffs. In diese Wucht ergoß sich Max Müllers Sprechgesang, der Abscheu, Zweifel und Schmerz eine Stimme gibt zwischen Desillusion und purer Verzweiflung … bis Mutter 1994 demonstrierten, wie ernst es ihnen mit der Ambivalenz tatsächlich ist: Das Album Hauptsache Musik war ganz das Gegenteil, eine wie schwindsüchtig harmonisierte, übermüdet swingende Wandergitarren-Platte mit Jazz-Ambitionen. Die Kritik: verwundert; die Fans: empört.
Nazionali (1996), Europa Gegen Amerika (2001) und CD Des Monats (2004) folgten. Alles verkaufte sich schlecht. Daß dies die Band ins Mark traf, ist nicht das entscheidende Zeichen ihrer Wahrhaftigkeit, sondern vielmehr, daß sie offenbar gar keine Idee davon haben, welche Kompromisse sie dem kommerziellen Erfolg näherbringen könnten. Rocko Schamoni bezeichnete Mutter als., eine Geheimproduktionsstütte, die nach anderen Regeln funktioniert und sich nicht darum schert, wie man das so machen muß.
Er tut dies indem Dokufilm „Wir waren niemals hier“ von Anton ia Ganz, der jetzt in ein paar Kinos kommt (ab 19. Oktober, zu den Premieren mit einigen Liveauftritten der Band – Infos unter: www.delicatessen.org) und hoffentlich auch ins Fernsehen. Sehen sollten ihn alle, die sich für Pop aus D interessieren, der eigene Wege geht (und ganz sicher keine national orientierten). Antonia Ganz zeichnet ein umfassendes, menschliches, ja, wohl authentisches Bild von Mutter. Vor allem kam sie der Band sehr nahe. So nahe, daß die Kamera auch lief, als Gitarrist Frank Behnke 2002 verkündete, daß er Mutter verlassen werde. Der Film ist an dieser Stelle aber nicht zu Ende. Erzeigt Mutter danach einmal mehr live. Und selbstverständlich ist das eine Botschaft. (Ebenso empfehlenswert: die Sammlung Das Ganze Spektrum des nichts Ihre Musik von 1989-2005), die am 17. Oktober erscheint.
www.muttermusik.de