The Singles
Heute morgen bin ich – also: nicht heute morgen, sondern am Morgen des Tages, an dem ich diesen Satz in die Tastatur hacke – mit einem dicken Kater aufgewacht. Oder besser: von einem dicken Kater aufgeweckt worden. Er ist übers Kopfkissen gestiegen und hat versucht, mir meine Haare abzulecken. Das gelang ihm nicht, also hat er bei meiner Freundin weitergemacht, die er gerne liebevoll in den Kopf beißt, was diese wiederum als nicht so toll empfindet. Der Kater heißt Willie, was mir viele Menschen in meinem privaten Umfeld immer wieder schulterklopfend versichern, der beste Katername aller Zeiten sei, dabei wurde der Kater nur nach einem berühmten amerikanischen Country-Musiker benannt. Warum ich das schreibe? Um einen möglichst harten Übergang zu den Editors hinzubekommen, die jetzt ziemlich hart abgehen sollen drüben in England. „Blood“ (Kitchenware/PIAS/Rough Trade) heißt die neue Single, die hier als 7″ angekommen ist. überhaupt hat es der Vinyl-Gott diesmal gut mit uns gemeint. Editors sind Interpol/The Departure/U2/Big Country-Dengel-Dengel-Wave-Pop. Kapierts halt endlich.
Gods Of Blitz hatten wir hier ja schonmal erwähnt an dieser Stelle, mit der Folge, daß ein Zitat aus dieser Erwähnung, sehr zum Leidwesen des bescheidenen Verfassers, jetzt um die Musikwelt geht. „The Rising“ (FourMusic/Columbia/Sony BMG) heißt die neue Single der Berliner, und das ist nach wie vor der zweitbeste nicht in England hergestellte Neo-Wave-Pop. B-Seite: ein Cover des besten Blondie-Songs aller Zeiten: „Hanging On The Telephone“.
Kann man sagen, was man will, aber Fettes Brot haben ein Händchen für HipHop-informierte Hits. „Soll das alles sein?“ (Fettes Brot Schallplatten GmbH/Indigo) ist wieder so einer mit schonen gezupften Streichern, staubtrockenen Beats und Prince-R’n’B-Gitarren. Thema: Eine alleinerziehende Mutter reflektiert ihr Leben und stellt sich die Frage des Singles-Titels.
Nehmen wir „Nat King Cole“ (Rough Trade/Sanctuary/Rough Trade), die neue – zugegeben: nervige – Single von Adam Green zum Anlaß, um darauf hinzuweisen, daß Jacket Full Of Danger trotz des teilweise berechtigten Adam-Green-Skeptizismus sein bestes Album ist, weil es die größten Momente/Ideen der beiden Vorgänger vereint. Die Single hat neben dem Nervsong noch zwei Covers – Buddy Hollys „Crying, Waiting, Hoping“ und Sam Cookes „Cupid“ im Adam-Green-Style – sowie das Original „Bleeding Heart“: Antifolk-Schein von 1996.
Komisch, plötzlich finde ich den melancholischen 80er Retro-Wave-Pop von The Horror, The Horror gut. Vielleicht, weil sie aus Schweden kommen, vielleicht liegt’s aber auch an der neuen Single „I Blame The Sun“ (Raufaser/Tapete/Indigo) oder am B-Seiten-Demo „I Lost My Girl To Alcohol“, das irgendwie sagen will, daß es besser ist. am Morgen von einem externen, haarigen Kater geweckt zu werden als von einem internen im Kopf und im Nacken.
Huch, The Long Winters gibt’s auch noch. Auch wenn die Hälfte der Band aus Seattle ausgestiegen ist. Die sechs Songs der EP „Ultimatum“ (Barsuk/Indigo) klingen, wie das nächste Coldplay-Album klingen würde, wenn Coldplay ankündigen würden, ihr nächstes Album klinge ganz anders, so ein bißchen wie wenn The Flaming Lips unter dem Einfluß von „Let It Be“ eine Prog-Oper aufführen würden. Oder so ähnlich.
Auch schon irgendwie Prag und melancholisch ist das, was unsere alten Helden Mogwai – wer behauptet, daß in diesem Magazin kein Platz für alte Helden sei? – auf ihrer aktuellen Single „Friend Of The Night“ (Rock Action/PIAS/Rough Trade) veranstalten. Eine Piano-getriebene, sich zum bombastischen Klanggebirge auftürmende Instrumentalnummer.
Typischer Fall von kapitalistischer Bedürfnisweckung in Indie-Land. Schon vor der Veröffentlichung dieser Single erkärte ein bekannter Online-Versand: „Führen wir nicht oder nicht mehr-jetzt gebraucht vorbestellen“, während die Gebrauchtanbieter des Online-Versands die Single für nur noch 60 Euro im Angebot führten. The Raconteurs ist die viel vorschußbelorbeerte Band von Jack White und Brendan Benson, und wenn diese Kritik erscheint, kostet „Steady As She Goes/Store Bought Bones“ (XL/Beggars/Indigo) wahrscheinlich schon mehr als 100 Euro. Auf jeden Fall sind die zwei psychedelisch geeimpften Rock-Rocker besser als alles auf dem letzten The-White-Stripes-Album Get Behind Me Satan – exklusive „Blue Orchid“.
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich das nächste große Ding aus London auf den Weg gemacht, um – ähem – die Musikwelt im Sturm zu erobern. „Repeated Offender“ (Red Ink/Sony BMG] ist schon die vierte Single von The Rifles. Was wir da hören, klingt vielversprechend. Wie wenn The Clash nicht 1976 auf die Welt gekommen wären, sondern schon zehn Jahre früher, aber trotzdem gewußt hätten, wie sie zehn Jahre später klingen könnten.
Wie nennt man das dann? Eine Doppel-A-Seiten-Split-Single? Die Hamburger Witlson und Tricks teilen sich eine Kurze auf Vinyl. Die jeweiligen A-Seiten innerhalb der A-Seiten heißen „Strange Shed / Traveling“ (Willson aka Jonas Siegel) und „The More You Get / Now I Wish I Was A Dog“ (Tricks aka Benjamin Haack) (Emlegen Kassetten). Willson machen knispelnde Indietronic, und Tricks klingt nach Jeffrey-Lewis-Talking-Blues.