The Stone Roses
Das Woodstock der Neunziger“ wollte Manchesters Tagespresse im bislang aufwendigsten Konzert von Englands hochgejubelter Lieblingsband sehen. Aber wo früher Blumenkränze wippten, regnet es heute Schwermetalle. Die Umgebung – eine Halbinsel mit rauchenden Schloten und modrig-braunen Kanälen, mit Schlaglöchern, leeren Benzinfässem und Schutthaufen – war symbolträchtig gewählt. Wie es sich für eine richtige Teenie-Kult-Band gehört, sind die außergewöhnlichen Auftrittsorte für die Stone Roses schon lange Teil ihres Konzepts. Spike Island sollte dabei ein vorläufiger Höhepunkt werden.
Alles ist auf diesen Höhepunkt abgestimmt: eine meterhohe Mega-Bühne, wie sie sonst nur Standard-Superstars zur Verfügung haben, eine mächtige Lichtanlage und Star-DJ’s aus Übersee, die dem Volk ab zwei Uhr nachmittags die Tanzbeine kitzeln sollen. Doch statt der Party beginnen mit den DJ’s die ersten Schwierigkeiten: Viel zu leise verlieren sich undefinierbare House-Beats und bemühte Yo!-Rufe im Massengetümmel. Das geplante Happening ist schließlich doch bloß ein Konzert, und 30.000 blasse Kids, uniformiert in Elefantenhosen und XXXLLL-Shirts, warten auf den Abend.
Es wird neun Uhr. bis die Stars die Bühne betreten. Die Menge kennt das Zeremoniell, die Eröffnungsmelodie und den Standard-Opener der Stone Roses „I Wanna Be Adored“. Ein Blick über den Platz genügt, um zu wissen: Hier ist jeder bereit, in Bewunderung zu schwelgen. Das Volk will belohnt werden für seine treue Begeisterung, doch die Technik macht dem geplanten Triumphzug einen gnadenlosen Strich durch die Rechnung. Ian Browns Gesangsstimme verliert sich irgendwo zwischen Bühnenrand und den ersten zwei Publikumsreihen, der Rest versinkt in breiiger Zimmerlautstärke, und die Tanzwelle verebbt nach den ersten 20 Metern. Trotzdem spielen sich die vier netten Jungs aus Manchester mit charmanter Ehrlichkeit durch ihr Hit-Repertoire tanzbar angegroovter Gitarrenklänge zwischen Psycho und rosaroten Seifenblasen. Und als die Nacht hereinbricht und kein Stern mehr durch die rauchgeschwängerte Luft dringen mag, als Gitarrist John Squire den Schlußsong „Resurrection“ im Endlosspiel zu einer kleinen Ekstase treibt und Ian Brown. entrückt den Blick nach oben gerichtet, seine Arme fliegen läßt, als die Sch-inwerfer sich entfesseln und ein paar Leuchtraketen der Masse das Universum vorgaukeln — da hüpfen die Herzen doch noch im Takt.
Doch im Vergleich mit dem Aufwand, der zuvor getrieben wurde, hat ein solcher kurzer Moment kollektiven Kinderglücks kein Gewicht. Aber wie sagte doch ein Einheimischer so treffend? „Es geht nicht um die Musik. Die Jungs hätten machen können, was sie wollen. Das Ganze ist ein Ereignis, und in drei Jahren wird sich halb England damit brüsten, dabei gewesen zu sein. Ob es wirklich gut war, spielt dabei überhaupt keine Rolle.“