The Tragically Hip – Road Apples
Tragically Hip, ein flotter Fünfer aus Kanada, kokettiert auf ROAD APPLES mit Pferdemist... und besticht durch einen aufreizend lässigen Mix aus erdigem Rock, frischem Folk und und unkonventionellen Country-Klängen. Tierisch!
Kanadischen Bands klebt seil ewigen Zeilen der Makel des Provinziellen am Revers. Dabei sind die Fallensteller von einst längst selbstbewußt genug, um sich mit ihren amerikanischen Nachbarn auf deren ureigenstem Terrain anzulegen. Bestes Beispiel: The Tragically Hip, fünf Holzfäller-Enkel aus Toronto, Kanadas Rock V Roll-Stadt Nr. 1.
Mit ihren schnörkellosen Songs der Marke Alt und Bewährt setzt das Quintett um Sänger Gordon Downie nach beträchtlichen Erfolgen in der Heimat nun auch zum Sprung auf die ausländischen Charts an.
Auf ROAD APPLES, seiner soeben erschienenen, zweiten regulären LP mixt der flotte Fünfer mit geradezu aufreizender Lässigkeit und sicherem Gespür für stimmige Arrangements bodenständigen Rock mit unkonventionellen Country-Klängen und vorsichtig dosierten Folk-Rhythmen — eine Mischung, die von durchaus gutem Geschmack zeugt. Selbigen bewiesen The Tragically Hip ja auch schon bei der Wahl ihres Namens, durch den sie sich von einem geistesverwandten Musiker, namentlich von Qualitäts-Rocker Michael Nesmith, inspirieren ließen.
Naturbelassene Song-Qualität ist das Signum dieser delikaten ROAD APPLES, die nonchalant mit Pferdemist kokettieren, musikalisch jedoch alles andere sind als alltäglich. Intensität ist das Zauberwort der fünf von Tragically Hip, die unbefangen und draufgängerisch agieren, elementarer Schlichtheit huldigen und dementsprechend auf allen überflüssigen Zinnober verzichten. Mit ihren kräftig erdigen Farben irgendwo zwischen frühen R.E.M. und den Doors angesiedelt, überraschen The Tragically Hip mit zeitlos solidem Gitarrenrock — druckvoll und dramatisch in strohtrockenen Rockern, poetisch und beinahe schon anrührend in stimmungsvollen Balladen. In Zeiten durchkalkulierter Computerklänge wirkt der musikalische Rauhreif des kanadischen Quintetts wie eine erfrischende Dusche an einem schwülen Sommertag. ROAD APPLES ist ein selten homogenes, quellfrisches Album in einer Sparte, die eigentlich schon längst ausgereizt schien.
KALTE WINTER Eine Stadt namens Kingston gibf s auch In Kanada. Im Winter um einige Grade kälter als ihre dreadlockige Schwester auf Jamaika, fällt in Kingston/Kanada zum Ausgleich die Musik um einiges heißer aus als in Rastaland. Bester Beweis: das Rock-Quintett The Tragically Hip, das in seiner Heimat zu den prominentesten Vertretern der jungen Musikszene zählt. An Kingstons Queens Universrty entdeckten Gordon Downie (voc), Bobby Parker (g), Gord Sinclair (b/voc) und Johnny Fay (dr) im Winter 1983, do8 sie musikalisch auf derselben Welle funkten. Old Time Rock ’n‘ Roll ä la Chuck Berry und traditionelle Mainstream-Songs bildeten zunächst noch jene Mischung, mit der man nächtens den lieben Kommilitonen kräftig einheizte.
Die musizierenden Studiker verharrten so lange artig im Amateurlager, bis sie erfolgreich ihre Abschlußprüfungen abgelegt hatten. Mit Paul Langlois, dem zweiten Gitarristen und Sänger, stellten sich aber schon kurze Zeit später die ersten Ambitionen ein, ins Profi-Lager überzuwechseln – auch in Kanada kein leichtes Unterfangen, doch glücklicherweise erwies sich die dortige Club-Szene als solide Schule für angehende Rockstars.
Ermutigt von ersten Erfolgen auf dem sicheren Boden der Heimat, machten sich Tragically Hlp schließlich nach Amerika auf, wo ihnen zunächst ein eisiger Wind ins Gesicht blleß – von großem Durchbruch keine Spur. Aber dann, durch eine EP auf einem winzigen Label, dessen Vertrieb jedoch bei einer größeren Firma mit internationalen Verbindungen lag, wurde man nicht nur in Amerika, sondern sogar im fernen England auf das Quintett aus der kanadischen Provinz aufmerksam. Ein Konzert in Toronto, wohin die Band inzwischen umgezogen war und wo sie zu den angesagtesten Acts schlechthin zählte, brachte ihr 1988 einen Vertrag mit MCA Records ein.
Im Frühjahr ’89 erschien dann das erste »richtige* Album von Tragically Hip, UP TO HERE. Produzent war Don Smith, der auch schon bei Aufnahmen von U2, Tom Petty und den Traveling Wilburys an den Reglern gesessen hatte. Auf ROAD APPLES, dem jüngsten Streich des flotten Fünfers aus Ontarlo, ist Don Smith erneut vertreten. Diesmal besorgte er im sonnigen Kalifornien die endgültige Abmischung der LP. (wt) HEISSE SOUNDS Aufgenommen in einem Studio im berühmten French Quarter von New Orleans, klingen die glutroten ROAD APPLES von Tragically Hip beinahe genauso druckvoll und vital wie die Live-Konzerte des kanadischen Quintetts. Grundstein für den Erfolg der Band in heimischen Gefilden war jedoch UP TO HERE, das jetzt auch in Deutschland veröffentlichte, erste reguläre Album der Gruppe. In Kanada gingen 1989 immerhin 200.000 Exemplare der exzellenten Debüt-LP über die Ladentische, was der Band im eigenen Land eine Platin-Platte einbrachte.
Ein Jahr später erhielten die fünf Rokker dann schon als .bester neuer Art“ den begehrten Juno Award*, das kanadische Gegenstück zum amerikanischen .Grammy‘. Die besten Voraussetzungen also, um sich mit ROAD APPLES auch international zu etablieren. Stehenbleiben wollen Tragically Hip allerdings nicht — was sich im O-Ton so anhört:
.Rock ’n‘ Roll Ist für uns so eine Art Ausgangspunkt, der uns hilft, die eigene Kreativität zu entwickeln.‘ ,Wir haben mittlerweile überall dort ein begeistertes Publikum, wo man uns schon kennt. In Dallas zum Beispiel oder In Chicago haben wir schon oft gespielt. £s kommt aber auch vor, daß wir nach einem Gig In Toronto vor 5000 Leuten am nächsten Tag in Hoboken/ New Jersey vor jämmerlichen vier Figuren auftreten. Doch solche Situationen haben durchaus auch ihre positiven Selten: Man bleibt dann eher auf dem Boden und schnappt letztlich nicht so schnell über.‘