The Verve, Hammersmith Palais. London


Es ist kein Wunder, daß The Verves erstes Konzert in London seit über zwei Jahren bereits Wochen zuvor restlos ausverkauft war. Und das im „Hammersmith Palais“, eine der legendärsten Rock’n’Roll-Stätten der Welt, mit einem Fassungsvermögen von satten 3.000 Besuchern. 14jährige Zahnspangentragerinnen mit verklärtem Blick hatten sich an diesem Abend ebenso eingefunden wie 40jährige Hippies mit Zauselbärten. Denn The Verves Frontmann vereint in einer Person, was bei Oasis auf Liam und Noel Gallagher verteilt ist: Sex-Appeal und Kreativität. Kein Lächeln trübt Ashcrofts ernsten Gesichtsausdruck, und wenn er tanzt, dann erinnert er eher an eine flügellahmen Dohle. Dennoch beweist dieser Kerl von gerade mal 26 Jahren in den rund 90 Minuten dieses Auftritts seine Ausstrahlungskraft. Er ist ein Magier, ein Verführer, ein (noch) etwas unbeholfener Schamane. So talentiert Ashcrofts Mitstreiter auch sein mögen, so wuchtig sie ihre Instrumente bedienen mögen: Alle Aufmerksamkeit konzentriert sich auf Ashcroft. Der krächzt und schreit, dreht und windet sich und fällt gelegentlich gar auf die Knie beinahe so, als würde er unter der enormen Last seines eigenen Potentials zu Boden gehen. Da The Verves aktuelles drittes Album „Urban Hymns“ zum Zeitpunkt des Konzerts noch nicht veröffentlicht war, rekrutierten sich die meisten Stücken aus dem zweiten Werk „A Northern Soul“. Nur kraftvoller, energetischer, dichter als auf Platte. Eben so, wie sich The Verve auf ihrem Geniestreich „Urban Hymns“ präsentieren. Eben so, wie die wahren neuen Britpop-Könige klingen müssen. Nach 70 Minuten regulärer Spielzeit suhlen sich die neuen Pop-Heroen Großbritanniens in einer ekstatischen White Noise-Trash-Orgie ä la Velvet Underground, bei der sie zu guter Letzt nur noch eine röhrende Gitarre vor dem Verstärker zurücklassen. Und dann kommt er, der rigoros-absolute Befreiungsschlag, der Sieg des Guten über das Böse – in Form der „Bitter Sweet Symphony“, dem harmonischsten Pop-Stück seit langer, langer Zeit. Ein Wunder ist geschehen!