Thomas Dolby
Die alte Weisheit, daß der Prophet im eigenen Lande wenig gilt, traf wieder mal zu. Der Engländer Thomas Morgan Dolby Robertson konnte in seiner Heimat niemanden so recht begeistern mit seinen elektronischen Sound-Mixturen. Und das, obwohl er wie ein Bilderbuch-Brite wirkt: scheu, skurril, mit Nickelbrille und dem Sex Appeal eines zerstreuten Professors. Also das genaue Gegenteil von dem, was man im imagebewußten Pop-Königreich derzeit schön findet.
Erst in den Vereinigten Staaten platzte der Knoten: Dolbys Single „She Blinded Me With Science“ ließ tanzwütige US-Kids aufhorchen. Und es scheint ganz so, als habe sich der Umweg via Übersee für Dolby gelohnt. Mittlerweile nämlich wird man auch in Europa auf den Keyboard-Derwisch aufmerksam.
Kurz etwas zu seinem Werdegang: 1958 in Kairo geboren, Reisen mit seinem Vater, einem Archäologen, klassische Ausbildung, Interesse an Jazz, Faible für Elektronik, entdeckt Dolby die Energie der englischen New Wave, arbeitet – mal als Toningenieur, mal als Musiker, mal als Komponist – für Foreigner, Joan Armatrading, M, John Cooper Clarke, Lene Lovich, The Members, The Fall, The Passions.
Durch sein Studium der elektronischen Klangerzeugung entwickelt er ein ganz eigenes Selbstverständnis als Musiker: „Ich bin kreatives Verbindungsstück zwischen aktivem Musiker und reinem Techniker. Bei meiner Musik hätte es auch wenig Sinn, den Studio-Sound auf die Bühne übertragen zu wollen. Ich werde wohl in Zukunft allein zu Playback und Videos auftreten. Denn seit Dylan mit seiner Gitarre die Bühne betrat, hat sich keiner so recht getraut, konsequent neue Wege zu gehen.“ Erst als er zusammen mit seinem Bruder Soni Jonzun, Steve Thorpe und Gordon Worthy die Jonzun Crew ins Leben rief, wendete sich das Blatt. „Pack Jam“ kletterte in die heimischen Charts und verkaufte obwohl anfangs im Eigenvertrieb stolze 250000 Stück.
Der plötzliche Erfolg des Michael Jonzun und seiner Crew hat gute Gründe. Denn wie kerne andere Gruppe filtern sie aus ihrem umfangreichen Elektronik-Bazar den Soundtrack des Weltraum-Zeitalters. Zu monotonen Beatrhythmen triggern sie ihre diversen Computer, daß es klingt, als kollidiere Raumschiff Orion mit der Enterprise; jagen ihre Stimmen durch Vocoder und Tonnen an Effektgeräten, daß man Darth Vader jodeln hört.
Doch wer annimmt, es handele sich bei ihnen um eine Bande ausgeflippter Techno -Freaks, die nur im Studio glänzen können, sieht sich getäuscht. In ihrer Show lassen die vier diverse Zeitalter Revue passieren Mal treten sie als die drei Musketiere auf, mal versteckt Michael seine schwarzen Locken unter einer pomadisierten Barock-Perücke, mal erscheinen sie als Rodeo-Cowboys, bis sie schließlich alle als space cadets, als Funk-Astronauten, das neue musikalische Zeitalter einläuten.
Und das hat, laut Michael, gerade erst begonnen. „Die Zukunft gehört den Computern und Synthesizern, behauptet der Klangtüftler – und erzählt, daß er ein Einschlaflied für die Challenger-Mannschaft geschrieben habe. „Ich habe noch keine definitive Zusage von der NASA, aber ich glaube fest, daß sie meinen Song akzeptieren. „