TikTok auf Speed: Wie „Sped Up“-Songs die Charts erobern


Das Medienkonsum basiert zunehmend auf Geschwindigkeit, auch die Musik muss diesem Tempo folgen. 

Das Musikverhalten hat sich grundlegend gewandelt, und TikTok spielt dabei eine zentrale Rolle. Eine Entwicklung auf der Plattform sind die sogenannten „Sped Up“-Versionen von Songs. Die Geschwindigkeit wird bei diesen Songs um 30 bis 50 Prozent erhöht. Dieser Trend, der auf TikTok für kurze, virale Tanzvideos genutzt wird, verschafft vielen älteren und neuen Popsongs eine zweite Chance auf Erfolg.

Von „Nightcore“ zur Chartspitze

Schon Anfang der 2000er-Jahre entstand die Idee der beschleunigten Songs unter dem Begriff „Nightcore“, eingeführt von einem norwegischen DJ-Duo. Dabei wird nicht nur das Tempo des Liedes schneller, auch die Stimmen der Künstler:innen werden durch die Beschleunigung höher eingestellt. Das Ergebnis hört sich meist etwas kindlich an.

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Heute sind diese „Sped Up“-Songs nicht nur auf TikTok präsent, sondern beeinflussen auch die offiziellen Musikcharts. Was einst als Nischenphänomen „Nightcore“-Szene begann, hat sich mittlerweile zu einem lukrativen Geschäft für Major Labels wie Warner und Universal entwickelt.

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Ein Paradebeispiel ist die Sängerin Raye, deren Song „Escapism“ in einer „Sped Up“-Version von Fans bearbeitet und im November 2022 zum Nummer-eins-Hit in den britischen Singlecharts wurde. Der Chart-Erfolg kam erst Monate nach der ursprünglichen Veröffentlichung. Auch etablierten Künstler:innen  kommt dieser Trend zugute. Beispielsweise sind Lana Del Reys „Summertime Sadness“ und „Say Yes To Heaven“ in schnellen Versionen auf TikTok viral gegangen und wurden so zurück in die Charts katapultiert.

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Der Erfolg dieser beschleunigten Tracks hat einige Musiker:innen dazu bewegt, ihre Songs aktiv für diesen Trend anzupassen. Im Jahr 2022 veröffentlichte Summer Walker ein vollständig beschleunigtes Album, während Stars wie Billie Eilish und Sabrina Carpenter spezielle „Sped Up“-Versionen ihrer Hits herausbrachten.

Warner und Universal auf „Sped Up“-Kurs

Major Labels sind bereits auf den Zug aufgesprungen. Warner Music und Universal Music betreiben inzwischen eigene Spotify-Accounts, die sich auf „Sped Up“-Versionen spezialisieren. Diese Accounts sind jedoch nicht sofort als offizielle Kanäle erkennbar.

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Während Warner Musics „Sped Up Nightcore“ anonym erscheint, präsentiert sich Universals „Sped Radio“ etwas offizieller, bleibt aber ebenfalls unter einem gewissen Deckmantel.

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Diese Vorgehensweise ermöglicht es den Labels, von dem Trend zu profitieren, ohne den DIY-Charakter der Szene zu gefährden. Für Warner und Universal ist das Betreiben solcher Accounts ein Gewinn. Die Produktion dieser Remixe ist einfach, kostengünstig und sie bieten eine neue Möglichkeit, bereits veröffentlichte Songs erneut in den Fokus zu rücken.

Kürzere Songs für kürzere Aufmerksamkeitsspannen

Der Trend hat nicht nur Einfluss auf die Charts, sondern verändert auch die Musikproduktion. Während früher Popsongs oft länger als vier Minuten waren, sind sie heute zunehmend kürzer, um den knapperen Aufmerksamkeitsspannen der Hörer:innen gerecht zu werden. Der Streamingdienst Spotify testet sogar eine Funktion, mit der Nutzer:innen die Geschwindigkeit von Songs selbst anpassen und teilen können.

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Musik wird dabei nicht als einziges Medium von der doppelten Geschwindigkeit befallen. Spotify bietet Nutzer:innen die Möglichkeit, Podcasts schneller abzuspielen, falls die Gespräche einem zu langsam von statten gehen. Auch von Plattformen wie WhatsApp oder YouTube kennt man das – Sprachnachrichten und Videos lassen sich hier ebenfalls in unterschiedlichen Geschwindigkeiten abspielen.

Kritiker:innen sehen jedoch auch Herausforderungen in diesem Phänomen. Die Popularität der „Sped Up“-Versionen kann die ursprüngliche Intention der Interpret:innen verzerren, indem Tempo, Stimmung und Ton verändert werden. Oftmals sind es nicht die Musiker:innen selbst, die diese Versionen veröffentlichen, sondern Fans oder Drittanbieter:innen, was die Kontrolle über das eigene Werk erschwert.

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Dies kann dazu führen, dass die Aufmerksamkeit von den Originalwerken abgelenkt wird und die künstlerische Integrität leidet. Zudem besteht die Gefahr, dass durch die einheitliche Soundästhetik der „Sped Up“-Songs stimmliche Merkmale und besondere Gesangsleistungen verloren gehen.