Tom Jones
Stell dir vor, Tom Jones kommt und alle Höschen bleiben trocken. Etwas mehr erotisches Entgegenkommen hätte man diesem Potenz-Titanen, der (Wetten. Naß…) viereinhalbtausend Damen allein am Geruch ihrer Slips unterscheiden kann, schon gegönnt. Die Münchner Frauen, in der Mehrzahl zwischen dem zweiten Kind und der Menopause durchaus ein Jonestypisches Publikum, behielten dagegen kühlen Kopf und die Hosen an. Und die Töchter unter Verschluß. Auch die mageren zwei Muttis, die Tom wenigstens einen Büschel Tulpen an die Bühne brachten, waren ohne Nachwuchs da. Schade, denn gerade den Jüngeren, denen der Sänger mit seinem Prince-Cover „Kiss“ chartsmäßig bekannt wurde, verpaßten die einmalige Chance, einen Pop-Giganten zu erleben, der mehr als 25
Jahre Show-Geschäft tatsächlich unbeschadet überstanden hat.
Kaum zu glauben, dieses Lehrstück eines knapp 50jährigen zweifachen Großvaters: Da verkauft der Sohn eines einfachen britischen Bergarbeiters insgesamt gut 30 Millionen LPs und über 100 Millionen Singles, lebt unter den Reichsten Amerikas, macht 200 Auftritte pro Jahr in der Plastik-Hölle von Las Vegas und rettet doch seine Ausnahme-Stimme samt der archaischen Prolo-Erotik über alle Klippen der Dekadenz.
Noch immer dieser Anlauf-Sprung quer über die Bühne, „Tiger“ nennen sie ihn deshalb, obwohl es eher nach einem bekifften Seehund aussieht. Die Hüften kreisen, das Becken vibriert, das Sakko fällt, der Schweiß plätschert – doch erst bei der Zugabe kapiert die erste Dame, was gemeint ist und bringt ihm ein Tempo zum Abwischen.
Immerhin haben sie dann doch mitgeklatscht bei Tom Jones‘ stimmgewaltigem Ritt kreuz und quer durch 20 Jahre des unverfälschten Sanges-Schmelz – ein Welt-Profi wie er rettet seine musikalische Libido auch über die Münchener Gefühlskälte. Fast zwanglos diese Mischung aus den Sechzigern („Delilah“ bis „She’s A Lady“) und den Songs der aktuellen LP AT TH1S MOMENT, denn seine Kraft-Stimme vereint nach wie vor mindestens fünf Pop-Generationen und gewinnt sogar Chris DeBurghs schwülstigem „Your World“ noch eine unerwartet schmusige Seite ab.
Aber auch die zwei artig geforderten Zugaben ändern nichts – Tom Jones‘ goldkettchenverziertes Brusthaar, das aus dem (einen Knopf unterhalb der Zuhälter-Grenze) geöffneten Hemd hervorquellt, hat offensichtlich bei der deutschen Frau null Chance