Tool: Spiel ohne Grenzen


Mit komplexen Prog-Sounds gegen die musikalische Beliebigkeit. Tool bringen ihr Album "„Lateralus" nochmal auf deutsche Bühnen. Und das ist auch gut so.

Es war der große Wendepunkt ihrer Karriere: Mit „Lateralus“, ihrem vierten Album im 12. Jahr, gelang Tool im Sommer 2001 der endgültige Einzug in die globalen Charts und Mehrzweckhallen. Dabei handelte es sich bei dem Werk zweifellos um das Schwierigste, Düsterste und Anspruchsvollste, was das Quartett aus Los Angeles je gemacht hat – morbider Prog-Rock mit ausufernden Arrangements, kryptischen Texten und messerscharfen Riffs. Also nichts, was einen großen kommerziellen Anspruch verfolgt. Trotzdem hat es über sieben Millionen Abnehmer gefunden. „Es ist wirklich nicht die einfachste Plane“, gibt Schlagzeuger Danny Carey in seinem Proberaum am östlichen Ende des Hollywood Boulevard zu. „Als sie veröffentlicht wurde, haben wir uns wirklich Sorgen gemacht, ob es überhaupt die richtige Zeit für eine solche Platte ist. Aber letztendlich hat es doch funktioniert. Insofern war ich wirklich überrascht, dass sie es auf Platz eins der amerikanischen Charts geschafft hat. Denn sonst verkaufen sich die Platten, die ich mag, nie so gut. Nimm nur die letzte Nine Inch Nails. Das war das Beste, wasTrentje gemacht hat -trotzdem ist sie nicht gelaufen. Und als ich das mitbekam, dachte ich: Scheiße, ich glaube, wir haben da ein Problem.“

Zumal Gitarrist Adam Jones, Sänger Maynard James Keenan, Bassist Justin Chancellor und Drummer Carey ja auch eine äußerst eigenwillige Politik in punkto Öffentlichkeitsarbeit verfolgen: Sie geben so gut wie keine Interviews, verzichten weitgehend aufs Marketing und verstehen sich als Underground-Formation. Was angesichts ihrer stolzen Verkaufszahlen und ihres Publikumszuspruchs fast ein bisschen weltfremd wirkt.

Doch gleichzeitig ist das wohl auch der Grund, warum sich Tool überhaupt so lange gehalten haben. Eben weil sie sich von allem und jedem abgrenzen, weil sie nicht berechenbar sind und auf diese Weise ihre Integrität wahren. So zählen Tool zu den wenigen Überlebenden der einst so stolzen Armada an gos-Rockbands, haben Grunge, Rap-Rockund die Alternative-Bewegung überlebt und werden auch den Nu Metal überstehen, wie Carey selbstbewusst zu Protokoll gibt. „Bands wie Rage Against The Machine oder Soundgarden sind an sich selbst gescheitert. Sie haben sich in ihrem politischen Anspruch oder in ihren Egos verfangen, kamen mit ihrem Erfolg nicht klar und haben einfach aufgegeben. Das könnte uns nicht passieren.“

Wobei sich Tool allein durch ihre Nonkonformität schützen: Sie haben kein Image, meiden das Rampenlicht und bleiben weitestgehend unerkannt. Schließlich gibt es kaum Gruppenfotos, und auch in ihren Videos treten Tool nie persönlich in Erscheinung. „Als wir anfingen, war L.A. voller Poser-Rocker, die auf ihren Harleys über den Sunset knatterten, sich in schwarzes Leder zwängten und das Make-up ihrer Freundinnen trugen. Das war wirklich lächerlich „, erinnert sich Carey. „Deshalb machen wir auch das genaue Gegenteil – wir verkörpern das Anti-Image.“

Was Tool seit elf Jahren konsequent durchhalten auch musikalisch. Denn eigentlich ist es ein Unding, mit einem derart 70s-lastigen Mix aus Hardrock und Prog-Rock überhaupt so erfolgreich zu sein. Eben weil Tool viel zu spezifisch, zu anspruchsvoll und komplex sind, um die breite Masse zu bedienen.

Das gilt vor allem für Maynards kryptische Texte. Die erweisen sich als derart verwoben, verschachtelt und metaphorisch, dass sogar Muttersprachler sich mitunter schwer tun, alles zu verstehen. Auch die Band hat manchmal ihre Probleme. „Das ist schon vorgekommen“, grinst Adam Jones. „Aber meistens erzählt uns Maynard ganz genau, worum es geht. Und bislang hat es immer Sinn gemacht. Es ist so, als ob er das zu Ende bringt, was wir angelegt haben.“ Da ist es wieder – das Beschwören der Einheit und der Andersartigkeit. Ein Ansatz, der das Quartett in den USA zu einem der wichtigsten Gegenpole des Mainstream machte. Laut Carey eine logische Reaktion auf den gegenwärtigen R&J3- und Soul-Overkill, aber auch auf das Wirken des Vertriebs und der Plattenfirma. „Es ist toll, endlich mit Leuten zu arbeiten, die genug Vertrauen in uns stecken. Denn das war wohl der Grund, warum es vorher nicht geklappt hat. Unsere Konzerte liefen zwar immer gut, aber nach jedem Gig sprachen uns Leute an, ob wir nicht ein paar CDs zum Verkauf dabeihätten, weil sie die nirgendwo finden würden. Das war unglaublich frustrierend. Aber diesmal hatten wir viel mehr Unterstützung. Es war eine Wohltat, auf Europatour zu gehen und endlich das Feedback zu bekommen, das wir aus Amerika gewohnt sind.“

Und das ist denn auch Ansporn für einen baldigen Nachschlag. Doch statt mit dem nächsten Album anzufangen, kommen Tool in diesem Jahr erneut nach Europa. Und das nicht nur für Festivals wie Rock am Ring/Rock im Park, sondern auch für Club-Shows und Auftritte im Rahmen der Ozzfeste.

www.toolband.com