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Tränen: Das Chemnitzer Duo weiß Pop und Verzweiflung zu verweben


Das aufwühlendste Debütalbum 2023 kommt aus Chemnitz. Grund genug Tränen noch mal genauer vorzustellen.

Hypetown Chemnitz sendet wieder – und wie. Nach dem Blond­-Album PER­LEN im Frühjahr 2023 schickt sich mit Tränen ein weiterer Act an, die hiesigen Pop­-Geschehnisse auch ohne Berlin­-Bezug ganz neu zu sortieren. Bei Tränen handelt es sich dabei um ein Duo. Den brilligen Typen mit Bart kann man ken­nen als Gitarrist der Band Kraftklub. Steffen Israel – auffälliger Name, zurück­ haltende Art. In seiner Radiosendung „Radio mit K“ spielte er – so lange ist das alles noch gar nicht her – das Stück „Hände, getrocknet“. Es stammt von der Musikerin Gwen Dolyn und bringt die beiden in Kontakt.

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Im Raum steht bald die Idee, gemeinsam einen Punksong in eine Art Emo­NDW­ Wave zu überführen – danach wird sich zumindest das Ergebnis irgendwann anhören. Etwas in der Art gab es bereits von Gwen Dolyn in Form einer Coverver­sion des düsteren Punkstücks „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“ von EA80. Sie und Steffen widmen sich nun dem „Duell der Letzten“, im Original von der Band Chaos­Z. Doch so Feuer und Flamme die beiden für ihr (vermeintlich) einmaliges Projekt sind, so wenig gelingt es erst mal, jenes Stück letztgültig fertigzustellen. „Wir haben dann immer gesagt, wir lassen das jetzt noch mal kurz ruhen“, erzählt Gwen, „und wenn wir das aber irgend­wann veröffentlichen, war uns klar, dass es cool wäre, auch noch ein, zwei weitere Stücke zu haben – damit das nicht so allein steht.“

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Aus Versehen mal eben ein Debütalbum gemacht

So schaukelt sich neben dem mehr­fach beiseite gelegten „Duell der Letzten“ plötzlich eine Sammlung eigener Songs hoch. Tränen sehen sich damit konfron­tiert, dass sie unterm (eigenen) Radar ihr Debütalbum angezettelt haben. Oops!

Und das profitiert hörbar davon, dass nicht alles ausdefiniert war und ist bei Tränen. Das Lustprinzip führt zu einer stili­stisch variablen Platte, die sich musika­lisch nicht festlegen muss und dennoch klingt wie das Statement eines Acts, der genau weiß, was er soundmäßig will und vor allem auch was nicht. Dazu die bitter­süße Dringlichkeit in Gwens Gesang und ihre Art, Texte zu schreiben, die sich jen­seits von wohlfeilem wie leerem Wort­ geklingel deutscher Acts befinden. Eine Mischung aus verschlüsselter Poesie und Drama hält die Spannung hoch. Diese Platte besitzt einen deutlich erhöhten Adrenalinspiegel.

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Irgendwie scheint bei Gwen und Steffen alles ineinanderzugreifen, so sehr, dass Gwen vom beschaulichen westdeutschen Kaff Darmstadt nach Chemnitz rüber­ macht. Chemnitz, wo die Dudes von Kraft­klub die Ansage von „Ich will nicht nach Berlin“ tatsächlich wahrgemacht haben. Auf jene Band von Steffen angesprochen, zieht Gwen etwas verlegen die Schultern hoch. Als Kraftklub­-Fangirl ist sie nicht in diese Zweier­-Konstellation geraten, das wird schnell deutlich – und das lässt das gemeinsame Projekt, auch wenn es eine solche Bestätigung gar nicht gebraucht hätte, noch paritätischer erscheinen. Hier haben sich einfach zwei bilderstürmende, selbstironische, hinreißende Nerds mit ordentlich Superkräften gefunden. Selbst wenn sie sich erst mal gar nicht gesucht hatten. HAARE EINES HUNDES von Tränen ist ohne Plan zu dem beeindruckendsten Pop­-Debüt des Jahres geworden. Wie es nun weitergeht? Man darf sich überraschen lassen – Gwen und Steffen machen es ja auch nicht anders.

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