Trailer Trash Tracys
Dream-Pop-Melancholie im Gleichklang mit experimentellen Gitarrenriffs
Erste musikalische Schritte ging das Londoner Quartett in halbierter Formation. Sängerin Suzanne Aztoria und Gitarrist und Mastermind Jimmy-Lee versuchten sich zunächst als New-Wave-Duo, bevor sie mit Drummer Dayo James und Bassist Adam Jaffrey ihre Mischung aus dem Synthpop der frühen 80er mit Reminiszenzen an Girlgroups der 60er und Lo-Fi-Gitarren kreierten. Man könnte das Shoegaze nennen. Die konkrete Härte von My Bloody Valentine wird allerdings von etwas Flüchtigem, etwas Geisterhaftem ersetzt. Wir leben in Zeiten von Witch House, Kevin Shields ist nur eine Erinnerung.
Auf dem soeben erschienenen Debütalbum der Band, Ester, lösen sich verlässlich Dissonanzen in wohlige Gleichklänge auf. Der Hall regiert die Platte – ein Effekt, den die Band, anders als zu erwarten, mit Gitarren, nicht mit Synthies erzielt. Auch Suzanne Aztorias meditative Stimme wird nur ganz dezent von digitaler Technik unterstützt. Vergleiche mit Hope Sandoval von Mazzy Star sind absolut angebracht.
Genaues Hinhören beim sphärischen Gesang, der vordergründig wie ein weiteres hallbeladenes Instrument klingt, lohnt sich übrigens: Die Band will sich von den Bubblegum-Lyrics, wie sie Shoegaze so oft auszeichnen, abheben, lässt stattdessen Inspirationen romantischer Literaten wie William Blake oder von Pop-Poeten wie John Lennon einfließen.
Wie der Großteil all ihrer Kollegen fürchten die Tracys Kategorisierungen ebenso wie den Durchschnitt. „Auch wenn es klischeehaft klingt“, sagt Jimmy-Lee, „ich will, dass die Leute uns entweder hassen oder lieben, alles dazwischen fände ich irgendwie enttäuschend.“ Eine Band für ein Nischenpublikum, dem Slowdive alles bedeutet.
CD im ME S. 19, Albumkritik S. 95
* Die Band heißt wie eine walisische Elektro-Gruppe der 70er. Die beiden sind sich sogar schon begegnet. Die alten TTT wirkten dabei auf die neuen wie „New-Age-Hippies“.
* Debütalbum Ester ist nach einer königlichen Figur im Alten Testament benannt, die den Genozid an einer Gruppe Juden verhindert hat.
* Auf „Starlatine“ singt ein dressierter Papagei. Die Band musste ganze drei Tage warten, bis der Vogel für seinen Take bereit war.