Trump vs. Taylor: Welche Konsequenzen wird die US-Wahl auf die Popkultur haben?
Aida war gestern Abend bei den „Democrats Abroad“ in Berlin und denkt über die kommenden vier Jahre nach.
Chappell Roan war heute auch dabei. Zumindest in der Form von Merch: Julia lief mit ihren Freund*innen durch den Vorraum des Berliner Kinos Babylon, wo die Wahlparty der Berliner „Democrats Abroad“ stattfindet, der Auslandsvereinigung der US-amerikanischen demokratischen Partei. Sie hatte am Anfang des gestrigen Abends wahrscheinlich das breiteste Lächeln im Gesicht – es war ihre allererste Wahl, sie war erst wenige Tage zuvor 18 geworden. Gemeinsam mit einem Freund, der ebenfalls gerade zum ersten Mal gewählt hatte, schauten sie zu. Auch wenn sie es nicht fassen konnten, dass es schon wieder um Trump ging. „Seit wir zehn sind!“, erklärten sie, dominiere er den Diskurs. „Und ich wusste schon mit zehn, dass er scheiße ist.“
Keine Party für Demokrat*innen
Als ich um kurz vor vier Uhr morgens die Wahlparty verlasse, heult sie. Sie habe gewusst, dass ihrem Heimatland Frauen egal sein würden, meint sie. Ihre Freund*innen versuchen sie noch zu beschwichtigen, dass zu jenem Zeitpunkt zumindest noch nichts gesagt sei – aber sie sollte recht behalten: Dieser Abend würde für Demokrat*innen keine Party. Und für Frauen schon mal gar nicht.
Bis um zwei Uhr spielten noch Bands und es herrschte eine freundliche Best-of Americana-Stimmung mit Country, Singer-Songwriter, DJs und einem nicht so richtig zündenden Comedy-Act (sorry) auf der Bühne, irgendwann, nach Protest aus den hinteren Rängen, lief wenigstens hinter der letzten Band immerhin der eher progressive Nachrichtensender MSNBC. Im Eingangsbereich waren Selfies mit Pappaufstellern von Kamala Harris und Tim Walz der Renner, und auch der Merch-Tisch mit Buttons und T-Shirts war gut besucht. Bei aller Feierlaune aber herrschte nervöse Stimmung unter den Amerikaner*innen, die hier gemeinsam die Wahl gucken wollten, und den neugierigen Deutschen, die dabei zuschauen wollten.
Frank, als Musiker als Frank the Baptist unterwegs, ist einer von den Amerikanern, die hier die Wahl schauen wollen. 2006 ist er unter anderem wegen dem konservativen Präsidenten George W. Buch nach Berlin gezogen, und ist eigentlich kein großer Fan der Demokraten. „Trotzdem habe ich sie in allen letzten Wahlen gewählt“, erzählt er, die Inhalte hätten ihn überzeugt – und das Trump ein real existierender „Cartoon Villain“ sei.
Es wird düster
Und dieser Cartoon Villain wird jetzt zum zweiten Mal Präsident. Mit dem bedeutenden Unterschied, dass er jetzt vollkommen umgeben ist von ultrarechten Weggefährten statt von mehr oder weniger professionellen Karrierepolitiker*innen. Was das für die USA und die Welt bedeutet? Es wird düster – und das wird auch ganz konkrete Auswirkungen auf Künstler*innen haben, auch wenn das neben großen Themen wie dem Schicksal von Migrant*innen in den USA, Transrechte, Abtreibung, Ukraine und Naher Osten kaum beachtet wird. Aber Kultur schafft Menschlichkeit und Empathie und ist damit eine Stütze demokratischen Zusammenlebens. Viele Künstler*innen allerdings, die sich in den letzten Tagen und Wochen nach langem Zögern doch zu Kamala Harris bekannten, sind für Trump jetzt allerdings Feinde, allen voran Taylor Swift. Das wird Menschen nicht davon abhalten, Tickets für die „Eras“-Tour zu kaufen, aber eine gute Stimmung sieht anders aus.
Wenn es aber um den Nachwuchs geht und um Künstler*innen, die noch keine Millionäre oder Milliardäre sind, wird es bitter. In den USA erhält Popkultur sowieso schon kaum bis keine staatliche Förderung im Gegensatz zu etwa Deutschland, Kanada, Spanien und vielen anderen Ländern. Aber mit Trumps Schwerpunkten ist ziemlich sicher davon auszugehen, dass es für Kunst und Kultur finanziell noch schwieriger wird. Sei es, dass aufgrund seiner angekündigten Isolationspolitik Touren in den USA noch unmöglicher werden als sowieso schon. Für inländische Künstler*innen sind sie schon finanziell nicht immer leicht zu stemmen, für internationale ist es umso problematischer. Künstler*innenvisa zu bekommen dauert und geht ins Geld, hinzu kommen im schlimmsten Fall Zölle auf die Einfuhr von Merch, Instrumente und so weiter.
Aber auch wenn man erst einmal auf Tour ist, könnte der Albtraum weiter gehen: Weibliche Künstler*innen haben mir in Interviews erzählt, dass sie ein mulmiges Gefühl haben, in Bundesstaaten wie Texas oder Georgia aufzutreten, wo drakonische Abtreibungsgesetze schon zum Tod von Frauen geführt haben. Das könnte sich bald auf das gesamte föderale Gebiet ausdehnen, auch wenn einige Bundesstaaten im Zuge dieser Wahl auch per gleichzeitigen Abstimmungen auf Gesetzesentwürfe das Recht auf Abtreibung verbrieft haben.
Die kommenden Kämpfe
Es war die vielleicht poppigste Wahl aller Zeiten, gekämpft wurde nicht nur mit Celebrity-Endorsements, sondern mit Memes und Podcastauftritten, mit Wählerregistrierungen auf Konzerten und Partys als Wahlkampfveranstaltungen. Ob wir jetzt eine Renaissance des Protestsongs und des politischen Pops erleben? Zu wünschen wär’s. Schon allein damit die Julias der USA und dieser Welt, die Erstwähler*innen mit großen Hoffnungen, einen Soundtrack haben für die kommenden Kämpfe.