Tschüss, Schwarz-Rot-Gold! Deshalb sind wir froh, wenn Deutschland heute Abend rausfliegt
Alle zwei bis vier Jahre versinkt der deutsche Sommer in Schwarz-Rot-Gold. Cafés, Restaurants und Kneipen kommen nicht mehr ohne TV-Geräte im Außen- wie Innenbereich aus, Nationalflaggen schmücken jene sowie private Balkone, Autos und die Häppchen an der Käsetheke. Wir haben zusammengefasst, warum uns diese Art des Nationalstolzes alle zwei Jahre mehrere Wochen lang übel aufstößt.
1. Fußball-Mode gibt’s nicht!
Fußball und Mode – Kennern letzterer Branche dürfte sofort die Ähnlichkeit zu Fisch-sucht-Fahrrad-Singlepartys bzw. zu deren gesellschaftlichem Ansehen (gegen Null) auffallen. Dass Fußball-Fans sich selbst als „angemessen angezogen“ bezeichnen, zählt nicht, denn: Schön saufen kann man sich nicht nur andere, sondern auch das eigene Spiegelbild. Dennoch versuchen selbst angesehene Designer, die zu anderen Saisons wohlgemerkt stets tolle Entwürfe abliefern, zur Fußball-Saison ihr Glück mit Fan-Mode und springen auf den Design-Zug der Hässlichkeiten auf. Glaubt ihr nicht? Bitte einmal hier entlang:
Wir fragen uns: „Warum?!“, „Wer soll das tragen?“ und „Wann können Designer aufhören zu versuchen, ansprechende Fußball-Mode (gibt’s einfach nicht) zu designen?“. Damit wir uns nicht missverstehen: Wir reden hier nicht über National-Trikots! Da gibt es durchaus ansprechende Varianten, unter denen wir sogar die 15 schönsten Trikots der EM 2016 küren konnten. Das hässliche Pendant dazu gibt es allerdings natürlich ebenso…
2. Fußball-Make-up macht uns wirklich nicht schöner
Ihr wisst nicht, was wir meinen? Nein, gegen Island-Blaue Gesichter von stolzen Fans, denen es wichtig ist, ihre Liebe zur Nationalmannschaft sichtbar zu machen haben wir überhaupt nichts. Was wir allerdings überaus befremdlich finden, sind zum Beispiel die Make-up-Tipps, die Cathy Hummels zur EM 2016 für Artdeco gibt. Unser Favorit: „Bei Polen treffen wir auf eine starke, versierte Mannschaft (…) die müssen wir definitiv im Auge behalten. Für dieses Spiel setze ich auf ein starkes Augen-Make-up. Bläulich Schwarz und ein bisschen Smokey.“ Noch Fragen?
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3. Schwarz-Rot-Gold im Stadtbild ist gewöhnungsbedürftig
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir sind durchaus tolerant. Es hat sich (abseits einiger weniger Bundesländer…) eingebürgert, dass Toleranz mittlerweile wie Pünktlichkeit als deutsche Eigenschaft gilt. Wer dieser Tage aber aus dem Fenster blickt und mit wachen Augen durch Straßen streift sieht statt grauer Betonwände mit ein bisschen Street Art oder pastellfarbenen Altbaufassaden nur noch drei Farben – drei Farben, die angeblich ein unverkrampftes Verhältnis zu der eigenen, zufällig deutschen, Nation ausdrücken sollen. Bezeichnenderweise stecken hinter den bunten Fenstern oft genau die unverkrampften Mitbürger, die am Samstag pünktlich um 22 Uhr die Polizei rufen, wenn mehr als zwei Menschen bei einer Geburtstagsfeier auf den Gastgeber anstoßen. Auch sind es genau jene unverkrampften Mitbürger, die uns mit ihrem Deutschlandfähnchen-Vectra-Kombi die Ohren aus dem Schädel hupen, weil wir beim Linksabbiegen nicht schnell genug angefahren sind. Total entspannt, dieser ewig rechthaberische Teil, ohne den unsere wunderbare Nation manchmal perfekter wäre. Wir wollen diesen Teil endlich wieder vergessen dürfen, ausblenden, verdrängen – was uns deutlich leichter fiele, würden sich die Rechthaber nicht mit schwarz-rot-goldenen Stofffetzen selbst markieren.
4. Nationalstolz im Supermarkt – wie sinnvoll ist EM-Klopapier?
Nicht nur, dass das Gemüse im deutschen Supermarktwaren-Regal farblich im Sinne der Nation (Schwarz-Rot-Gold, ihr wisst schon) angeordnet wird, nee, in jeder Marketing-Abteilung eines jeden Unternehmens sitzen Monate vor jedem sportlichen Super-Event gewiefte Mitarbeiter, die sich limitierte Fußball-Editionen wie EM-Windel, EM-Klopapier (kein Scheiss) oder EM-Gulasch ausdenken. Wer das kaufen will? Keine Ahnung, wir jedenfalls nicht…
5. Konditoren rasten in deutscher Trikolore aus:
Ein klassisches Erdbeerschnittchen soll uns 2018, 2016, 2014… wohl nicht in die Tüte kommen. Von der Bäckerei-Kette bis zum Konditor rasten alle alle zwei Jahre aus und basteln EM-Schnittchen aus Brom- oder Heidelbeeren (Schwarz) mit Kirschen, Erd- oder Himbeeren (Rot) und Pfirsichen, Ananas- oder Mandarinen-Stückchen (Gelb-Gold). Vier bis sechs Wochen lang stehen wir erstaunt beim Bäcker und freuen uns, dass zumindest Brot und Brötchen nicht auch noch mit künstlichen Farbstoffen eingefärbt wurden – wird Zeit, dass der Quatsch aufhört und die EM-Schnitte wieder vier-Jahre (oder die WM-Schwester für zwei) aus der Auslage verschwindet.