Unter der Oberfläche
Wild Beasts
Smother
Domino/Good To Go
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Die vielleicht (?) zärtlichste Band des Planeten will ihr dunkles Geheimnis mit dir teilen.Und ihr Moorbad. Dunkelpop.
Unsere These soll lauten: Solche Musik machen keine Bands aus Metropolen. Dort, wo sich Szenegänger die Klinken der angesagten Clubs in die Hand drücken (klar, die angesagtesten Clubs haben Türsteher) und im Inneren dieser Clubs sich gegenseitig kochend heiße Band-, Gadget- und Markennamen ins Ohr brüllen, während die Zeit immer schneller läuft und die Temperatur des frisch aufgebrühten Trends im nächsten Moment schon auf den Wärmegrad einer Hundeschnauze zurast. Solche Musik kommt aus kleiner Stadt, idyllischem Land und von Flüssen her, wo Künstler sich vor allem immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen finden. Und daraus – forschend, lauschend, spürend, bohrend – hoffentlich das Beste machen. Unsere Empfehlung für Smother (deutsch: dämpfen, ersticken, unterdrücken, aber auch: Staub- oder Dampfwolke), das dritte Album der Wild Beasts aus dem maximal idyllischen und von Trends und Tempo sehr weit entfernten Lake District im Nordwesten Englands, soll allerdings lauten: Lassen Sie Thesen Thesen sein und sich hinein gleiten in diese Platte. Wie in ein Moorbad. Warm und feucht und fest umschließt einen die Musik. Sie hat sich befreit von den Zwängen des ja schon sehr spannend erweiterten, betont artifiziellen Indierock der beiden Vorgängeralben. Als das Drama, zu der Wild Beasts von Haus aus neigen, aber eben noch eins war wie im Bilderbuch. Smother ist subtiler. Hier macht nicht mehr das Format, das einer vollzähligen Band, die bestimmte Sound- und Arrangement-Vorgaben erfüllt, die Vorschriften, sondern der Song. Der will im Zweifel weniger als mehr haben. Und er will Klänge unbestimmter, nicht das Klischee gleich mit benennender Herkunft. Er will ein Zusammenspiel, das keine festgesetzte Hierarchie zwischen (mehr) Elektronik, Percussions, Gitarren, dem Piano und Bässen kennt und so mit viel größeren Nuancen arbeiten kann als das die ferne, grobe und hölzerne Rockmusik tut. Der Song will klingen. Magisch, dunkel und so wild wie es eben geht, ohne dass an der Oberfläche mehr zu erkennen ist als ein Kräuseln. Ah, verstehe: Von experimentellem Pop ist hier also die Rede, vielleicht von Krautrock sogar, von offenen Enden und Schlieren, von Talk Talk wieder mal, ja? Nein, gar nicht, die Wild Beasts bleiben in jedem Ton so klar umrissen und deutlich ausformuliert, dass man glauben könnte, der aktuell tonangebende Produzent des R’n’B-US-Chartspop hatte das letzte Wort bei Smother. (Tatsächlich war es erneut Richard Formby von Dakota Suite.) Dass die Wild Beasts große Verehrer von Kate Bush sind, lässt sich schließlich auch an den Texten erkennen. Sie widmen sich mit großer Faszination (und beinahe mutwillig gegen alle gängige Metaphorik in Poplyrics anformulierend) der dunklen Seite der Leidenschaft, dem Missbrauch von Macht, dem Monster in mir und dir. Ja, und wie – eine so lange Kritik zu Wild Beasts und kein Wort zu den Falsettstimmen von Hayden Thorpe und Tom Fleming? Doch, gerne: Sie sind wunderschön.
Artverwandtes: The Blue Nile Hats (1989) Kate Bush The Red Shoes (1993) Wild Palms Until Spring (2011)