Uriah Heep


URIAH HEEP: KEINESFALLS BETRUNKEN

Und nun zu Uriah Heep. Mit gemischten Gefühlen betrat ich das Münchener Hotelzimmer des Heep-Organisten Ken Hensley. Nach allem was ich so gehört hatte, machte ich mich auf die schlimmsten Alkoholiker gefasst, die ausserdem noch den Ruf haben pressefeindlich zu sein. Aber… welche Überraschung! Ken Hensley begrüsste mich lächelnd und machte einen ausgesprochen freundlichen Eindruck. Ausserdem war er keinesfalls betrunken. Wir sprachen sehr ungezwungen über Uriah Heeps‘ Musik,‘ über Drogen, Deutschland, Gurus etc …

ME: Ihr habt ungefähr das gleiche Publikum wie Deep Purple oder Black Sabbath. Meinst Du nicht, dass die Leute, die auf dieser Art Musik stehen, immer weniger werden? Ken: Ach weisst Du, die Sache ist die, dass das Publikum immer wechselt Die etwas Älteren heiraten und bleiben zuhause, die Jüngeren bekommen soeben von ihren Eltern die Erlaubnis zu unseren Konzerten zu gehen. Ich glaube, dass unsere Fans sich von gewöhnlichen Popmusik-Hörern etwas unterscheiden. Zu unseren Konzerten kommen andere Leute als zu ‚Sweet‘. Wir spielen ‚heavy-rock‘, natürlichen Rock.

ME: Du sagtest vorhin, das Publikum würde älter. Und wie sieht es mit eurer Musik aus? Ken: Unsere Musik wird nicht älter. Sie wird nur klarer in ihrem Sound. Wir können uns inzwischen viel besser auf unseren Instrumenten ausdrücken als vor einigen Jahren. Ausserdem versuchen wir natürlich dauernd unsere Musik zu verändern und neue Sachen hineinzubringen.

ME: Was zum Beispiel? Ken: Das Wichtigste für mich als Musiker ist, glaube ich, meine Individualität zu verwirklichen. Nehmen wir als Beispiel Led Zeppelin, Deep Purple oder die Rolling Stones. Wenn einer fragt, was die für Musik machen, ist die Antwort Led Zeppelin-Musik, Purple-Musik, etc. Das versuchen wir auch, diese Individualität in unsere Musik zu bringen. Wir bemühen uns eben Heep-Musik zu machen. Im Augenblick spielen wir neben harten Sachen auch sehr viele Melodien und versuchen sowas wie ’ne Show hinzukriegen. Mindestens genauso wichtig ist es aber Spannung in die Musik zu bringen. Im Zusammenspiel mit dem Publikum wollen wir eine optimale Dynamik entfachen.

‚DIE PRESSE HASSTE UNS‘

ME: Was hältst Du von Quadrophonie?

Ken: Nicht viel. Ich finde es absolut nicht gut, dass viele Gruppen sich so mit technischen Raffinessen überlasten. Sie stellen ihre Geräte so in den Vordergrund, dass die Gruppenmitglieder hinter all diesem Aufwand kaum noch wahrgenommen werden können. Natürlich, bei Gruppen wie Pink Floyd gehört die Technik unbedingt mit dazu. Wenn aber Deep Purple zum Beispiel damit beginnen wurden, empfände ich das nicht als einen grossen Fortschritt. Irgendwie ist doch die Musik das Wichtigste. Wenn die Musik nicht ausreicht, das Publikum zu befriedigen …

ME: Habt ihr eigentlich in letzter Zelt viele schlechte Kritiken bekommen? Ken: Keine Ahnung. Die Presse hasste uns ’ne Zeitlang und schrieb nur schlechte Sachen über uns. Das Publikum mag uns aber, und das ist die Hauptsache. Wir haben uns immer nur danach gerichtet und nicht nach der Presse. Wir sind inzwischen sehr feinfühlig dafür geworden, was das Publikum will, und wir spielen unsere Musik dementsprechend. Weisst Du, ich hab‘ meine Ideen und das Publikum hat gewisse Erwartungen. Beides muss ich auf einen Nenner bringen, damit sowohl ich wie auch die Fans ihren Spass haben. Man muss darauf achten, dass die Musik kommerziell genug bleibt, ich meine, dass die Leute die Musik und die Texte auch verstehen können.

DAS PUBLIKUM GLÜCKLICH MACHEN

ME: Sind eure Texte wichtig, um eure Musik zu verstehen? Ken: Ja, sie sind wichtig. Es ist nicht so, dass ich eine Philosophie verbreiten will. Die Texte handeln von persönlichen Erfahrungen. Über Armut und Krieg kann man genug in den Zeitungen lesen und am Fernsehen sehen, das brauche ich nicht auch noch zu verbreiten. Ausserdem kann ich mit Songs keinen Krieg beenden. Ich möchte vielmehr, dass die jungen Leute durch unsere Songs die kleinen Alltagsprobleme für kurze Zeit vergessen können. Ich versuche in meinem Leben so glücklich wie möglich zu werden, auch wenn viele Sachen schwierig sind, und es wäre nett, wenn jeder das versuchen würde. Ich weiss, dass es nicht leicht ist, aber ich versuche eben so gut wie möglich das Publikum mit der Musik glücklich zu machen.

ME: Was hältst Du von Gurus und woran glaubst Du?

Ken: Keine Ahnung. Vielleicht sind das Leute mit einem besonderen Führer-Komplex. Ich hab‘ mich noch nicht weiter damit beschäftigt. Jeder muss ja an etwas glauben, und vielleicht sind Gurus gute Ersatz-Objekte. Viele glauben an verschiedene Götter und meinen im Grunde dasselbe. Ich persönlich glaube an Gott und an die Bibel, aber das ist eben mein Trip.

ME: Was gibt es für dich sonst noch ausser Musik?

Ken: Ich möchte unheimlich gerne einen Sohn haben.

ME: Bist du verheiratet?

‚WIR SIND DEUTSCHLAND-FANS‘

Ken: Nein, aber trotzdem. Und ein Haus möchte ich auch. Einen Rennwagen habe ich schon. Eigentlich möchte ich nur glücklich werden. Ich weiss was Glücklichsein bedeutet, darum ist es für mich das Wichtigste.

ME: Wie findest Du Deutschland?

Ken: Deutschland ist nach Kalifornien das beste Land, das ich kenne. Die Leute sind hier astrein. Man kann hier innerhalb von 15 Minuten eine Atmosphäre herstellen, als würde man sich schon jahrelang kennen. Das gibt’s in einigen anderen Ländern nicht. Ich finde es nicht gut, wenn wir wie Rock’n’Roll Stars behandelt werden Irgendwie hab‘ ich das Gefühl, dass manchmal Leute Angst vor uns haben.

ME: Nimmst Du Drogen?

Ken: Nein, eigentlich nicht. Musik ist die totale Droge. Natürlich ziehe ich mal ab und zu einen rein, aber ansonsten halte ich von Drogen absolut nichts. Wenn man mit jemandem redet, der voll drauf ist, versteht man nur irgendein vollkommen zusammenhangloses Zeug. Das spricht dafür, dass man sich mit Drogen ganz schön von seiner wahren Persönlichkeit entfremden kann.

ME: Was hat Uriah Heep für Zukunftspläne.

Ken: Im Januar ’74 fangen wir mit einem neuen Album an. Danach fliegen wir für drei Wochen an die amerikanische Westcoast. m März kommen wir wieder nach München, um das neue Album zu beenden. Wir sind eben Deutschland-Fans.