Vampire Weekend – Vampire Weekend


Hinter dieser Platte stecken vier kluge Köpfe. (Afro)-Pop und erklärte Nettigkeit. Lieder zur Architektur und Kommasetzung. Ein erwartet überraschendes Meisterwerk.

Mittelgroße Eruptionen m der Popmusik sind schon mit weit weniger Bands im Anhang ausgemacht worden als diese hier. Es gibt gute Gründe dafür, dass wir uns jetzt auf die Musikrichtungen Highlife, Juju und Soukous, auf komplexe Afro-Beats im Kontext des gerne profanen anglo-amerikanischen Pop freuen dürfen. Wobei Highlife bereits eine Fusion aus tribalen Beats und westlichem Jazz, Swing und Militärmusiken darstellt. Die Fusion zweiter Generation also? Sicher eine kulturelle Annäherung, die im Zusammenhang mit diesen Namen schwer trendverdächtig ist: mit den britischen Foals (Single „Balloons“), den schwedischen Suburban Kids With Biblical Names, dem Nairobi-Washington-Quartett Extra Golden und ganz besonders Vampire Weekend. Wer letztes Jahr in den upfronten Blogs und dafür verdächtigen Mailorders gestöbert hat, konnte an Vampire Weekends „Mansard Roof“ gar nicht mehr vorbeikommen, der Single, die nun dem überwältigenden, melodieseligen Debüt Vampire Weekend vorsteht – die Eintrittskarte für ein Spiralpopwerk aus der Federgewichtsklasse. Von der selbst vertriebenen ersten, inzwischen ausverkauften EP und der Single „Mansard Roof“ und den paar Dutzend Selbstgebrannten 10-Song-Demos, die die Band auf Konzerten feilbot, war es nicht weit bis zum gerechten „Das wird die Band des Jahres 2oo8“-Hype. Es sollte das erwartet überraschende Meisterwerk werden.

Was haben die literarisch informierten Boys, die sich an der New Yorker Columbia University trafen, ihren Kommilitonen der Pop-Klasse 2008 voraus? Die Band brachte in einem Anflug von Selbstvermarktung das selten gebrauchte Wörtchen „preppie“ ins Spiel: „Nett“ und „popperhaft“ wollte eigentlich niemand seit The Clash mehr sein. Sänger und Gitarrist Ezra Koenig, Keyboarder Rostam Batmanglij, Drummer Chris Tomson und Bassist Chris Baio lassen sich in weißen Poloklamotten ablichten und treffen sich zum Videodreh auf einer Yacht. Sie besingen die Morgenröte in den Farben von Benetton – in den 8oern hätte das allein gereicht, die Bandmitglieder als Popper zu stigmatisieren. Vampire Weekend sind aber am Ende des Tages smart genug, um sich mit den Waffen der Semantik gegen zu viel Festlegung zu wehren. Der für intellektuelle junge Männer selbst erklärte Sachverständige und generell unvermeidliche David Byrne hat auch schon zugebissen und betätigt sich auf seiner Homepage als Laudator der Columbia Four: „Richtig gut, poppig, aber ziemlich schräg“ Die Songs von Vampire Weekend kreisen um die Jungmänner-Nervosität der Feelies, um Beach-Boys-Gesangsstunden und den barocken Pop von Sixties-Legenden wie The Lefte Bänke, sie spielen manchmal mit dem lächerlichen Charme der Besserwissenden, die schon einmal ein stumpfes „ey ey ey“ in ihre fein austarierten Beiträge werfen können, ohne dass etwas kippt. Sie besitzen Witz, ohne witzig zu sein. „Oxford Comma“ etwa könnte ein verschüttetes Frühwerk von Elvis Costello sein, sagen wir ein Grammatik-Aufsatz in Reggae-Form: „Who gives a fuck about an Oxford comma? / I’ve seen those English dramas too / They’re cruel / So if there’s any other way / To spell the word/It’s fine with me, with me.“

Afro-Pop bleibt die schillerndste musikalische Farbe auf dem Album, sie strahlt über den Rand der Platte hinweg in ein Referenzreich, dessen König ausgerechnet ein boiing old fart ist, der mit einer denkwürdigen Veröffentlichung zur Neuentdeckung ausgerufen ist: Paul Simon, hätten Sie’s gedacht, und sein Grammy-Album von 1986, graceland. Man braucht jetzt nicht den alten Simon aus dem Plattenregal zu holen, um Vampire Weekend noch einmal vor dem Hintergrund der so genannten Entwicklungshilfe zu begutachten – die Melodien kommen Koenig & Co. wie aus dem Nichts zugeflogen, sie ziehen herrliche Bahnen in hübschen Schleifen um die schwirrenden, tänzelnden Gitarren. Und im Vorbeisingen namedroppen diese Jungs auch noch ihren World-Music-Onkel Numero eins, Peter Gabriel („Cape Cod Kwassa Kwassa“). Gelegentlich versinken Vampire Weekend in psychogeografische Zwischenwelten, dann hat diese Musik etwas Ältliches, Altgriechisches, im nächsten Moment gelingt ihnen aber garantiert so ein Gassenhauer wie „Walcott“, der mit Piano und Cello im Eiltempo davonzischt.

Mit Vampire Weekend haben King Sunny Ade und kongolesische Soukous-Musik Besitz vom Bowery Ballroom ergriffen; wohin das noch führt, weiß man nicht. Afro-Pop mag erst einmal nicht mehr als eine interessante Folie sein, auf der einige blue-eyed nerds ihre Kartoffeln backen, aber jetzt beginnen sie auf die Speisepläne anderer Kontinente zu schielen. Dass Afro-Pop den Siegeszug in die CD-Player weißer amerikanischer Indie-Kids antritt, ist inzwischen kaum weniger utopisch als der Einzug Barack Obamas in das Weiße Haus. Und vielleicht hat das eine ja wirklich mit dem anderen zu tun – so eine Art Konsens mit schwarz-weißem Antlitz. Aber versuchen Sie bitte nicht, zu dieser Musik zu tanzen, es verdirbt einem komischerweise den Spaß. VÖ.22.2.

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