Verhasster Klassiker: Oasis‘ „Standing On The Shoulder Of Giants“ ist Powerpop für Halbsteife
Linus Volkmann verreißt Albenklassiker. Heute: STANDING ON THE SHOULDER OF GIANTS, das im Jahr 2000 erschienene vierte Album von Oasis.
Seit Anfang 2019 schmeißt unser Autor Linus Volkmann eine Kolumne bei uns, in der er regelmäßig auf die jeweils zurückliegende Popwoche blickt. Eine der darin auftauchenden Kategorien heißt „Verhasster Klassiker“, und schon jetzt raunt man sich im Internet zu, dass sich die Kolumne schon wegen dieses Rants gegen Platten, die angeblich jeder mag, jede Woche aufs Neue lohne. Und sei es nur, um Linus zu beleidigen!
Als Services des Hauses stellen wir die „Verhassten Klassiker“ nachträglich auch einzeln heraus. Den Anfang machte das fünfte, im September 1991 erschienene Album der Red Hot Chili Peppers, BLOOD SUGAR SEX MAGIK. Weil dieser Aufreger Eure Gemüter schon so reflexartig erhitzte, legten wir mit einer anderen vermeintlich unantastbaren Band nach: „Prätentiöse Kacke“ – so verriss Linus Volkmann ungehört das neue Tool-Album, das eventuell dieses Jahr erscheint. Weiter ging es mit dem Debüt einer weltweit erfolgreichen Rockgruppe, die damals noch keine war: FOO FIGHTERS, das vom „sympathischsten Kerl im Rock’n’Roll“, Mr. Nice Guy Dave Grohl, fast im Alleingang eingespielte erste Album der Foo Fighters. Und dann geschah die unglaublichste aller Unglaublichkeiten: Linus Volkmann zieht über die von unserer Redaktion teilweise angeblich, teilweise aber tatsächlich verehrten Radiohead her. Über RADIOHEAD! Beim Musikexpress!! Was kommt als nächstes? Oasis? Jep. Genau das kam.
DER VERHASSTE KLASSIKER: Oasis – Standing On The Shoulder Of Giants
Oasis
„Standing On The Shoulder Of Giants“
Epic/Sony BMG, Big Brother/ VÖ: 28.02.2000)
Wenn man draußen im Hof zwei Brüder zanken hört, macht man einfach das Fenster zu. Nicht so bei der berühmten Britpop-Gruppe Oasis. Da eimerten die jungen Leute mit Alkopop-Rausch und Schwitzflecken in Scharen zum Ort dieses Geschehens.
Auch ich habe mich damals hinreißen lassen. Dabei war ich immer Team Liam. Okay, für seinen Bruder sprach natürlich dessen mittelprächtiges, austauschbares Beatles-Rip-Off-Songwriting, aber mich faszinierte vor allem Liam Gallaghers Monobraue. Daran konnte ich mich wirklich nie satt sehen. Wenn nur diese depperte Musik nicht gewesen wäre!
Spätestens bei „Standing On The Shoulder Of Giants“ hatte sich der Powerpop für Halbsteife dann in eine Rockratlosigkeit hineinmanövriert, dass man als Zuhörer dachte, man müsse irgendwie helfen. Man ist ja immer noch Mensch! Doch was hätte man tun können?
Diesem Album war einfach nicht mehr zu helfen. Der damals sehr elektronische Zeitgeist hasste es – und der Band selbst schien es ähnlich zu gehen.
Bloß die langsam pausbäckig, kahl und kurzatmig gewordenen Britpop-Hängenbleiber skandierten immer noch treu weiter in die absolute Leere, die mit diesen zehn Songs einherging. Oasis – Musik für Freizeit-Hools, die gern mal was brüllen, wenn sie nachts aus ihrer Langweilerkneipe stolpern – und die privat aber auch gern wandern und träumen. Die Quatsch-Platte „Standing On The Shoulder Of Giants“ haben aber selbst sie nicht verdient.
Linus Volkmann („Musikjournalist“)
Hört Oasis‘ „Standing On The Shoulder Of Giants” hier im Stream:
Dieser Rant erschien zuerst in Folge 7 von Linus Volkmanns Popkolumne auf musikexpress.de:
Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte von Linus Volkmann im Überblick.