Vic Chesnutt
Vic Chesnutt gehört sicherlich zu den freundlichsten und zuvorkommendsten Zeitgenossen, denen man im Augenblick auf deutschen Bühnen begegnen kann. Ihm fehlt das lässige bis lästige Gehabe angesagter Undergroundstars, und das obwohl seine Touren von mal zu mal besser besucht sind und sich seine Platten in weiten Teilen dieser Republik gut verkaufen. Auch für seine vierte Tournee in nur 14 Monaten hat sich Chesnutt zusammen mit seiner Scared Skiffle Band etwas besonderes ausgedacht. Im gutgefüllten ‚Substanz‘, dem Münchner Club mit dem seit Monaten besten Live-Programm, zelebrierte der Songwriter aus Athens, Georgia, und seine Band mit Ehefrau Tina Chesnutt am Baß, eine Zeitlupenversion des aktuellen Albums ‚Is The Actor Happy‘. Die meisten Songs, darunter solch introvertierte Perlen wie ‚Doubting Woman‘ und ‚Gravity Of The Situation‘, entwickelten dabei ganz neue, ungewohnte Stärken. Ähnlich wie bei den amerikanischen Countryfolk-Experimentalisten von Souled American, scheinen die sehnsüchtigen Melodien zwischendurch in der rauchigen Luft fast stillzustehen, um sich dann nach kurzer Pause erneut, wie von Geisterhand getrieben, in Bewegung zu setzen. Chesnutt verzichtet weiterhin auf alle Zugeständnisse an den musikalischen Massengeschmack und skelettiert seine Kompositionen bis auf ein knappes Grundgerüst. Mit dieser effektiven Methode erzeugt er auch bei alten Songs wie ‚Panic Pure‘ und ‚Stupid Preoccupations‘ vom zweiten Album ‚West Of Rome‘ aus dem Jahr 1992 ungewohnte Brüche und Kanten. Um denen allerdings folgen zu können, bedurfte es an diesem Abend eines besonders feinen Gehörs, denn das Konzert war so leise abgemischt, daß sich jedes Geräusch des Nebenmanns als störende Mauer zwischen Hörer und Band schob. Aber im August ist er ja wieder auf Deutschlandtour – seiner fünften in 18 Monaten.