Vier junge Engländer setzen auf die Kraft der Melancholie. Der Humor ist Starsailor dabei aber nicht abhanden gekommen.


Während „James eins“ spricht, fährt sich „James zwei“ bedächtig mit dem Finger über die Lippen, schaut unsicher nach oben und wartet. So lange, bis James eins abgeschlossen hat und er dran ist mit reden. All das passiert langsam und immer schön der Reihe nach. Man merkt rasch: Hier sitzen zwei sensible Naturen.

Die beiden erzählen von ihren Pop-Ikonen. Was gar nicht ausbleiben kann, schließlich haben sie für ihre Band einen ganz besonderen Namen gewählt: Starsailor. „Starsailor“ lautet auch der Titel jenes Tim-Buckley-Albums von 1970, das seinerzeit mit seinen Melodie- und Rhythmussprüngen und seinen psychotischen Gesängen selbst aufgeschlossenere Popfans nachhaltig verstört hatte. Buckley, der 1975 an einem Drogen-Cocktail verstarb, hat Generationen von schwermütigen jungen Männern beeindruckt. „Ich habe seine Musik über die Alben seines Sohnes Jeff Buckley kennen gelernt. Irgendwann wollte ich wissen, was der Vater gemacht hat. Das war eine ganz natürliche Entwicklung“, sagt James eins. Und eine Offenbarung war es wohl auch für ihn. Ein bisschen davon ist auf dem Debüt-Album der Band, „Love Is Here“, zu spüren.

Wer sind eigentlich die Menschen, die sich hinter dem Bandnamen Starsailor verbergen? James eins, das ist der 21-jährige Sänger und Songwriter James Walsh, der diese auffallend verrätselten Songs mit den bleiernen Gitarren-Arrangements schreibt. Sein Kollege James zwei spielt Bass und hört auf den vollen Namen James Stelfox. Gemeinsam mit Drummer Ben Byrne gründeten die beiden vor vier Jahren aus einer Pub-Laune heraus Starsailor. Wie das eben so ist, wenn Jungs entdecken, dass sie die gleichen Musiker lieben, zum Beispiel Neil Young, Tim Buckley, Nick Drake oder Bands wie Buffalo Springfield. Eine Liebe, die bis heute andauert. „Das größte Kompliment für uns ist, wenn Leute sagen, dass wir zeitlos klingen. Zeitlos wie diese Musiker“, erklärt James zwei.

Viele junge Popfans haben haben Starsailor in einem ganz anderen Zusammenhang kennen gelernt. Denn als das Gerede von „quiet is the new loud“ auftauchte, gehörte die Band von Walsh, Stelfox und Byrne auf der Stelle dazu. „Gruppen wie Elbow, Turin Brakes und die Kings Of Convenience spielen alle akustische Gitarren“, so James zwei. „Aber ansonsten unterscheiden sie sich komplett voneinander. Das ist das Gute an der neuen Bewegung. Lind dass es wieder um Songwriting geht.“ Die Songs seines Bandkollegen Walsh, die Stelfox als „anders leise“ bezeichnet, bleiben immer abstrakt genug, um nicht als autobiografische Leidensstücke einer zerbrochenen jugendlichen Seele durchzugehen. „Die Songs müssen erst später, also beim Hörer, Sinn machen“, sagt Walsh.

Die Band hat es binnen weniger Monate von einer No-Name-Kapelle zum Next Big Thing im Vereinigten Königreich gebracht. Schuld daran waren natürlich wieder einmal ein paar Musikjournalisten, die nach nur zwei Hauptstadt-Konzerten den Namen Starsailor mit gezielten Superlativen in Umlauf brachten. Kurz danach hatte das durch Keyboarder Barry Westhead komplettierte Quartett einen hoch dotieren EMI-Plattenvertrag in der Tasche. Doch die vier Musiker aus der Nähe von Manchester schwören auf ihren kleinstädtischen Background. „Du musst dich mehr anstrengen, wenn du nicht aus einer der großen Pop-Metropolen kommst“, glaubt lames Walsh. „Viele gute Bands kommen aus dem Norden, weil die Frustration so groß ist, immer in den selben Clubs spielen zu müssen. Wenn du den Leuten erzählst, dass du Musiker bist, denken sie erst einmal an einen Kabarett-Künstler.“ In seinem Heimatort Chorley hätten die Leute nichts übrig für junge Männer, die sich als Songwriter versuchten, meint Walsh resigniert. Und James Stelfox ergänzt: „Erst nachdem wir bei ‚Top Of The Pops‘ aufgetreten waren, hörten die Leute auf zu fragen, wann ich denn endlich einen richtigen Job annähme.“

Es gibt kaum einen Sati von James eins und James zwei, der nicht irgendwie nachdenklich klingt. Plötzlich eine bekannte Band zu sein, das hat sie überrascht. „Es war seltsam“, erinnert sich James eins. „Wir haben immer versucht, dahin zu kommen, wo wir jetzt sind. Die Live-Shows waren eine emotionale Achterbahn. Bevor wir die Platte aufnahmen, hatten wir keine Chance, uns hinzusetzen und über die Songs nachzudenken.“ Dennoch sind nicht alle Stücke auf „Love Is Here“ brandneu. Das in England als Single veröffentlichte „Good Souls“ ist beispielsweise schon drei Jahre alt. „She Just Wept“ brachte Walsh dagegen erst im Studio ins Spiel. „Wir nahmen das Stück einfach auf und spielten es dann Steve Osborne, unserem Produzenten, vor. Der sagte nur ‚Wow‘. Und jetzt ist das Lied auf der Platte, also für den Rest unseres Lebens vorhanden.“

Dass die elf Songs auf »Love Is Here wie aus einem Guss klingen, ist auch Resultat einer entspannten Album-Produktion. Die Rockfield Studios in Süd-Wales, in denen schon Oasis ihr Debüt eingespielt hatten, wählten Starsailor ganz bewusst. „Da haben viele Bands, die ich bewundere, ihre Platten aufgenommen, Queen und Led Zeppelin zum Beispiel“, macht lames zwei deutlich. „Der Typ, dem die Studios seit vier Jahrzehnten gehören, ist ein absoluter Exzentriker. Er sammelt unter anderem Autos aus den 30er Jahren. Immer wenn wir einen Song fertig hatten, sind wir mit ihm rumgefahren. Mit diesen Neunzehnhundert-Kriegsära-Autos, die immer t-schk-t-schk-t-schk machten. Extrem laute Maschinen.“ Abgesehen davon war die Isolation nach Ansicht der Band das Beste an Rockfield. „Dadurch konnten wir uns richtig gut auf die Aufnahmen konzentrieren“, sagt Walsh.

Cut, dass der eigenwillige Humor von James & James durch die Einsamkeit nicht unter die Räder gekommen ist. Nach dem letzten Song des Albums, „Coming Down“, hört man zehn Minuten gar nichts, bis schließlich ein seltsam sakrales Summen und Gelächter ertönen. Dazu James zwei: „Das ist Steve, der da lacht. Wir dachten, wir beenden dieses sehr emotionale Album mit etwas Comedy.“

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