Viggo Mortensen im Interview: „In gewisser Hinsicht sind wir alle widersprüchliche Wesen“


Viggo Mortensen wurde vor allem durch seine Rolle als Aragorn in der "Herr Der Ringe"-Trilogie bekannt. Seit dem 29. Mai 2014 ist er in dem Film "Die Zwei Gesichter Des Januars" zu sehen. Wir trafen ihn dafür zum Interview.

Seine Rolle als Aragorn in der „Herr Der Ringe“-Trilogie machte Viggo Mortensen weltweit bekannt. Seitdem brillierte der amerikanische Schauspieler mit dänischen Wurzeln mehrfach mit zwielichtigen Charakter-Darstellungen, wie in „A History Of Violence“ und „Tödliches Versprechen – Eastern Promises“. Seit dem 29. Mai 2014 ist der 2010 von der dänischen Königin Margarethe II. zum Ritter geschlagene Schauspieler in der Film-Adaption des Patricia-Highsmith-Romans „Die Zwei Gesichter des Januars“ zu sehen. In der Verfilmung trifft der Amerikaner Rydal (Oscar Isaac) eines Tages auf Colette und Chester MacFarland (Kirsten Dunst und Viggo Mortensen) und ist von dem Paar fasziniert – Chester wirkt auf ihn wie sein vor kurzem verstorbener Vater. Doch als er die MacFarlands in ihrem Luxushotel besucht, begegnet er Chester, als dieser gerade einen offenbar bewusstlosen Mann fortzuschaffen versucht, um seine Identität als Hochstapler und Anlagenbetrüger zu verschleiern und dabei voller Eifersuchtsgelüsten und Paranoiagedanken auch vor Mord nicht zurückschreckt.

Für Mortensen ist Chester MacFarland ein typischer Charakter, wie er in allen Patricia-Highsmith-Romanen vorkommt: „Bei Patricia Highsmith schwanken alle Charaktere zwischen ‚Gut‘ und ‚Böse‘. Ob in ihren Romanen oder Short-Stories – Patricia Highsmith entwirft Figuren , die alle vorgeben etwas zu sein, sich und andere aber selbst etwas vorlügen und daran zugrunde gehen“ . Dabei erkennt man auch Parallelen zwischen „Die Zwei Gesichter des Januars“ und anderen Highsmith-Verfilmungen wie „Der Talentierte Mr. Ripley“  aus dem Jahr 1999. Auch dort hatte der von Matt Damon verkörperte Thomas „Tom Ripley“ eine paranoide Persönlichkeit, der versuchte, jemand anderes als er selbst zu sein, in eine andere Rolle zu schlüpfen und sich dabei in Mord- und Eifersuchtsgelüste verstrickte.

„Wenn du ein Film wie ‚Die Zwei Gesichter des Januars’ schaust oder die Werke von Highsmith allgemein liest, dann weißt du, dass dort Dinge geschehen, die unerfreulich sind. Am interessanten ist aber zu beobachten, wie sie geschehen, wie die Story endet. Den Film kann man in mancher Hinsicht als Film noir verstehen, der mit einem sehr trockenen, fast schon unerträglichen Humor ausgestattet ist und eine negativ gesehen nach unten gerichtete Spirale der Dramaturgie aufweist“, so Mortensen in unserem Interview.  Allerdings sieht Mortensen in den meisten Menschen widersprüchliche Wesen. Seine Figur Chester MacFarland beschreibt Mortensen deshalb wie folgt: „ Ich weiß nicht, ob mein Charakter unmoralisch ist. Eher ist er ein skrupelloser Opportunist. Er lügt, aber in gewisser Hinsicht sind wir alles Lügner, widersprüchliche und inkonsequente Personen wie er. Das macht Menschen so interessant, so unvorhersehbar. Es wäre doch langweilig, wenn Filme oder Romane sich nur um Menschen drehen würden, die sich alle gleich verhalten.“ Für Mortensen hat Chester aber auch positive Aspekte, denn seine Lügen dienen seiner Ansicht nach nur einem Zweck – er möchte überleben. „Chester ist ein Überlebenskünstler, sein Blick ist nach vorne gerichtet. Er kämpft sich durch und tut alles dafür, auch wenn er dafür schlussendlich ins Gefängnis muss.“

Neben den interessanten Charakteren bietet „Die Zwei Gesichter Des Januars“ aber auch ein originalgetreues Abbild der 1960er Jahre. Chester MacFarland trägt stets einen weißen Anzug und steht hier für Mortensen sinnbildlich für die Mode der Zeit: „In dieser Zeit trugen vielen Menschen Hüte und Anzüge. Man wollte mit der Kleidung zeigen, welcher Klasse man angehörte. Heute trägt man andere Dinge, ist von anderen Moden und Marken inspiriert, die ihre Shops in Paris, Berlin oder New York hätten. Welchen Stil du trägst, hängt davon ab, wo du aufwächst und zu welcher Zeit du lebst, die Mode verändert sich permanent und mit ihnen die Leute“, ist sich Mortensen sicher.

In den 1950er und 1960er Jahren, in denen der Film spielt, hätten bei der Weiterverbreitung der Mode sichtlich auch die Filme eine große Rolle gespielt, die sich immer mehr in den Vordergrund drängten und Bücher und das Theater als Inspirationsquelle ablösten. „In dem frühen 20. Jahrhundert waren es vor allem Bücher und Theater, aber in den 1950ern waren es immer stärker Filme, Pop-oder Jazzmusik, die reflektierten, wie man auf sich selbst blickt. Ob es Amerikaner, Franzosen oder Deutsche waren, sie wollten alle wie Marlon Brando ausschauen oder wie James Dean sein. Später wurden die Ideale dieser Vorbilder dann auch in Frankreich oder Deutschland adaptiert.“

Die Auswahl seiner Rollen sieht Mortensen als Herausforderung Erfahrungen zu sammeln. Dabei sieht er es als wichtig an im Hier und Jetzt zu leben und nicht allzu sentimental in die Vergangenheit zurückzublicken. „Du solltest mental und physisch immer in der Gegenwart leben, ansonsten bleibst du in der Vergangenheit haften. Wenn du ständig darüber nachdenkst, was wäre, wenn man wieder jung wäre, dann lebt man nicht richtig. Je mehr Erfahrungen du machst, umso mehr Dinge gibt es, die man bedauern kann nicht getan zu haben. Doch keiner kann alles richtig machen, denn keiner ist perfekt, erst Erfahrungen bringen Weisheit mit sich.  Ich muss in der Gegenwart leben, mich über aktuelle Entwicklungen informiert halten, um offen denken und meine Rolle verkörpern zu können. Nur so kann ich mich in eine Figur hineinversetzen, wenn ich meine Augen nicht verschließe, das ist meine Profession.“

„Die Zwei Gesichter des Januars“ ist seit dem 29. Mai 2014 im Kino zu sehen. Hier seht ihr den Trailer:

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