Virtuell rocken mit Tapes’N Tapes


Die Indie-Upstarts aus den Staaten unterziehen das Party-Game für Musiknerds einem Praxistest.

Josh Grier und Matt Kretzmann von Tapes N Tapes sind gerade in Hamburg angekommen. Heute Abend werden sie im ausverkauften Molotow ein Konzert spielen. Doch vorher haben der Sänger und der Keyboarder und Bassist der Newcomer aus Minneapolis noch genug Zeit für ein paar Aufwärmübungen an der Konsole. Die Musiker sind persönlich ebenso angenehm unprätentiös wie der Style der Band. Man trinkt Cola, packt die Controller zu GUITAR HERO 2 (Activision, PS2) aus, und es kann losgehen. Dummerweise haben wir noch nicht die neuen Controller zum zweiten Teil bekommen, weshalb wir auf die Red Octane verzichten, die in Zusammenarbeit mit Gibson entworfen wurde, und greifen auf die schwarzen Gitarren des ersten Teils zurück. Das ist nicht weiter schlimm, denn das Prinzip ist das gleiche. Die Band, durchaus gaming-affin, aber nach eigenen Angaben nicht komplett verrückt danach, ist begeistert: „Wir reisen zum ersten Mal mit einem richtigen Nightliner“, überlegt Josh. „Sonst hatten wir immer nur einen popeligen Van, den wir auch noch selbst gefahren sind. Wenn ich es mir recht überlege, brauchen wir langsam ziemlich dringend eine Konsole für unseren Bus.“ Matt grinst. „Wir sind nicht gerade die Profi-Konsolennerds“. gibt er zu. „Das Einzige, was wir manchmal zusammen spielen, ist Mario Kart. Sonst gucken wir lieber Filme. Aber das könnte sich bald ändern.“

Diese Aussage stellt sich schnell als gewaltige Tiefstapelei heraus. Kaum haben die beiden sich ihre Controller-Gitarren umgehängt, erweisen sie sich als wahre GUITAR HERO 2-Experten. Das Menü scheinen sie intuitiv schneller zu verinnerlichen, als man gucken kann. Und auch die Songauswahl ist schnell getroffen: „Es gibt „War Pigs“? Fantastisch!“, freut sich Josh. Flugs haben die beiden aus dem Avatar-Menü eine verkable Rocktussi und einen ausgemergelten Gitarrenproll ausgewählt, und es kann losgehen. Gemeinsam gilt es nun, den Song zu beherrschen, die richtigen Knöpfe zu drücken, so die passenden Riffs zu spielen und den Song so gut zu Ende zubringen, dass das Kompliment „Du rockst!“ erscheint. Das klingt leichter, als es durchgeführt ist. „Erst was Einfaches „, verlangt Matt. „Ich muss mich da doch erst mal dran gewöhnen.“ Gebannt stehen die beiden vor dem Fernseher, starren auf den Split-screen und versuchen, schnellstmöglich die richtigen Knöpfe zu drücken, während der Song vorbeirast und auf dem Autobahn-artigen Soundweg bunte Knöpfe blinken .die getroffen werden wollen, damit der Song in aller Macht weiterklingt. Doch hier geht es nicht darum, rote von grünen Knöpfen zu unterscheiden und schlicht in der richtigen Reihenfolge darauf herumzuhämmern, hier geht es ebenso sehr um Rhythmusgefühl. Schon bald wippen sie im Takt -echte Profimusiker, halt. Nur die improvisatorischen Zwischentöne müssen sie sich verkneifen. Hier geht es nicht darum, den Song selbst zu interpretieren, hier ist Präzision gefragt. „Manchmal werden genau die Töne, die ich am logischsten fände, nicht verlangt“, wundert sich Josh. „Da muss man schon ziemlich genau hingucken, um nicht alles falsch zu machen. Seltsam. Aber da gewöhne ich mich schon dran.“ Nach einem kurzen Aufwärmtraining beginnt Matt plötzlich, wie ein Irrer den Controller zu schütteln und sich in Pose zu werfen. Josh entledigt sich derweil seiner Sonic-Youth-Pudelmütze und tut es ihm gleich.,, Wenn man das Tremolo nach innen drückt und so schüttelt, anstatt es seitlich zu rütteln, bekommt man mehr Extrakraft auf den langen Akkorden“, weiß Matt. Josh nickt wissend, verspielt sich dann aber, und sein Gitarrenpart rei ßt jäh ab. „Mist! Das ist ganz schön schwierig, wenn man echte Gitarren gewohnt ist und plötzlich auf Knöpfe drücken muss!“

Nach einer weiteren Aufwärmrunde mit „Mother trauen sich die beiden dann endlich an „War Pigs“, und Matt ist der festen Überzeugung, dass es Bonuspunkte gibt, wenn man die Gitarre zwischendurch über den Kopf schwingt. „Ich wette, da ist ein Gewicht drin „, schwört er, „so bekommt man mehr Möglichkeiten, Bonuspunkte zu erspielen, wirklich!“Es sieht zumindest sehr professionell aus. „Meine Güte“, lacht Josh, „das ist das perfekte Partyspiel. Ich bin schon völlig aus der Puste.“

Die Demoversion,die wir zum Testen bekommen haben, hat jedoch einen Makel:“.Warum ist da nicht ,Sweet Child O ‚Mine drauf?“, nörgelt Josh. „Das wäre der perfekte Guitar-Hero-Song! Der muss da einfach dabeisein! Haben sie etwa die Lizenz nicht bekommen? Das wäre ein Skandal!“ Keine Sorge, auf der fertigen Version sind auch Guns n Roses vertreten. Aber das konnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. Gut, dass sich die Menschen, die die Tracklist zusammengestellt haben, ähnliche Gedanken gemacht zu haben scheinen wie unsere Musikexperten. Die jedoch sind schon eine Spur weiter: „Wie grandios wäre es, wenn man Guitar Hero mit anderen Instrumenten verbinden könnte? Dann könnte man noch ein virtuelles Schlagzeug aufbauen. Der zweite Gitarrencontroller ist ja eh schon für den Basslauf zuständig“, überlegt ]osh. Matt bekommt leuchtende Augen: Ja, undeine Keytar brauchte man noch. So ein Key board zum Umhängen. Und vielleicht könnte man Sing Star auch noch damit verbinden, für den Backgroundgesang!“

Während die beiden sich ausmalen, wie man noch Tanzmatten und die Eye-Toy-Kamera integrieren könnte, um eine komplette Party zu infizieren – und wie viele Fernseher dann notwendig wären, um auch alles sehen zu können, was da vor den Bildschirmen passiert, bedienen sie ihre Controller mittlerweile fast wie im Schlaf. Naturtalente? „Naja, wir haben das schon mal gespielt“, gibt Josh zu. „Den ersten Teil.Auf einer Party. Aber man hat das wirklich schnell drauf Ich muss heute Abend nur aufpassen, dass ich an meiner Gitarre nicht anfange, die Knöpfe am Hals zu suchen. Das wäre sehr kontraproduktiv.“

Bei der stromlosen Nachbesprechung geht dann wieder die Fantasie mit ihnen durch: „Ich glaube, dass dieses Spiel auch perfekt für alle ist, die sonst nicht so viel mit Konsolenspielen am Hut haben. Selbst die Mutter eines Freundes von mir liebt es „, erzählt Matt. „Das ist was anderes, als auf dem Sofa zu sitzen und einen normalen Controller zu halten und zu bedienen. Ich glaube, das hier könnte völlig neue Leute für Games begeistern. Man müsste vielleicht nur die Musikauswahl noch ein bisschen verbreitern. “ Josh grinst: „ja, The Police ist schon okay. Aber wie wäre es mit einer Nerd variante nur mit dem hudesten Indiezeug? Oder Eric Claptonfür die Familienväter? Das wäre doch mal was.“ Er setzt seine Sonic-Youth-Mütze wieder auf. Die Band würde sich auch hervorragend für die Indienerd-Variante eignen, aber reicht es nicht vorerst, ein bisschen Grunge und Rockabilly unterzubringen, um alle zufriedenzustellen? Immerhin ist „Heart Shaped Box“ dabei. Und „Monkev Wrench“.

von Sonja Müller games