Visage


Auf dem Höhepunkt des Londoner Nachtlebens war Steve Strange das Aushängeschild. Nicht nur für seine Band Visage, nicht nur für die Edel-Disco „Camden Palace“, sondern für die versammelten Fashion-Freaks der Londoner Disco-Szene.

London 1984: Die Ciubs leben nur noch von der Vergangenheit und den großen Namen. In den letzten zwei Jahren machte Visage ausschließlich für Rechtsanwälte Profite. Inzwischen aber ist Visage nicht mehr nur Steve, Visage ist heute eine Band mit fünf Musikern, „… die nicht nur gut aussehen, sondern auch perfekt ihre Instrumente spielen können.“ So Steve Strange. Der Anlaß für unser Gespräch: die vierte LP BEAT BOYS. Ob Steve und sein Kollege Rusty Egan aus dem „Camden Palace“ freiwillig geflogen sind oder nicht, wissen nur die Beteiligten. Steve: “ Wir verließen den .Palace‘, weil wir Zeit brauchten, um uns wieder ganz auf Visage zu konzentrieren. Von den Besitzern des ,Palace‘ hörten wir immer nur Beschwerden, nie ein Danke. Da fiel uns der Entschluß natürlich leichter.“

BEAT BOYS hält eine Seite lang das alte Visage-Versprechen tanzbarer Clubmusik. Seite zwei ist härter, rockig, metallisch. Für alle neuen Songs sind die Maxi-Versionen fertig. Von den jeweils zwei oder drei Versionen soll nur eine in den Handel, die anderen gehen in die Clubs. Visage ist zwar eine Rockband geworden, aber unschlüssig, ob sie diesen Weg kompromißlos weitergehen soll.

Vor Jahren war vieles einfacher, Visage existierte praktisch nur in Clubs. „Rusty und ich wollten schon viel früher eine Live-Band bilden. Für (die früheren Mitglieder) Midge und Billy aber war Ultravox immer Nr. eins. Heute geht ohne sie vieles schneller. BEAT BOYS wird um Weihnachten erscheinen, danach eröffnen wir einen neuen Club. Ich halte Clubs für sehr wichtig, weil sie die Kids von der Straße holen, weg von dem Elend und der Langeweile, das England leider beherrscht.“

Ein schreiendes Make-up und modische Extravaganzen hatten in der Vergangenheit Visage beim Plattenverkauf geholfen, heute sagt Steve: Nur mit einem knalligen Image verkaufst du keine Platten mehr. Du mußt ein guter Musiker sein. Es geht mir auf die Nerven, wie EMI und Polydor beispielsweise heute Bands einkaufen: Wenn nach zwei Singles der Erfolg ausbleibt, werden sie vom Tisch gefegt. Die großen Plattenfirmen wollen nur gestylte Popbands: talentierte Musiker fallen so unten durch. Das ganze Platten-Busineß braucht einen Tritt in den Arsch.“

Steve ist älter geworden und sieht mit Make-up immer noch besser aus als ohne: „Ich habe vielen den Weg geebnet, Boy George etwa: aber es stört mich nicht, daß er mehr Erfolg hat. Die Zukunft wird zeigen, wer besser ist. „

Auch die Videos sind alle fertig, diesmal nicht von Godley & Creme. Ein einstündiges Video zeigt alle Stationen der letzten Jahre. Gedreht wurde in Kenia, Italien, Ägypten und in der Sahara. Englische Fans können das Werk bald im TV sehen; ob es in Deutschland klappt, wissen wohl nur die Bürokraten und Althippies, die von Beruf für Jugendliche denken.