Völlig von der Rolle?
Nur nett will er nicht mehr sein. Im neuen Film mimt Phil Collins den Miesling und quält sich vor der Tour bei Dreharbeiten in Australien.
Es gibt ein paar Vorurteile, die nicht auszurotten sind. Erstens: Phil Collins ist der Mr. Nice Guy der Musikindustrie. Zweitens: Rockmusiker sind per definitionem miese Knallchargen, wenn sie vor einer Kamera stehen. Drittens: Eine Modelleisenbahn für Kinder über 18 ungeeignet. Was das alles mit „Frauds“ zu tun hat, dem aktuellen Film von Phil Collins, den er zur Zeit in Australien dreht? Eine ganze Menge: „Ich hübe mich in ‚Buster‘ nicht nur selbst gespielt das war einfahrlässiger Irrtum der Kritiker. Ich bin es leid, immer bloß der neue Typ von nebenan zu sein. In ‚Frauds‘ spiele ich Roland Copping, einen diabolischen Versicherungsdetektiv, der die ganze Welt manipuliert. Ein echtes Arschloch!“ So, jetzt hat er es uns gegeben: Phil Collins versucht, richtig sauer auszusehen. Nett? Er doch nicht. Der „Slar“ sitzt in seinem Sonnenstühlchen in einem Kaff bei Sydney und hält Hof. Von einem Hollywood-Heroen unterscheidet ihn allerdings immer noch eine ganze Menge. Beispielsweise diese Plastikschüssel auf den Knien, in der Überreste einer Drehpausen-Mahlzeit kleben. Pampe kunterbunt, irgendwas zwischen Lasagne und Porridge. Kein Mensch von Verstand zwischen Beverly Hills und Malibu würde sowas auch nur anfassen. Doch Collins löffelt brav aus, was er sich eingebrockt hat: Um nach „Buster“ wieder mal eine Hauptrolle zu bekommen, akzeptierte der Brite einen zweimonatigen Arbeits-Aufenthalt in Sydney. Debut-Regisseur Stephen Elliott dreht hier „Frauds“ eine tiefschwarze Komödie mit surrealistischem Einschlag. „Das beste Script, das ich seit Jahren bekommen habe“, begründet Phil Collins seine ungewöhnliche Wahl. „Die meisten Rollenangebote sind langweilig, unseriös oder einfach dumm: Phil Collins, der Rockmusiker ist da gefragt, die populäre Person. Der Schauspieler erhält gar keine Chance.“ Vielleicht, weil es keinen Schauspieler gibt, sondern nur einen arnbitionierten Dilettanten mit zuviel freier Zeit? Doch Vorsicht. Man soll kleine Engländer mit goldenen Schallplatten im Regal nicht unterschätzen: Phil Collins war an der „Drama School“, hat in jungen Jahren in TV-Serien gespielt, sogar auf Theaterbühnen reüssiert. Er ist ein Schauspieler, wenn auch ohne viel Erfahrung. Der Australier Stephen Elliott, 28jähriger Regisseur mit der Vorliebe für filmische Gemeinheiten, ist begeistert von seinem englischen Star:
„Schauen Sie ihm doch mal in die Augen… Dieser Mann lebt am Rande eines Abgrunds, keinjoke. Ich sah ihn in Miami Vice’und habe sofort gemerkt: Der kann einen ganz düsteren Charakter spielen.“
Sollte ausgerechnet der verschmitzte Genesis-Sänger die große Ausnahme von der Regel sein, daß ein erfolgreicher Musiker ein fürchterlicher Schauspieler ist? „Das stimmt nicht“, behauptet Collins, „Cher ist auch gut!“ „Die macht aber miese Musik!“ sagt der Kritiker und das scheint für Phil Collins ein logisches Gegenargument zu sein. „Das stimmt! Okay, dann bin ich eben die große Ausnahme!“
Nach zwei Monaten Australien sehnt sich der brave Engländer jedoch nach Hause zurück und hat keine große Lust auf bevorstehende Genesis-Tour-Strapazen. „Bei mir wird gerade eine neue Küche eingebaut, und ich sitze hier und kann nichts dazu sagen.“ Außerdem würde er mal wieder gern ein Spiel seiner Mannschaft Tottenham Hotspurs besuchen und ganz auf Familie machen. Das Problem bei erfolgreichen Menschen wie Phil Collins ist, daß der Terminkalender solche Extravaganzen nicht zuläßt. Unter „Zukunftspläne“ steht da neben der Tournee mit Genesis ein weiteres Filmprojekt: In „Die drei Bären“ spielt er neben Danny de Vito und Bob Hoskins eine Hauptrolle in einem Märchenfilm. Die Idee dazu hatte Collins selbst, denn er war es leid, in England immer wieder als Bob Hoskins-Lookalike und in Amerika als britischer Danny De Vito veräppelt zu werden. „Ich dachte mir, die beste Antwort daraufist, mit beiden einen Film zu machen!“ Mittlerweile ist aus dieser Schnapsidee ein konkretes Projekt entstanden und so wird es noch eine Zeit dauern, bis Collins wieder in seinem englischen Häuschen sitzt und mit der Modelleisenbahn seines Sohnes spielt. „Das fehlt mir wirklich“, sagt er halb verschämt, halb belustigt, „mit dem Ding kann ich mich Wochen beschäftigen!“