Von Metal-Heads bis „Anti-Mainstreamer“: Eine Typologie der Rammstein-Fans
Wir waren vor Ort beim Berlin-Konzert und haben uns angeschaut, welche verschiedenen Arten von Rammstein-Fans es so gibt.
Knall! Peng! Puff! So lässt sich lautmalerisch am besten ein Rammstein-Konzert beschreiben. Sie sind bekannt dafür ihre Shows mit viel Pomp, Lichtspielerei und Feuerwerk buchstäblich abzufackeln. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass es trotz der aktuellen Vorwürfe gegen Sänger Till Lindemann und Keyboarder Flake etliche Menschen auf ihre Gigs zieht.
Aber was sind das überhaupt für Leute, die sich auf Rammstein-Shows für die martialischen Texte und brachialen Gitarrensounds begeistern? Wir haben uns beim dritten Berliner Konzert von Rammstein im Olympiastadion (18. Juli) auf anthropologische Mission begeben und für euch eine Typologie der Konzertbesucher:innen zusammengestellt.
Die „klassischen“ Rammstein-Fans
Fangen wir doch gleich mit dem Offensichtlichen an: den „klassischen“ Rammstein-Fans. Sie sind leicht an ihrer von oben bis unten schwarzen Kleidung zu erkennen, wobei das T-Shirt natürlich in irgendeiner Form etwas mit Rammstein zu tun haben muss. Entweder ist das bekannte „R-Kreuz-“-Logo oder die gruseligen Konterfeis der Bandmitglieder zu sehen, oder eine Textzeile prangt über Brust und Rücken. Sehr beliebt unter den Song-Zitaten: „Manche führen“ auf der Vorder- und „Manche folgen“ auf der Rückseite. Auch das ein oder andere Rammstein-Tattoo auf den Armen und/oder Beinen darf natürlich nicht fehlen. Die Männer eifern ihren Idolen nach und tragen als Frisur einen Scheitel mit kahl ausrasierten Seiten. Weibliche Fans färben sich gerne die Haare schwarz mit pinken Highlights, die Seiten auch mal im Lindemann’schen Stil rasiert. Interessanterweise ziehen es beide Geschlechter bei der Kleiderwahl vor, beinfrei zu gehen. Shorts oder Röcke sind die Beinbekleidung der Wahl. Die Altersgruppe bewegt sich hier von Ende 30 bis Ende 40.
Die Eltern aus der Mittelschicht
Eine erstaunliche Beobachtung auf einem Rammstein-Konzert: Einige Eltern kommen mit ihren sehr jungen Kindern. Stellt sich die Frage, wer hier wen mitgeschleppt hat? Oder kommen beide gerne? Wie dem auch sei, bei dieser Fan-Gruppe sticht vor allem heraus, dass die Eltern meistens mittleren Alters sind und eher weniger dem Bild des düsteren Industrial-Metals entsprechen. Sie tragen lieber neutrale oder helle Farben. Insgesamt wirken diese Fans wie die gewöhnliche Mittelschicht, die am Wochenende nach Brandenburg zum Campen rausfährt. Vielleicht ist ja das Rammstein-Konzert das eine Mal im Jahr, an dem man „über die Stränge schlägt“. Auch die Sprösslinge sind der Altersgruppe entsprechend gekleidet. Die Bereitschaft aber, mit dem Konzert am nächsten Tag auf dem Schulhof zu prahlen, ist ihnen anzusehen. Sehr verantwortungsbewusst statten die elterlichen Mittelschichtler ihren Nachwuchs natürlich mit Ohrenschützer aus und heben sie auf die Schultern, wenn die Bühnenkameras an ihnen vorbeifahren.
Die Metal-Heads
Wo auf lauten Gitarren geschrammelt wird, da dürfen natürlich die Metal-Heads nicht fehlen. Jede:r kennt sie, nicht jede:r liebt sie. Trotzdem gehören die – meist– sympathischen langhaarigen Bartträger (wenn der Haarwuchs denn beides zulässt) und mit tiefschwarzen Lidschatten ausgestatteten Metaler:innen einfach dazu. Stets gut gelaunt, mit einem Bier in der Hand, versprühen sie eine seltsame Aura der ironischen Grundhaltung um sich herum. Zu erkennen sind die Metal-Heads an den zahlreichen T-Shirts, die ihre Zugehörigkeit bezeugen. Vom Wacken-Festival über Slipknot und Slayer bis hin zu Metallica ist alles dabei, was die Genre-Fans ausmacht. In ihrer typischen Art, das Leben nicht so ganz ernst zu nehmen, moshen sie zu den Klängen und recken die typische „Devil’s-Horns“-Geste in die Lüfte. Das alles natürlich immer stets vergnügt.
Die „Das-wird-man-doch-wohl-noch-sagen-dürfen“-Rocker
Diese Spezies scheint sich seit dem gesteigerten Medieninteresse um die Band in einer „Jetzt-erst-recht“-Attitüde bei Rammstein-Konzerten zu versammeln. Ihre Erkennungsmerkmale sind Band-Shirts von Böhse Onkelz oder Freiwild, die zeigen sollen, dass sie sich erst mal gar nichts sagen lassen. Dafür haben sie umso mehr etwas zu sagen, am besten zu jedem Thema. Meist zu zweit oder zu dritt gruppiert, lässt sich das ein oder andere Mal ein Dialekt erkennen, der meistens im Osten der Bundesrepublik zu verorten ist (als Ostdeutscher erkennt dieser Autor sie sofort). Selbstverständlich möchte man dieser Gruppierung nicht vorwerfen, nur wegen der „Anti-Mainstream“-Haltung das Rammstein-Konzert zu besuchen. Die Musik sollte schon, wie bei den oben genannten Bands, laut und deutsch sein. Am liebsten bitte mit Texten, die nicht ganz eindeutig sind. Denn letztlich heißt es doch bei jedem Skandal um uneindeutige Textzeilen: „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“
Die gewöhnlichen Musik-Fans, die zum Abhaken da sind
Und dann gibt es noch die gewöhnlichen Musik-Fans, die eher unauffällig zum Konzert gekommen sind, um danach sagen zu können: „So, damit habe ich Rammstein auch mal gesehen“. Ein bisschen Pflichtprogramm eben. Zu erkennen sind diese Konzertgänger:innen an ihren doch Genre-fremden Shirts. Da ist mal eines von Mogwai zu entdecken oder auch eines von bauhaus. Am liebsten aber trägt diese Art unter den Rammstein-Zuschauer:innen ein einfaches schwarzes Shirt, wenn es hoch kommt noch eine schwarze Hose. Natürlich dürfen aber die blank polierten weißen Sneaker nicht fehlen. Aus der Masse der Fans stechen diese Konzertbesucher:innen nicht nur wegen ihres auffällig unauffälligen Aussehens heraus, sondern durch ihren Enthusiasmus, der sich durch stilles Beobachten während des Gewitters aus Musik und Knallereien ausdrückt. In dieser Gruppe erscheint auch das Altersgefälle am größten. Hier bewegen sich zwischen 30- bis 40-Jährigen auch Vertreter:innen der 50- bis 60-Jährigen. Eventuell wurden die ja nicht vollends abgeschreckt, als Rammstein das erste Mal in den 1990ern aus den Kinderzimmern ihres Nachwuchs dröhnte.