Kolumne

Was Raab mit dem Aufstieg der AfD & dem Merz-Comeback zu tun hat


Marode Infrastruktur, die Schwarze Null und wieder das Gegriene von Stefan Raab ... Tut das not?

Jetzt hätt’ ich hier losgelegt mit candid thoughts zur Oasis-Reunion – oder wollten Sie lieber über Luke Mockridge und die Integrationsfähigkeit von hirnamputier… pardon: cerebral herausgeforderten Parahumoristen reden? Mich treibt aber grad eine ganz andere Fragestellung um, Sie erlauben? Also: Der Kollaps der Carola-Brücke (Headline „Einstürzende Altbauten“ in der Berichterstattung: check; danke „SZ“) in Dresden hat ja eindrucksvoll gezeigt, welche recht handfesten Gefahren von staatlicher Sparpolitik ausgehen – abgesehen vom Leid, das sie verursacht und ihren gesellschaftszersetzenden Effekten (sehr erhellend hierzu die Folge des Podcasts „Wohlstand für alle“ über Austeritätspolitik und Rechtsruck, bei YouTube, Spotify etc.) … Huch! Ich schweife ab.

Tut es unter diesen Umständen wirklich not, dass jetzt auch noch Stefan Raab zurückkommt?

Jedenfalls: Das kommt eben raus, wenn man jahrzehntelang neoliberal aufgegeilt der „Schwarzen Null“ nachrennt, statt in die Instandhaltung von Zeugs zu investieren. Die Schrottigkeit tausender Brücken im Land ist eine reale Bedrohung für Leib und Leben von Menschen! Krass, gell? Und endlich die Frage: Tut es unter diesen Umständen wirklich not, dass jetzt auch noch Stefan Raab zurückkommt? Kreisch! Nein, sorry, ernsthaft, Frage: Wenn da in Dresden nun Leute gestorben wären, gäbe es dann auch so einen populistischen Apokalypse-Alarm von CDU und CSU wie nach den Toten von Solingen? Mit „nationaler Notlage“, Infrastrukturgipfel und ultimativen Forderungen an die Ampel, jetzt s-o-f-o-r-t die Schuldenbremse auszusetzen für Sanierungsprogramme, Sicherheitspakete etc.? (Ja: Müsste es einen solchen Alarm nicht auch ohne Opfer geben? Wenn es wirklich um die Sicherheit der Bevölkerung ginge und nicht um Angsthetze gegen Migranten?) Zack, zack, morgen sind die ersten Arbeiter im Einsatz, sonst gibt’s Verfassungsklage und/oder – oh Graus – Friedrich Merz hält eine weitere aufwühlende Rede!

Tja. Es ist schon bezeichnend, dass so ein narzisstischer Klemmi ohne jede Selbstironie und Empathie, der sich irgendwo weit weg auf seinen Zigmillionen ausruhen könnte, uns stattdessen aus reiner Geltungssucht mit einem Comeback belasten muss … – Also, nicht verwechseln: Ich bin jetzt nicht mehr bei Merz, sondern bei Stefan Raab, dessen auf Schadenfreude, Häme und Diskriminierung basierendes Wirken der Brutalisierung des Humors, der Verrohung des Fühlens und dem, was Wolfgang M. Schmitt (in anderem Zusammenhang) „die Pop-Variante der Faschisierung der Gesellschaft“ nennt, über viele Jahre derart beförderte, dass es – steile These! – dem Aufstieg der AfD ebenso mit den Boden bereitet hat wie dem Merz-Comeback, dessen Erfolg jetzt wiederum das Raab’sche stimmig erscheinen lässt. Aber ach … Apropos Oasis-Reunion: Jetzt fehlen tatsächlich nur noch The Smiths. Aber das wird wohl wirklich nix mehr. Erstens ist Andy Rourke seit anderthalb Jahren tot, zweitens ist davon auszugehen, dass Johnny Marr und Mike Joyce trotzdem lieber mit ihm auf Tour gehen würden als mit Morrissey. D’oh!

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 11/2024.