Was soll die ganze Abwechslung?


Mogwai sind gar nicht soo besonders, ihre Songs keine "Sätze" und deren Titel nicht mehr als eine Archivierungshilfe - hohe Konzen tration fordern sie allerdings auf beiden Seiten ein.

Das mit der Musik geht eigentlich ganz einfach: Jemand nimmt sich ein Gerät, zupft daran, klopft es oder drückt darauf herum. Dadurch verändert sich der Luftdruck, fcringt im Ohr das Trommelfell in Schwingung, löst eine Kettenreaktion aus, an der kleine Knochen, Muskeln, Membranen und Lymphflüssigkeit beteiligt sind, wird von Nervenzellen ins Gehirn weitergleitet. Und dann wird es heikel. „Wir haben neulich eine E-Mail von einem Typen gekriegt, der fragte, ob wir Christen sind“, erzählt Stuart Braithwaite. Weil: „Immer wenn er einen Song von uns hört, habe er eine Vision: Jesus Christus auf einem weißen Pferd, der mit einem Schwert Dämonen abschlachtet. Unsere Musik bedeutet diesem Menschen offenbar sehr viel, aber er hateine ganz andere Sicht auf unsere Songs als wir, denn keiner von uns ist religiös. Ich hoffe, der Typ ist nicht verrückt und kommt demnächst mit einem Schwert zu einem unserer Konzerte…“

Stuart lacht, und dann seufzt er ein bißchen. Das mit den Fans ist manchmal doch eher schwierig. Aber daran haben sich Mogwai im Lauf der Zeit gewöhnt. Seit zehn Jahren machen die fünf Typen aus Glasgow düstere, minimalistische, sich langsam entfaltende, soghafte Rockstücke, die die Sinnsuche ihrer Hörer schon immer durch ihre Widersprüchlichkeit herausgefordert hat. Aufder einen Seite: rätselhafte Titel wie „Like Herod“, „Dial: Revenge“ oder „Oh! How The Dogs Stack Up!“. Auf der anderen: die fast völlige Abwesenheit von Gesang und damit Lyrics, die die von den Titeln ausgelösten Interpretationen in geregelte Bahnen lenken könnten. Kein Wunder, daß mancher auf eigene Faust nach tieferer Bedeutung gräbt. Irgend etwas findet sich da schon …

Mogwai begegnen all dem mit unprätentiöser Sachlichkeit. Schließlich gibt es auf alles eine ganz einfache, pragmatische Antwort. Das mit dem bzw. eben ohne den Gesang zum Beispiel. „Als wir anfingen, hatten wir ungefähr dieselbe Menge an Songs mit und ohne Gesang. Wir haben früh festgestellt, daß die ohne Gesang einfach besser waren. Dann haben wir eben so weitergemacht“, erklärt Schlagzeuger Martin Bulloch. Stuart weiß noch einen Grund: „Wir hatten das Gefühl, daß wir eigentlich wenig zu sagen hatten. Nicht, daß jede Band, die einen Sänger hat, auch eine gewichtige Message haben müßte. Aber es gab damals so viele Bands – nimm zum Beispiel Britpop-Bands wie Shed Seven oder Cast-, die sangen nur, um den Mund aufzumachen. Das ist Zeitverschwendung.“

Glaubt man früheren Interviews, ist es auch reine Zeitverschwendung, sich mit euren Songtiteln zu beschäftigen …

STUART: Es ist ungefähr so, als würdest du ein Eier-Sandwich essen, und dir dann vorzustellen versuchen, wie das Huhn ausgesehen hat. Die Titel entstehen oft Monate, nachdem wir die Songs geschrieben haben, und dann auch eher zufällig, aus einer Schlagzeile oder so.

Wozu dann überhaupt Titel?

Um uns das Leben leichter zu machen. Wir hätten natürlich auch einfach alles durchnumerieren können. Aber das ist jetzt unser fünftes Album, da wären wir schätzungsweise bei Song Nr. 68 oder Song Nr. 73. Das kann sich doch keiner merken. Wieso sprecht ihr überhaupt noch von „Songs“? Meistens singt ja keiner.

Wir könnten sie natürlich auch, sagen wir, „Stücke“ nennen oder „Sätze“. Aber das wäre ziemlich prätentiös. Wir sind eine Rockband, und eine Rockband macht Songs.

Punkt. Oder? Als Mogwai Mitte der Neunziger auf der Bildfläche erschienen, geisterte schon seit geraumer Zeit das Schlagwort „Post-Rock“ durch den musikjournalistischen Blätterwald, geprägt vom „Wire“-Kritiker Simon Reynolds, um einen gemeinsamen Nenner für Bands zu finden, die, als Prog- und Kraut-Nachfolger, mit den instrumentalen Mitteln von Rock etwas anstellten, was mit der gängigen Vorstellung von „Rock“ nicht mehr viel zu tun zu hatte. Anfangs für Bands wie Stereolab, Bark Psychosis und Disco Inferno verwendet, wurde es bald zu einem „umbrella term“, unter dem sich von der Chicagoer Szene um Tortoise bis zum Weilheimer Notwist-Umfeld eine Vielzahl verschiedenster Bands drängelten, die nicht zuletzt eins gemeinsam haben: daß sie den Begriff „Post-Rock“ nichtssagend finden. „Ich bin echt froh, daß man das jetzt nicht mehr so oft hört“, sagt Stuart. „Natürlich hilft es auch, als Teil so einer Strömung gesehen zu werden. Aber wenn das dazu führt, daß keiner mehr deine Platte kauft, sondern irgendeine andere Post-Rock-Platte, wird es zum Problem.“ Musikalisch erhellender scheinen bei Mogwai ohnehin Vergleiche über den Pop-Tellerrand hinaus.

Hörst du gern Klassik?

STUART: Oh ja, sehr gerne, wenn auch in letzter Zeit nicht mehr so viel. Ich mag die Musik von Mahler, Schönberg, Erik Satie, Arvo Part und Steve Reich.

Das ist interessant, denn die letzten drei Komponisten arbeiten stark mit Wiederholungen.

Stimmt, und wenn du mich fragst, was das Wichtigste an unserer Musik ist, würde ich genau das sagen: „Wiederholung“. Wenn ich bestimmte Math-Rock-Sachen höre, frage ich mich immer, was zum Teufel eigentlich diese ganze Abwechslung soll.

Ganz ohne Abwechslung geht es dann aber doch nicht. Die berühmte „Quiet/Loud“-Formel zum Beispiel, oft als Trade Mark von Mogwai gehandelt, hat nicht erst beim neuen Album Mr. Beast weitgehend ausgedient. Stuart: „Ich weiß gar nicht, warum die Leute darin unser Markenzeichen sehen. In so vielen Songs taucht es gar nicht auf. Irgendwann merkten wir, wie sehr es als Klischee an uns klebte. Dann fingen wir an, nur noch sehr ruhige, minimalistische Songs zu machen. Aber eigentlich war das nicht das, was wir wollten. Wir wollten einfach gern wieder laut spielen.“ MR. BEAST geht denn auch, mit seinen minimalistischen Klavier-Motiven wie mit meterdicken Noise-Gitarrenwänden, einen Schritt zurück zu den Wurzeln einer Platte wie dem 1997er Album young team, mit dem Mogwai zum ersten Mal Aufmerksamkeit erlangen konnten. Am Ende sind sie eben doch nur eine Rockband. Doch dann kommt wieder ein: oder?

Du hast mal gesagt, daß du dir euer Publikum „still und aufmerksam “ wünschst. Klingt nach einem Abend in der Philharmonie.

STUART: Ja, ich weiß. Aber das hat nichts damit zu tun, daß wir denken: „Oh, wir sind sooo etwas Besonderes, wie könnt ihr es wagen, zu reden?!“ Ich kann mich einfach schlecht konzentrieren, wenn die Leute sich gleichzeitig über das Fernsehprogramm unterhalten.

Meint ihr, Motörhead hatten was dagegen, wenn man auf ihren Konzerten redet?

marti N: Hast du mal versucht, dich auf einem Motörhead-Konzert zu unterhalten? Wie soll das gehen? It’s fucking loud, mate!

www.mogwai.co.uk