Weil Soul Asylum seit „Runaway Train“ auf Balladen abonniert sind, mußten sie das neue Album nachbessern.
Manchmal läuft wirklich alles schief. Dave Pirner, Soul Asylums dreadlockiger Mädchenschwarm, kann nicht nur ein Lied davon singen, sondern gleich elf. So viele Songs finden sich auf seinem aktuellen Album „Candy From A Stranger“. Eine Platte, die ihn aus der musikalischen Talsohle bugsieren soll. Zu diesem Zweck hat man den Balladenanteil auf über 50 Prozent gesteigert.
Pirners Band Soul Asylum, die einstigen Indie-Rocker aus Minneapolis, leiden unter einem Fluch, den sie sich mit ihrem ’93er-Hit „Runaway Train selbst auferlegt haben: Das Publikum erwartet von ihnen die hohe Kunst des Schnulzenschreibens. Etwas anderes scheint ihnen da kaum übrigzubleiben. Denn seit dem Flop ihres letzten Albums („Let Your Dim Light Shine“) ist Pirner nicht nur die Freundin, Hollywood-Darling Winona Ryder, sondern auch noch Drummer Sterling Campbell davongelaufen.
Zu unausgegoren, zu überhastet, zu grobschlächtig, lauteten die Meinungen zu „Dim Light Shine“. Das von Butch Vig und Andy Wallace betreute Album setzte auf kantige Alternative-Rocker statt auf balladeske Weichspüler und stieß prompt aufweitreichendes Desinteresse. „Die Leute entscheiden auf ihre eigene, unmusikalische Art und Weise, was sie für cool oder uncool halten“, sinniert Pirner rückblickend, „damit müssen wir leben. Trotzdem: Wir wissen, wo wir stehen. Keiner von uns hält sich für einen Supermann. Insofern haben wir auch keine Egoprobleme.“ Nein, Egoprobleme kennen Soul Asylum nicht. Dafür aber ein paar andere. So unzufrieden war ihre Plattenfirma mit den vor einiger Zeit für das neue Album abgelieferten Songs, daß sie die Band prompt erneut ins Studioschickte. Diesmal unter Anleitung des renommierten Produzententeams Chris Kimsey/Bob Clearmountain.“Es ist schon ko-misch,wenndirso etwas nach 14 Jahren in diesem Geschäft passiert. Aber was soll ich sagen? Das ist nun mal eine legitime Entscheidung – auch wenn ich sie nicht befürworte.“ Pirner weiß nur zu gut, daß er Erfolge vorweisen muß. Und der Weg dorthin führt, wohl oder übel, über Balladen. Und so scheint es, als ob Pirner, der unlängst den Soundtrack zu Kevin Smiths „Chasing Amy“ einspielte, gute Miene zu bösem Spiel macht. Auf der anderen Seite: „Candy From A Stranger“
könnte für Soul Asylum tatsächlich zum Zuckerstückchen werden in einer Zeit, in der man sich nicht eben reißt um Pirner und seine Band. Also lassen Soul Asylum nichts unversucht, um ihre neuen Songs zum Erfolg zu führen. So heißt es in dem Lied „Creatures Of Habit“: „Make your enemies your friends“- mach deine Feinde zu deinen Freunden. Soul Asylum versuchen selbiges auf jede nur erdenkliche Art und Weise – durch Konzerte im Internet beispielsweise, durch Autogrammstunden und natürlich auch durch eine Vielzahl von Presseterminen. Das Schlimme an Gesprächen mit Journalisten: Viele Reporter sind an der Musik von Soul Asylum gar nicht so sehr interessiert. Statt dessen fragen sie Dave Pirner nach Frau Ryder (Standardantwort Pirner: „Winona und ich sind Freunde“) oder nach Soul Asylums unfreiwilligem Beitrag zum heißen Homevideo des Ehepaars Anderson-Lee. Darin erklingt an einer Stelle Pirners „Misery“. Nun möchte Dave erreichen, daß der Song aus dem Video entfernt wird: „Ich habe keine Lust, den musikalischen Hintergrund für derartige Ferkeleien zu liefern.“