„Wellensalat aus dem Weltempfänger“: So dachten wir vor 20 Jahren über „THE DIVISION BELL“ von Pink Floyd
Aus dem Archiv gekramt: Lest hier unsere Rezension von Pink Floyds letztem Album THE DIVISION BELL.
Im Zuge der Euphorie um die neue Platte THE ENDLESS RIVER von Pink Floyd fragen sich auch viele: Ist die Luft inzwischen raus? Nick Mason und David Gilmour sind die Überbleibsel einer der größten Rockbands unserer Geschichte und selbst inzwischen 70 und 68 Jahre alt. Bevor im Oktober 2014 daher das neue Werk erscheint, wollen wir uns in den kommenden Wochen noch einmal eingehend mit der Band beschäftigen. Lest hier unsere damalige Rezension zum letzten Album THE DIVISION BELL von 1994, das zur Veröffentlichung von uns vier Sterne kassierte.
Wellensalat aus dem Weltempfänger. Ein Zischen, als ob ein Flieger durchs Wohnzimmer düst. Ganz longsam schält sich ein Piano aus der Geräuschkulisse heraus. Dann diese Gitarre. Ein Ton, wie ihn nur David Gilmour trifft: scharf wie ein Fleischermesser und doch sauber und artikuliert. Klänge, die bei großen Pink-Floyd-Songs das berühmte Tüpfelchen auf dem „I“ waren.
Fast sieben Jahre nach ihrem letzten Album (A MOMENTARY LAPSE OF REASON) melden sich die Giganten selbstbewußt zurück. David Gilmour: „Wir müssen den Leuten nicht mehr allzu viel beweisen.“ Stimmt. Und so hat DIVISION BELL auch viel von jener malerischen Schönheit, die den Erfolg von Floyds 76er Klassiker WISH YOU WERE HERE ausmachte – ohne allerdings dabei solch große Songs wie den Titeltrack oder „Shine On You Crazy Diamond“ abzuwerfen. Eine Tatsache, die jedoch nicht allzu schwer ins Gewicht fällt. Denn auch ohne herausragende Einzelleistungen ist Floyds Neue eine Platte, wie sie nicht alle Tage erscheint.
Besonders gut ist DIVISION BELL immer dann, wenn stille, introspektive Textzeilen von zarten Akustik-Gitarren umhüllt oder lärmende Noise-Passagen elegant mit zwingenden Melodien verflochten werden. Klänge, die Pink Floyd auch heute noch weit über das Gros ihrer Epigonen hinausheben. Höhepunkt des neuen Albums aber ist die siebenminütige Nummer „Poles Apart“ – ein aufregendes Wechselspiel zwischen Hammond Orgel, Akkordeon, Gitarre und Streichern, das den Zuhörer auf einen Jahrmarkt der Töne entführt.
Dennoch: den Verlust von Bassist und Autor Roger Waters (er schrieb Klassiker wie „Money“), der sich 1986 von Pink Floyd trennte, hat das übriggebliebene Trio bis heute nichtganz verkraftet. In Songs wie „Keep Talking“ oder „High Hopes“ fehlen jene überraschenden Wendungen, die man in vergangenen Floyd-Tagen so zu schätzen wußte. Auch eine Edelschnulze wie „Coming Back To Life“, die auf einer Synthie-Wolke daherkommt und in ein eher statisches Stück Rockmusik übergeht, trägt nicht gerade eben zu uneingeschränkter Begeisterung beim Hörer bei.
Nicht immer also glückt Gitarrist David Gilmour, bei Pink Floyd inzwischen hauptverantwortlich für die Musik und die Texte, der Brückenschlag zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Überwiegend aber können er und seine beiden Kompagnons Nick Mason (Schlagzeug) und Rick Wright (Keyboard) 1994 überzeugen – mit Musik, die auch heute noch nicht von gestern ist.