Whiskey für die Versuchskaninchen
Bei „Roche & Böhmermann“ wird der Talkshow-Tisch zum Labor und das Fernsehen endlich wieder zu etwas, woran man sich reiben kann.
Am 4. März 2012 geht in einer Nische des angehenden Nischenmediums Fernsehen – auf ZDF Kultur“ – die angebliche Talkshow „Roche & Böhmermann“ auf Sendung. Allein ihre Inszenierung im Stanley-Kubrick-Setting ist zum Zungeschnalzen: „Erfolgsskandalautorin“/Ex-Indie-Darling Charlotte Roche und das gerissene Moderationstalent Jan Böhmermann sitzen mit ihren bunten, noch nicht zu abgenutzten Gästen aus Politik, Unterhaltung und anderen Öffentlichkeitsstellungen unterm Neonlichtring vor Aschenbechern, Whiskey-Karaffe und Design-Aufstellmikrofonen und experimentieren mit dem Format Talkshow. Das heißt: Roche, Böhmermann und ihre Produzenten experimentieren. Sie versuchen, Medienmechanismen zu entblößen und aufzubrechen und die Erwartungshaltung der Zuschauer wie ihrer Gesprächspartner, die sich der Laborsituation oft nur unzureichend bewusst werden, zu erschüttern. Die „Zeit“ stellt schließlich fest, diese Talkshow sei gar keine, sondern „beste Talkshowkritik“. Was „Roche & Böhmermann“ leistet, hätte man fast nicht mehr für möglich gehalten: Menschen diesseits der 30 diskutieren montags über den Inhalt einer Fernsehsendung vom Vorabend. Die wird allerdings immer schon ab Samstag im Internet gezeigt. Schließlich leben wir im 21. Jahrhundert.