Whitesnake – London, Wembley Arena
In diesem Tour-Paket saß der Wurm.
I Besser gesagt: der Virus. Mußte Herr Coverdale noch die Deutschland-Tour wegen eines „Erregers im Darmtrakt“ abblasen, leidet die McAuley/Schenker Group bei dem dreitägigen Londoner Gastspiel an mehreren Varianten des grippalen Infektes gleichzeitig. Nun gab es zwar Zweifel an der Echtheit des Coverdaleschen Durchfall-Attestes – manche, in monetären Angelegenheiten erfahrenere Menschen tippen eher auf den Durchhänger des US-Dollars als wirklichen Grund der Absage – doch der Schnupfen der Herren McAuley/ Schenker war kaum zu übersehen. Wie wir aber alle wissen, sind Metaller g’standene Burschen, die sich von einem lächerlichen Grippe-Virus nicht den Schneid abkaufen lassen. Schließlich galt es, die vielbeachtete London-Premiere in der neuen Besetzung gut zu überstehen. Und so zeigten MSG auf den wenigen, vom Headliner gewährten Quadratmetern dann 50 Minuten lang, wie Hard Rock sein soll: saftiges Schlagzeug, pumpernder Baß, darüber die beiden Gitarren, die mit schwerem Harlev-Davidson-Geknatter der lauschenden Menge den Mittelscheitel zogen.
Interessant das Spiel zwischen Mitch Perry. (dem frisch engagierten Geschwindigkeitsfanatiker und Jung-Gitarrero aus Florida) und Maestro Michael, der aufs Neue klarstellte, wer die melodisch wohlklingendsten Soli dieses Genres aus den Fingern zu zwirbeln vermag. Sänger Robin McAuley kämpfte zwar die erste halbe Stunde mit seiner Nervosität, zeigte sich aber spätestens nach dem MSG-Instrumental- Klassiker „Into The Arena“ vollfit. Das Programm umfaßte hauptsächlich das letzte Album PERFECT TIMING, wobei die Songs „Time“ und „Gimme Your Love“ die beste Resonanz fanden.
Dann Whitesnake. Coverdale und seine Söldner entsteigen dem dichten Bühnennebel und lassen fortan keinen Hit aus. „Slide It In“, „Crying In The Rain“ und „Ain’t No Love“, die US-Dance-Mix-gebügelten „Here I Go again“ und „Is This Love“, das von Led Zeppelin abgekupferte „Still Of The Night“ – der volle Kundenservice ist garantiert. In endlos langen Solo-Spots dürfen die Gitarristen (Adrian Vandenberg. Vivian Campbell) um die Wette Dreiklänge zerlegen und der Trommler sein Gerät mit den bloßen Fäusten prügeln.
Vorne nimmt Coverdale die Ovationen entgegen, zelebriert den inneren Reichsparteitag, als die Hände auf seinen Befehl hin auch noch auf dem letzten WembleySessel in die Höhe gerissen werden.
Der Parade-Pfau mit der wallenden, dunkelblond gefärbten Mähne, jogginggestählt und gesünder denn je. ist zwar in stimmlicher Hochform, doch so sehr er sich auch bemüht (beispielsweise mit möglichst häufiger Verwendung der Vokabel Juck“), an die proletarische Herkunft zu erinnern: Es gelingt ihm nicht, die businesshafte Aalglätte der nach Stadion-Rock’n’Roll riechenden Show abzustreifen. Ein tüchtig tanzendes, technisch hervorragend funktionierendes Nummernpferd ohne einen Funken Gespür ist er geworden: David Coverdale – die Ute Lemper des Heavy Metal.
MSG/Whitesnake: Zwei verschiedene Welten trafen da aufeinander. Zuerst Hard Rock Marke „ursprünglich“, mit Menschen auf der Bühne, die eine richtige, zusammenspielende Band bilden – dann Whitesnake. fünf übercoole Egomaniacs mit einem Hyper-Ego als Sturmspitze, die gnadenlos perfekte Technik demonstrierten.
Jedem das Seine.
(MSG kommen nun als Vorprogramm von Def Leppard im März nach Deutschland.)