Wiedergeburt


Ihre Karriere glich bislang einer Achterbahnfahrt. Den Hits folgte der Absturz. Jetzt aber nehmen Ash die nächste Steigung ins Visier.

Missmutig hocken die Dame und die Herren in einem Dubliner Hotel. Eigentlich hat das Quartett nordirischer Abstammung keine Lust, sein neues Album zu promoten. Trotzdem erbarmt sich Sänger Tim Wheeler (23), das Gespräch zu eröffnen. Ja, er habe für „Free All Angels“ 30 Nummern geschrieben:“Die sprudelten einfach aus mir raus. Ganz natürlich.“

13 der 30 Songs wurden für die neue Scheibe auserkoren, den Rest will Tim „irgendwann mal für B-Seiten verwursten“. Dass dieses Schicksal den Song „Shining Light“ ereilen würde, schien von Anfang an undenkbar. Jetzt ging das gute Stück als erste Single-Auskopplung sogar in die britischen Top Ten. Damit hatte Wheeler alleridngs nicht gerechnet: „Der riesige Erfolg dieses Stücks hat uns überrumpelt.“ Schließlich hatten Ash seit „A Life Less Ordinary“, dem Titelsong zu Danny Boyles Film „Lebe lieber ungewöhnlich“ (1997), keine hohe Chartplazierung mehr vorzuweisen. Eine kleine Ewigkeit.

Vier Jahre Durststrecke wie war das möglich? „Tja, mit unserem 98er Album ‚Nu-Clear Sounds‘ waren wir wohl ein wenig vom Weg abgedriftet“, gesteht Wheeler. Das neue Ash-Album dürfte die Fans wieder versöhnen, ist es doch wesentlich melodischer ausgefallen als sein Vorgänger. Mit „Girl From Mars“ vom Debütalbum „Trailer“ hatten sich Ash Mitte der 90er lahre auf Anhieb in die Hitparade gespielt. Das Nachfolgewerk “ 1977″ ging 1996 sogar auf Platz eins. Nun waren Tim Wheeler, Mark Hamilton und Rick McMurray also Stars. Teenager, die mit ihrem Ruhm nicht umgehen konnten. Sie dröhnten sich mit Alkohol und Drogen zu, Hamilton erlitt mit 17 seinen ersten Nervenzusammenbruch: „Ich hab‘ wohl ab und zu einen über den Durst getrunken.“ Wheeler eilt ihm zu Hilfe: „Wir haben mittlerweile kapiert, dass Drogen das Leben nicht besser machen. Du kannst mit dem Zeug deine Probleme nicht lösen.“

Eine weibliche Hand ist in diesem Falle hilfreicher. Sogar bei musikalischen Fragen: Als Charlotte Hatherley 1997 zu Ash stieß, zeigte die 21-Jährige den Jungs erst mal, wo die Gitarre hängt. Dass sie privat auf Britney Spears steht, hätte wohl niemand erwartet. Und doch outet sich Hatherley als Fan: „Zu Britneys Stücken kannst du super in der Disco tanzen.“ Ansonsten können sich Ash allerdings nicht für Teeniebands begeistern. „Es gibt viel zu viele Boygroups“, klagt Wheeler.

Größer wollen Ash werden, noch viel berühmter als bisher. „Unser Album soll europaweit auf Platz eins gehen“, wünscht sich McMurray, doch Kollege Wheeler möchte sich selbst damit nicht zufrieden geben: „Wir würden mit unserer Musik gern die Welt dominieren“, sagt er augenzwinkernd. Mark Hamilton träumt währenddessen von einer Südamerika-Tournee: „Für mich wären Konzerte in Brasilien das Größte.“ Und Hatherley? Die hält sich dezent im Hintergrund. Hat offenbar keine Rosinen im Kopf, die Dame. Nur eines weiß sie genau: „Ich will nie wieder modeln.“ Dass sie gemeinsam mit Wheeler für eine Calvin-Klein-Kampagne vor der Kamera stand, war also ein einmaliger Ausrutscher. Wheeler fand diesen Job allerdings gar nicht mal so übel: „Wir haben sogar einige Klamotten geschenkt bekommen.“ Ash im Designer-Outfit, das dürfte den Fans jedoch missfallen. „Mach‘ mal ’nen Punkt“, beschwichtigt der Sänger. „Wir tragen diese Sachen schließlich nicht täglich.“

Im täglichen Leben beschäftigen ihn ohnehin völlig andere Dinge als das richtige Outfit. Zum Beispiel die politische Situation in seiner Heimat. Warum der Glaubenszwist zwischen irischen Katholiken und britisch orientierten Protestanten nach wie vor existiert, ist den Ash-Mitgliedern ein Rätsel. „Obwohl wir alle Protestanten sind, haben wir nichts gegen Katholiken“, versichert Tim Wheeler. Im Gegenteil. Die Freundinnen der Jungs sind allesamt Katholikinnen: „Durch sie sind wir viel offener geworden.“ Heute hätte keiner mehr Lust, auf eine reine Protestanten-Schule zu gehen. „Dass wir im Unterricht nach unterschiedlichen Glaubensrichtungen getrennt wurden, war absoluter Mist“, wettert McMurray: „Dadurch schürst du Intoleranz und Hass.“ Trotzdem käme es Ash niemals in den Sinn, politische Songs gegen die Missstände in ihrer Heimat zu schreiben. „Die Cranberries schreckten uns ab“, witzelt der Schlagzeuger. „Mit ‚Zombie‘ haben sie bewiesen, dass sie wirklich überhaupt nichts kapiert haben.“ Genau, Wheeler nickt: „Selbst bei U2 ist das in die Hose gegangen. ‚Peace On Earth‘ ist einfach nur peinlich.“ Darum halten sich Ash lieber an Themen wie Liebe und Sex. Dann wissen sie wenigstens, worüber sie singen…