Wiedergeburt der Welt! Space Funk! Die Alben der Woche: 24. – 30. September
Mit Flying Lotus, Muse, Aimee Mann und Beak.
Album der Woche: Flying Lotus – Until The Quiet Comes
Die Wiedergeburt der Welt, die Steven Ellison 2010 mit seinem dritten Album Cosmogramma abbilden wollte, sie ist abgeschlossen. Der musikalische Resetknopf, er ist gedrückt. Für den Zuhörer war es nicht unbedingt leicht, sich mit dem Album auseinanderzusetzen. Mit seinem „kosmischem Drama“, hat sich Flying Lotus noch weiter von den eher klassischen instrumentalen HipHop-Beats entfernt, für die er Mitte der 00er-Jahre erstmals angemessen Aufmerksamkeit erhielt. Das war futuristischer Space-Funk, mit Beats, die ständig damit beschäftigt waren, über ihre eigenen krummen Beine zu stolpern. Kein easy listening, aber eine gewaltige, lohnenswerte Angelegenheit. Die äußerst hektische EP Pattern+Grid World, die ebenfalls 2010 veröffentlicht wurde, ließ nichts von der Ausrichtung von Until The Quiet Comes ahnen. Das vierte Album des Mannes, der die neue Produzenten-Riege in Los Angeles anführt, ist ruhiger, geprägt von vorsichtiger Aufbruchsstimmung, viel Ungewissheit und äußerst verträumt. In der Vorstellung von Flying Lotus geht es jetzt darum, seine neue Welt aufzubauen, sich von dem Stress vergangener Tage zu befreien und in die Zukunft zu blicken. Das zweiminütige Intro ist keine fiepende Beat-Salve, sondern klingt angenehm wie ein vertonter Sonnenaufgang. Jetzt, da die Welt des Flying Lotus gerade dabei ist, neu zu entstehen, ist vielleicht auch mal wieder etwas Raum für Selbstreferenzen.
Christopher Hunold
Beak>/DD/MM/YY – Split EP
Bug, Steve – Noir
Cale, John – Shifty Adventures In Nookie Wood
Dieses Album ist eine Beschwerde. Jedes der zwölf Stücke wendet sich gegen sich selbst und seinen Schöpfer. Wenn du einen Platz suchst zum Verschwinden, singt John Cale, geh runter in den „Nookie Wood“. Was soll das sein, ein Fickwald? „I Wanna Talk 2 U“ entstand während eines kurzen Besuchs von Danger Mouse, eine mürrische Erinnerung an Protopunk und Funk aus Detroit. „Mothra“ mault über die Popmusik von heute, Breakbeats werden programmiert, gesungen wird mit Autotune. „Maybe I was jealous, maybe I was a fool“, wägt die entstellte Stimme ab. Aber Cale tut auch, was man von ihm als Pop-Avantgardist erwartet: Er trommelt mit den Fäusten aufs Klavier, lässt Bässe am Computer rückwärts laufen und streicht die Elektrobratsche.
Michael Pilz
fun. – Aim And Ignite Fueled By Ramen
Kasabian – Live!
La Hengst, Bernadette – Intergrier mich, Baby!
Mann, Aimee – Charmer
Schroeder, Andrea – Blackbird
Am Anfang ist nur diese Stimme, verhangen, rauchig, traumverloren: „When the red and golden colors shine into my mind“, eine Akustikgitarre setzt ein, die Stimme führt uns weiter, nimmt uns gleichsam an der Hand: „The sky is burning and hell is going on.“ Und spätestens jetzt, wenn die Streicher erklingen und Andrea Schroeder „I will paint it blue again“ deklamiert, wieder und immer wieder, ist es um einen geschehen. Blackbird, das Debütalbum der Wahl-Berlinerin, ist eine Herzensangelegenheit – für die Sängerin selbst natürlich, aber nicht minder für die, die sich Hals über Kopf in diese leisen, feinst ziselierten, nachtschwarzen, tiefromantischen, ganz und gar hinreißenden Songs verlieben werden.
Peter Felkel
Schneider TM – Construction Sounds
Spencer Blues Explosion, Jon – Meat + Bone
Acht Jahre mögen eine lange Pause sein im Popgeschäft. Aber in dem Geschäft sind Jon Spencer und seine Blues Explosion ja nicht. Der Blues besitzt eine sehr viel längere Halbwertszeit, und Meat And Bone orientiert sich eher an Eckpunkten der Musikgeschichte, die nicht erst seit eben vorbei sind. Im Gegensatz zu Jack White, der während der Spencer’schen Funkstille dessen Rolle als Sachwalter uramerikanischer Wurzelmusiken übernommen hat, verweigert Spencer weiterhin die Hittauglichkeit. Nein, die Songs seines Trios kann man nicht mitsingen, dafür heißen sie wie schlechte Horrorfilme („Bag Of Bones“, „Ice Cream Killer“, „Black Thoughts“). Dem Genre angemessen grölt, blubbert und zetert Spencer wie ein mies gelaunter Säufer, während er seine Gitarre malträtiert, als wäre sie schuld am ganzen Elend. Das darf dann, dazu ist es schließlich Bluesrock, auch mal etwas stumpfer sein wie in „Get Your Pants Off“, das klingt wie MC5 im Jahr 1967.
Thomas Winkler
Tenor & Kabukabu, Jimi – Mystery Of Aether