Wigald Boning
So und nicht anders muss einer wie er auftreten: Ein Meter achtundsechzig klein und das Kassengestell aus den 70ern auf der Nase. Ein Komiker wider Willen.
Boning hat bei RTL Narrenfreiheit. Seit er zusammen mit fünf Comedians die ‚Samstag Nacht‘ vom Jodelsex befreit und wieder nach oben gequotet hat (1,5 Millionen Zuschauer pro Sendung), gilt der kleine Wigald aus Wildeshausen als großer Komiker: ein „herausragender Humorschaffender“ (Die Zeit), der mit bierernster Miene scharf kalkulierten Unsinn unters Volk streut. Dabei überläßt er wenig dem Zufall. „Bei der Produktion“, erklärt er im Büro der ‚Magic Medea Studios‘, „ist nicht viel Platz für Improvisationen“. Die meisten Szenen denkt er sich mit seinem Kollegen Olli Dittrich aus. „Manchmal grübeln wir Donnerstagsabends und haben keine Idee, dann setzen wir uns eben freitags noch mal hin und geben keine Interviews.“
Wigald Boning ist die White Trash-Ikone im Nostalgiegewand: Ein Auslaufmodell oder ein Eulenspiegel der Desinformationsgesellschaft Komisch, daß Boning gar nicht so komisch ist. Kein Spaßvogel, der aus dem Stegreif blödelt oder Gags inszeniert. Die Rolle hebt er sich für die laufenden Kameras auf. Im Gespräch gibt sich Boning eher sachlich. Er weiß ja, was die Journalisten von ihm wollen: daß er die Clownsmaske fallen läßt und sich als Person zu erkennen gibt. Aber wie? „Es fällt mir selbst schwer, zwischen mir und meiner Rolle zu unterscheiden.“ Auf dem schmalen Grad zwischen dem unschuldigen Wigald und dem hinterlistigen Boning gibt er nur gelegentlich eine Kostprobe seines trockenen Humors. „Gegen James Last“, sagt er zum Beispiel, nachdem Olli seine musikalischen Wurzeln geoutet hat, „kann man schlecht etwas sagen. Der hat den Hall in innovativer Weise eingesetzt.“
Er selbst versuchte sich schon als Junge am Klavier, ansonsten sah sein Leben auf dem platten Lande in Oldenburg ziemlich eintönig aus. „Entweder man spielte auf der Straße Fußball oder man schaute Fernsehen. Ich habe viel fern gesehen.“ Zur Schule ist er auch gerne gegangen. „Ich habe alle Fächer gemocht, bis auf Chemie und Mathe, ansonsten habe ich mich für alles interessiert.“
Seinen Mitschüler fiel weniger sein Hang zur Komik als vielmehr sein Ehrgeiz auf, den Lehrern zu gefallen. „Ich war dicht an der Kante zum Strebertum, bis mich ein paar Studenten in die ersten Punkbands geschleppt haben. Sonst wäre ich am Ende wohl noch Gymnasiallehrer geworden.“ „Bist du sicher?“ fragt Olli ungläubig. Boning verzieht keine Miene. Es sollte kein Witz sein, aber ganz sicher ist man da nie bei ihm, weil der kühle Niedersachse seine Mimik sparsam dosiert und meist so harmlos dreinschaut wie ein Oberprimaner vor der Abiturprüfung. Die hat das gescheite Kerlchen natürlich locker bestanden, trotz Raucherecke auf dem Schulhof („Wir hörten Simple Minds„), trotz der ersten Teenie-Bands und eines gänzlich mißglückten Versuchs als Schlagersänger.
Mit 23 Lebensjahren dockt Boning beim Fernsehen an. Dort hat man nur auf einen wie ihn gewartet, außen schräg und innen ganz willig, mit Talent und einem klaren Ziel vor Augen: „Ich wollte schon mit 16 Jahren Popstar werden.“ Nun ist er Deutschlands schrägster TV-Komiker geworden. Sogar die Öffentlich-rechtlichen drückten dem Günstling des Privatfernsehens einen Telestar in die Hand.
Boning tut so, als könne er das alles nicht verstehen, und zitiert einen seiner Lieblingssätze: „Ich habe immer erklärt, daß es ein reines Mißverständnis ist, daß über mich gelacht wird.“ Mit seinen Vorlieben für quietschbunte Jacken (Slogan: „Das beißt sich“), häßliche Seventies-Krawatten und Flickenmuster vollführt der Hallihallodri von ‚Samstag Nacht‘ den äußerst schwierigen Spagat zwischen schlechtem Geschmack und Parodie. Er kennt seine Figuren genau: die Korrespondenten, die Reporter, die Talkmaster, die sich gern seriös geben und von Boning mit ebenso seriösem Gestus persifliert werden.
Wenn Boning als rasender Reporter etwa auf Stimmenfang geht, wird die Medienrealität im Handumdrehen zu Realsatire: „Wir haben heute erfahren, daß der Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Stefan Heitmann, heterosexuell ist. Fühlen Sie sich von einem solchen Präsidenten hinreichend vertreten?“ „Nein!“ antwortet Volkes Stimme. Mit der Aura wichtigtuerischer Glaubwürdigkeit fragt er den größten Unsinn und beweist: auf die Verpackung kommt es an. Als Tierforscher exploriert Boning das Paarungsverhalten von Regenschirmen, in der Talkrunde mit Kollege Dittrich gibt er sich schamlos desinteressiert und bohrt gelangweilt in der Nase. Das ist oft schon alles. Boning flicht alltägliche Beobachtungen ein oder nimmt die Dinge gleich beim Wort: „Dieser Stuhl wurde verrückt. Keiner weiß warum.“
Er ist der unkomischste Komiker der deutschen Comedy-Szene. Damit das nicht auffällt, verkleidet er sich wie ein Papagei und gibt sich betont schräg. Seine Vorliebe für Scheußlichkeiten wird in Boning-Fanclubs als Tugend gefeiert; 120 Krawatten soll er besitzen, eine häßlicher als die andere, dazu jede Menge bunter Anzüge, die er tatsächlich auch auf der Straße trägt. Boning ist die White-Trash-Ikone im Nostalgiegewand: Ein Auslaufmodell oder ein Eulenspiegel der Desinformations-Gesellschaft nur eben kein Komiker.
Will er auch gar nicht sein. Er selbst sieht sich am liebsten als „Journalist und Anthropologe“, weil er beides mal gerne im richtigen Leben ausprobieren würde. Aber solange Boning nur so tut als ob – und damit mehr Geld verdient – sagt ihm sein scharfer Verstand, daß er in der leichten Branche besser aufgehoben ist. Demnächst bringt er (was zu befürchten war) zusammen mit Olli Dittrich als Die Doofen ein Album auf den Markt mit dem Titel ‚Lieder, die die Welt nicht braucht‘, ein Recycling-Produkt der RTL-Show. Auch er kann es nicht lassen, seinen Namen kräftig auszuschlachten. Er führt dafür künstlerische Gründe an. „Beim Fernsehen“, sagt Boning, „zählt allein das Ergebnis. Wir können uns zwar viele Freiheiten erlauben, aber am Ende muß die Quote stimmen.“ Das Album hat ihm jedoch wieder gezeigt, „daß wir noch improvisieren können. Wir haben bewußt nur die Instrumente eingesetzt, die keiner von uns beherrscht.“