Wiglaf Droste: „Ich schwatz die Welt doch nicht schön“
Humor der herkömmlichen Sorte ist seine Sache nicht. Der streitbare Berliner Schriftsteller Wiglaf Droste schüttet da schon lieber Hohn und Spott über seine Mitbürger aus.
Humor hat es in unserer Kulturlandschaft bekanntlich gleichermaßen schwer wie leicht. Schwer, die deutsche Schwere zu durchdringen, aber leicht, Angriffsflächen zu finden. Wiglaf Droste, zugezogener Berliner, Jahrgang ’61 sitzt mitten in diesem Schlachtfeld. Sein Humor ist von deutscher Schwere, schlägt dabei aber wild um sich und bekämpft sich demzufolge letzten Endes selbst. Anläßlich der Veröffentlichung seiner Spoken-Word-Platte ‚Wieso heißen plötzlich alle Oliver?‘ bei einer großen Plattenfirma traf ME/Sounds den kontroversen Wortkünstler in einer uralten Kneipe gegenüber dem Hamburger Hauptbahnhof.
Pro Jahr ein Buch, jetzt die dritte Platte, viele Touren —- wo soll das noch hinführen?
Ein Buch zu schreiben empfinde ich nicht als Arbeit, sondern als einen angenehmen ekstatischen Zustand. Ebenso wie Musik. Schreiben ist schon der schönste Beruf, aber Singen geht noch mal drüber, das macht selig, da fängste an zu schweben. Und wenn man dann auch noch so ’ne richtig klasse Ry Cooder-Backingband hat…
Was ist denn dann überhaupt Arbeit? Auftreten?
Manchmal. Wenn die Leute schon lachen, wenn ich auf die Bühne komme, dann werde ich ungehalten. Ich bin doch nicht Wigald Boning. Das ist dann Arbeit, dem Publikum klarmachen, daß es auch um Inhalte geht.
Welche Bedeutung hat denn die Veröffentlichung Deiner Platte für Dich? Immerhin kriegst Du dadurch ja mehr Öffentlichkeit als bisher.
Es gibt einen schönen Satz von Karl Kraus, wo er sagt: „Die Öffentlichkeit hört nicht was ich sage und ich sage nicht was die Öffentlichkeit hören will.“ Erfolg ist ja nicht gleichzusetzen mit Wirkung. Aber es ist schon gut bei einer Firma zu veröffentlichen, die auch in der Lage ist, mal zu annoncieren, daß es sowas wie mich gibt. Ansonsten ist alles, wie es immer war, mit dem Unterschied, daß ich ein paar Tage mit Musikern im Studio war —- und alle Welt mir sagt „Schuster bleib bei deinen Leisten — tu es nicht“. Natürlich gibt’s auf der nächsten Platte extra viel Musik.
Politisch vertrittst Du eine Art Totalverweigerung, nach der Wählen per se sinnlos ist. Gibt es keine positive Positionsbestimmung für Dich?
Es gibt die Antwort von Adorno auf die Frage, wo denn das Positive bleibt — „Ja, wo bleibt es denn?“. Ich bin doch nicht dafür da, die Welt schönzuschwatzen. Die Aufgabe der Kritik ist die Kritik.
Aber es ist doch auffällig, daß es Dir besonders viel Spaß macht, linken Betulichkeiten ans Bein zu pinkeln.
Ich habe nun wirklich unzählige Kommentare über Manfred Kanther in der TAZ geschrieben. Und der Haß auf die rechte Szene ist natürlich unvergleichlich viel größer als der auf irgendwelche Gesundheitstrottel, die glauben, sie wären links. Was mich da jedoch schärfer im Ton werden läßt, ist der Glauben dieser Leute, gesunde Ernährung hätte irgendetwas mit politischem Bewußtsein zu tun.
Auf der Platte steht: Humor ist Notwehr.
Humor ist eine Haltung zur Welt. Es ist die Weigerung, die Zumutungen der Verhältnisse als wahr und unabänderlich anzuerkennen. Das ist aber schwer zu vermitteln in einem Land, in dem es heißt „Lachen ist gesund“ oder „Spaß muß sein“ oder „Da hört aber der Spaß auf“.
Hast Du ein Gefühl dafür, wo der Spaß aufhört? Menschenwürde und sowas?
(stöhnt) Da benehmen sich Menschen unendlich peinlich und ich beschreibe das nur, und dann kommen sie mir mit der Menschenwürde…
Da gibt es zum Beispiel auf der neuen Platte die Szene am Strand, wo Du über behaarte Frauenbeine herziehst…
Ja, gut, das ist so eine geschmäcklerische Bemerkung en passant… davon abgesehen kann man das auch nur in Deutschland sagen, weil es nur hier Frauen, gibt, die sich ihre Beine nicht rasieren.
Gibt es für Dich persönlich eine längerfristige Perspektive?
Ich glaube, ich möchte mal versuchen, für längere Zeit das Land zu verlassen. Mal sehen, ob man die Abwesenheit vom Unsinn wirklich genießen kann, oder —- das wäre bitter -— ob man den Quatsch aus irgendwelchen perversen Gründen braucht.
(Schriftstellerkollege Max Goldt geht auf der anderen Straßenseite vorbei)
Hallo Max! Maaax!
(Goldt hört ihn nicht)