Wir haben Pearl Jams Die-Hard-Fans gefragt, warum sie welche sind
Pearl-Jam-Fans sind Pilger, die sich schon Stunden vorm Konzert treffen. Was fasziniert sie so an Eddie Vedder und Co.? Wir haben nachgefragt – vor der Berliner Waldbühne, nachmittags um 15 Uhr.
Wir waren am 5. Juli 2018 beim einzigen Deutschlandkonzert von Pearl Jam in der Berliner Waldbühne und haben Antworten gefunden. Nicht nur aus unseren eigenen Beobachtungen heraus, sondern bei denen, die maßgeblich daran Schuld sind: bei den Fans. Den größten von ihnen, die schon mittags vorm Venue abhängen.
Mike (57), aus Orange County, Kalifornien:
Warum bist Du Pearl-Jam-Fan?
„Ich arbeitete früher bei einer Verstärkerfirma. Als ich Silvester 1991 Nirvana und die Chili Peppers in San Francisco sah, sagte mir ein Freund, dass ich früh genug da sein sollte, um die erste Band zu sehen, die noch vor Nirvana spielte. Er sagte: Sie werden mal größer als Nirvana sein, und sie heißen Pearl Jam. Ich war früh genug da, kannte davor nur ‚Alive‘ aus dem Radio, sah sie 35 Minuten spielen – und bin seitdem Fan geblieben. Im folgenden Jahr sah ich sie drei weitere Male.“
Warum reist Du um die halbe Welt, um Pearl Jam weiterhin zu sehen?
„Pearl Jam haben die besten Fans, mit denen man vor und nach dem Konzert so abhängen kann. Sie verändern ihre Setlist bei jeder Show zu 60 oder 70 Prozent. Anders als zum Beispiel bei U2 oder den Chili Peppers siehst du also nie die gleiche Show. Darum folgen Pearl Jams Fans ihnen. Ich war wegen ihnen schon 2007 in Europa, 2010 und 2012 auch. Und hier bin ich wieder.“
Du nimmst dafür also Deinen Jahresurlaub?
„Ja. Letzte Woche reiste ich mit Freunden nach Kroatien, danach sah ich Pearl Jam in Prag und Krakau. Und heute in Berlin.“
Christian (26) und Johan (26) aus Schweden:
Es ist erst 15 Uhr, Ihr steht ganz vorne in der Schlange, die Fanclubmitgliedern früheren Einlass gewährt. Seid Ihr demnach die größten Pearl-Jam-Fans Europas?
Christian: „Nein, es gibt noch eine andere Early-Entrance-Schlange. Wir stehen nur in der zweiten! Warum wir so früh hier sind? Wir haben halt diese Fanclubbändchen, das Wetter ist toll und wir machen ein paar Tage Urlaub in Berlin, haben also Zeit. Beim Pearl-Jam-Konzert vor ein paar Tagen in London waren wir auch, als nächstes steht Barcelona auf dem Reiseplan. Heute würden wir gerne wieder weit vorne stehen.“
Warum seid Ihr so große Fans?
„Pearl Jam machen einfach gute Musik. Sie haben eine unnachahmliche Energie und Songs, die du in jeder Gemütslage hören kannst.“
Und wenn sie ein richtig schlechtes Album machen würden, würdet Ihr trotzdem auf ihre Konzerte gehen?
„Ja. ‚Backspacer‘ zum Beispiel gefiel mir gar nicht, auch wenn es ein paar gute Momente hat. Mein Lieblingsalbum ist VS..“
Du bist mit 26 Jahren ziemlich jung für einen Pearl-Jam-Fan.
„Kann sein. Sie begannen 1991, so wie ich!“
Colin (35) und Susan (35) aus Schottland:
Seid Ihr extra für Pearl Jam angereist?
Susan: „Ja, schauen uns aber auch die Stadt an. Für Pearl Jams letztes Konzert hier in Berlin waren wir auch hier, 2014 in der Wuhlheide. Wir sind massive Fans von Pearl Jam und von der Stadt!“
Warum steht Ihr schon so früh an?
Susan: „Weil wir Ten-Club-Mitglieder sind! Wenn du nicht pünktlich bist, bist du schlecht dran. Weil du dann nicht mehr ganz nach vorne kommst.“
Colin: „Ich will einfach eine gute Sicht haben. Weil wir doch so klein sind!“
Warum seid Ihr so große Fans von Pearl Jam?
Colin: „Ich bin einer, seit ich 14 Jahre alt bin. Sie sprachen mich einfach an. VITALOGY war das erste Album, das ich von ihnen hörte. Dann kam NO CODE, erst dann war es auch TEN, das mich immer weiter in diese Band reinzog. Ihre Musik verschafft mir immer wieder Gänsehaut, besser kann ich die Faszination nicht beschreiben. Außerdem sind alle Mitglieder Ausnahmemusiker, Eddie Vedder ein großartiger Sänger. Wenn du mich fragst, sind Pearl Jam eine der besten Bands aller Zeiten. Ich würde ihnen auch schlechte Alben verzeihen.“
Was wünscht Ihr Euch konkret am heutigen Abend?
Colin: „Ich würde wirklich gerne ‚State Of Love And Trust‘ hören. Und einen sehr obskuren Song namens ‚Leatherman‘, die B-Seite der Single ‚Given To Fly‘. Damit würden sie mich richtig glücklich machen.“
Christopher (39) aus Kuwait:
Du bist wegen Pearl Jam in Deutschland?
„Wir machen eine Art Konzerttour. Nine Inch Nails haben wir in Amsterdam gesehen, neulich Iron Maiden und jetzt Pearl Jam. Wir kommen jedes Jahr her und schauen uns Konzerte an. Im Mittleren Osten ist es illegal, Spaß zu haben! Pearl Jam sehe ich heute zum ersten Mal. Ich freue mich auf alle Songs. Ich warte darauf, seit ich 15 bin, bisher hatte es mit Pearl Jam und mir nie geklappt.“
Was magst Du an Pearl Jam besonders?
„Den Gesang Eddie Vedders. Als TEN herauskam, klangen er und die Band so rau und wild. Danach wurden sie immer milder, und das spiegelt doch auch mein Leben wieder. Früher war ich wilder, heute bin ich milder. Als ob Pearl Jam und ich zusammen aufgewachsen wären.“
Warum haben sie so eine treue Fanbase?
„Weil sie ihre Fans nicht abzocken. Ihr Merchandise ist nie zu teuer. Sie gehen alles ganz simpel und ruhig an. Und sie sind immer ehrlich mit ihren Fans. Sie sagen, was sie sagen wollen. Und wenn sie nichts zu sagen haben, sagen sie auch nichts. Sie suchen nicht wie andere Bands ständig das Rampenlicht.“
Thomas (44), Tina (49), Lukas (12) und Elias (15) aus dem Saarland:
Hey, ein Familienausflug! Warum seid Ihr derart früh hier?
Tina: „Na weil wir so früh wie möglich einen tollen Platz kriegen wollen! Es ist unser erstes Pearl-Jam-Konzert. Ich habe die Band schon immer gerne gehört, seit dem ersten Album TEN. Zwischendurch habe ich auch vermehrt andere Bands gehört und Pearl Jam irgendwann wieder entdeckt. Bin ein riesengroßer Fan.“
Warum?
Tina: „Ich mag die Musik, die Texte, gefällt mir super, ist sehr abwechslungsreich. Ich mochte auch die anderen Grungebands gerne, aber die meisten gibt es ja nicht mehr. Nirvana nicht, Soundgarden seit letztem Jahr leider auch nicht mehr.
Elias: „Motörhead gibt es ja auch nicht mehr. Das war mein erstes Konzert in Saarbrücken, das hier ist mein zweites.“
Und Eure Eltern haben Euch mit Pearl Jam genervt, bis Ihr auch überzeugt wart?
Tina: „Nö, die hören das auch sehr gerne. Wir haben Gott sei Dank alle denselben Musikgeschmack.“
Was magst Du an Pearl Jam, Lukas? Hast Du ein Lieblingslied?
Lukas: „Eigentlich gar keines, nein. Ich finde alle Lieder toll.“
Es stimmt offensichtlich nicht, dass Kinder und Jugendliche heutzutage ausschließlich HipHop und R’n’B hören.
Thomas: „Oft stimmt das schon, wie ich aus Beobachtung sagen kann. Ist aber ja auch nur ein Nischendenken, jeder hört doch auch anderes. Wir waren in den Neunzigern zum Beispiel auch ein wenig in der Techno- und Elektroszene unterwegs. Es gibt gute Musik aus jeder Richtung.“
Und als Du in der Schule erzählt hast, dass Du zum Pearl-Jam-Konzert fährst: Kannten Deine Mitschüler die Band überhaupt?
Elias: „Ein paar Lehrer kannten sie, und die Schüler haben dann immer gefragt, wer das bitte sein soll.“
Peter (63) und Bärbel (63), aus Bad Segeberg:
Warum seid Ihr so früh hier?
Bärbel: „Weil uns die Musik gefällt. Und weil wir möglichst vorne einen guten Platz kriegen wollen, es gibt in der Waldbühne ja keine zugewiesenen Sitzplätze.“
Peter: „Am Mischpult sitzt man am besten, nicht weit vom Bier!“ (lacht)
Was genau gefällt Euch an Pearl Jam?
Peter: „Der Leadsänger ist wunderbar. Seit fast 30 Jahren höre ich die Band. Ich gehe nicht zu jedem Konzert, das schaffe ich nicht. Zwei habe ich bisher gesehen. Ich bin der größere Fan von uns beiden. Das erste Mal habe ich Eddie Vedder auf Video beim 30-jährigen Bühnenjubiläum von Bob Dylan gesehen, als er ‚Masters Of War‘ gesungen hat. Das Konzert habe ich als DVD zuhause und gucke es ab und zu mal. Ein Lieblingsalbum von Pearl Jam habe ich nicht, ich lasse mich auch heute überraschen.“
Warum hat die Band wohl eine so loyale Fanbase, noch viel treuer als bei anderen großen Rockbands?
Bärbel: „War mir gar nicht bewusst, dass das so ist.“
Würde hier heute eine andere Band spielen, würden die meisten Besucher erst später eintrudeln.
Peter: „Als der Grunge aufkam, waren sie die zweitbeste Band. Nach dem Selbstmord von Kurt Cobain waren sie die beste…
Bärbel: „Man muss die Möglichkeiten nutzen, die man noch hat, sie zu sehen. Wer weiß, wie lange die Band noch besteht und tourt.“
Bei ihnen kann man sich ja sicherer als bei anderen sein, dass sie wiederkommen werden.
Peter: „Sie haben auch mit Neil Young Einiges gemacht, das hat mir gut gefallen. Die ‚Merkinball‘-EP und das MIRRORBALL-Album.“
Hast Du Neil Young auch schon live gesehen?
Peter: „Jaja, mit Dylan zusammen auf der Trabrennbahn in Hamburg. Dylan habe ich auch schon hier in der Waldbühne gesehen. Da stand ich neben Wolf Biermann, so wie Du jetzt hier neben mir stehst!“
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