Wolf war gleich doppelt kritisch. Schließlich lauschte er dem Blind Date-Tape nicht nur als — inzwischen auch erfolgreicher — Musiker, sondern ebenso als perfektionistischer Produzent (Klaus Lage u.a.)- Als Regisseur im Plattenstudio hat er es zwangsläufig gelernt, Kollegen gegenüber keine falsche Rücksicht zu nehmen. Folglich ging er auch hier mit einigen Musikern hart ins Gericht — selbst wenn es sich dabei um ausgesprochene Kritiker-Lieblinge handelte ...
Smokey Robinson: „Hold On To Your Love“
„Klingt wie ’ne englische Band, die verzweifelt versucht, amerikanischen Soul nachzuäffen. Keine Ahnung, wer das ist; auf jeden Fall ein bißchen seicht. Der Typ singt ja ganz ordentlich, aber das Stück könnte fast von Engelbert Humperdinck stammen. Smokey Robinson? Oh je! Wie gesagt: Der Gesang ist okay, aber die Nummer selbst unendlich seicht.“
Inga Rumpf: „Remember“
„Eigentlich eine gute Nummer, aber für meinen Geschmack völlig glatt und oberflächlich produziert. Allerdings: Der Typ hat eine tolle Stimme: Keine Idee, wer das sein soll. Inga Rumpf? Und ich Depp sage, da singt ein Typ…“
P.I.L.: „Rise‘
„Von irgendwoher geklaut. Der Gesang bügelt das aber wieder aus, weil er so schön schräg ist, daß man vergißt, es schon tausendmal gehört zu haben. Auch die Produktion gefällt mir ganz gut; erinnert mich an eine alte Nummer von den Who; der Sänger muß Engländer sein. P.I.L.? Nun, mit Lydon und den Sex Pistols habe ich nie viel am Hut gehabt — bis auf ,My Wav‘, das fand ich immer sehr gut.“
Clannad (+ Bono): „In A Lifetime“
(Nach den ersten Takten:) „Oh je, mach‘ besser aus, das ist ja grauenhaft! Das Intro erinnert mich an Nana Mouskouri. Eine der vielen Balladen, die derzeit die Runde machen. Duette mit seichten Balzgesängen verkaufen sich im Moment ja wieder mal ganz gut. Wer ist der Duett-Partner, Kenny Rogers oder so? Auf jeden Fall unheimlich krank, irgendwie deprimierend. So eine Produktion … ich glaube, da mache ich dir an einem Tag zwei Stück in diesem Stil.“
Zanki: „Dein roter Mund‘
„Das ist Zanki, oder? Ich ordne die Sänger in drei Kategorien ein: Ausdruck, Feeling und Stimme.
Feeling und Stimme hat er, der Ausdruck ist bei ihm allerdings immer ein bißchen schwach. Abgesehen davon halte ich ihn trotzdem für den besten deutschen Sänger.
Die Komposition ist sehr schön, aber dieser Refrain und auch der viele Hall ziehen es irgendwie runter. Ich versteh‘ kein Wort von dem, was er singt! Klingt wie der Soundcheck in der leeren Gruga-Halle; man hätte es zumindest so aufnehmen sollen, daß es wie das Konzert in der vollen Gruga-Halle klingt.“
Chris Isaak: „Gone Ridin“
„Ist vielleicht ganz proper gemacht, aber einfach nicht mein Stil. Echter Rockabilly wäre mir lieber, so klingt’s wie Shakin‘ Stevens unter Drogen.“‚
Solomon Burke: „Everybody Needs Somebody To Love‘
„Good old sixties, nicht? Das ist wohl so ein alter Soul-Recke. Geiler Sänger, wirklich saugut. Wer ist das doch gleich … — Die Originalversion von Solomon Burke? Den kenne ich immer nur vom Namen her. Super!“
John Lennon: „Going Down On Love‘
„Klingt wie John Lennon, ist aber wahrscheinlich Julian, oder? Der singt ja genau wie sein Vater. Die Produktion ist allerdings stärker am Stil der frühen 70er Jahre orientiert; also ist es vielleicht doch ein altes Lennon-Tape, das sie ausgegraben haben.
Damals kannten sie halt einige Tricks noch nicht, aber das macht auch den Charme dieser Nummer aus. Gefällt mir wirklich gut; wenn sie von John Lennon stammt, würde ich mich wirklich ärgern, sie noch nicht zu kennen.“
Aretha Franklin: „Wholy Holy“
„Randy Crawtord? Fangt jedenfalls gut an. Nein, das muß wohl doch etwas Älteres sein, jetzt hab“ ich’s: Aretha Franklin! Gegenüber dem, was sie heute macht, hat das irgendwie mehr Herz. Aber die kann singen, was sie will: Sobald sie den Mund aufmacht, läuft’s mir kalt den Rücken runter.“
Bangles: „Manic Monday“
„Ja, kenn ich, finde ich total gut. Fast schon verwunderlich, daß Frauen, die so gut aussehen, auch noch so gute Musik machen. In einem Jahr sind die wahrscheinlich Welt-Stars.“
Rio Reiser: „Alles Lüge“
„Ich kenne noch das Demo von der Nummer -— ein supergeiles Stück. Bei der Produktion ist allerdings irgendwas verlorengegangen. Auf jeden Fall ist er eins der größten Talente in Deutschland; viele haben von ihm gelernt. Und der Text strotzt nur so von Wahrheiten.“
Bryan Ferry: „Is Your Love Stronq Enough‘
„Erinnert mich an Bryan Ferry, dieser Bob Clearmountain-Sound! Das hat Ferry natürlich clever gemacht, denn eigentlich ist das ja eine Fortführung von AVALON. Er braucht halt nur seine Roxy’s nicht mehr; die Arrangements werden ihm alle frei Haus geliefert. A Ich bin beeindruckt von der Produktion, aber ir- * gendwas an Bryan Ferry ist mir immer zu oberflächlich. So ’ne Nummer höre ich gern im Radio, aber kaufen würde ich sie mir nicht.“
