Interview

Wovor George A. Romero Angst hatte


Horrorfilmlegende George A. Romero ist tot, seine Untoten leben weiter: Wir haben ihn vor sieben Jahren zum Interview getroffen. Aus dem Archiv.

Der Großvater des modernen Zombiekinos erschreckte fast ein halbes Jahrhundert lang mit Filmen wie „Die Nacht der lebenden Toten“ und „Dawn Of The Dead“ die Welt. Er selbst freute sich immer seines Lebens und nahm das Schicksal mit einem Lachen. Zum Tod von George A. Romero: ein Interview aus dem Jahr 2010.

ME: Wovor hatten Sie als Kind Angst?

GEORGE A. ROMERO: Mein Vater war Kubaner, meine Mutter Litauerin. Doch von unserer italienischstämmigen Nachbarschaft wurde ich als Latino wahrgenommen. Das war wie in der „West Side Story“: die Jets, die sich selbst als wahre Amerikaner verstehen, gegen die Sharks, Kinder puerto-ricanischer Einwanderer. Nur hatte ich keine Gang hinter mir, ich war der einzige Shark gegen die Jets. Vor denen hatte ich Angst.

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Wann haben Sie erkannt, wie viel Spaß es machen kann, anderen Angst einzujagen?

Oh, da muss ich noch sehr jung gewesen sein. Ich las damals viele Horrorcomics aus dem EC-Verlag (bekannte Titel: „Tales From The Crypt“, „Mad“ – Anm. d. Red.). Aber die waren immer voller Witze. Da wurde mir klar, dass Humor und Horror gut zusammen gehen. Ich finde auch nicht, dass meine Filme nur Angst verbreiten. Klar funktionieren sie innerhalb der Horror-Klammer, aber eigentlich versuche ich, mit ihnen diese Comics von damals zu emulieren, viel mit Satire zu arbeiten.

Ihre erste Zombiefilm-Trilogie wurde über einen Zeitraum von 17 Jahren veröffentlicht. Bis zum Comeback „Land Of The Dead“ gingen 20 Jahre ins Land, und nun erscheint mit „Survival Of The Dead“ Ihr dritter Zombiefilm in fünf Jahren. Haben Sie Angst, dass Ihnen, mit 70 Jahren, die Zeit davon läuft?

Gar nicht. Die zeitlichen Abstände erklären sich anders. An „Land“ habe ich sehr lange gearbeitet. Das Zentralthema des Nachfolgers „Diary Of The Dead“ – die Kommunikationsformen des Internets – musste schnell umgesetzt werden, sonst hätte der Film seine Aktualität verloren. Außerdem war der Film sehr billig in der Herstellung und spielte weltweit sehr viel Geld ein. Nach so etwas drängen dich die Produzenten natürlich, schnell noch einen weiteren zu drehen. Und so kam es, dass nun „Survival“ anläuft. Wenn der sich auch als profitabel erweist, drehe ich sofort den nächsten! Und den übernächsten!

George A. Romero ist tot
Ihre letzten drei Zombiefilme wurden von der Kritik gemischt aufgenommen. Wie gehen Sie mit negativen Rezensionen um?

Wenn ich schlechte Bewertungen bekomme, fühle ich mich wie ein Präsidentschaftskandidat. (lacht) Ich bin es gewohnt, verrissen zu werden. Bis zu meinem „Comeback“ 2005 wurde ich ausschließlich abgewatscht. Erst dann hat man meine alten Filme wieder entdeckt und sie in den Himmel gelobt.

Ihren Fans haben die alten Filme aber immer viel bedeutet. Verspürten Sie bei Ihrem Comeback Angst, sie enttäuschen zu können?

Nein. Ich bin ein sehr unabhängiger Typ. Der größte Wunsch meiner Fans ist, dass ich „Dawn“ neu verfilme. Aber ich mache lieber neue Filme (lacht).

Zeiten politischer Unterdrückung und Frustration sind traditionell gut für das Horrorkino. Wie der Vietnamkrieg Widerstandsfilme wie „Blutgericht in Texas“ hervorbrachte, antworteten Sie auf den Irakkrieg der Bush-Regierung mit „Land Of The Dead“. Sorgen Sie sich um das Horrorkino, jetzt wo das dankbare Feindbild George W. Bush von einem Konsensliebling ersetzt wurde?

Ich lebe seit fünf Jahren in Kanada. Seitdem muss ich mich nicht mehr damit herumschlagen, wer Präsident der USA ist. Mit „Land“ habe ich mich aber tatsächlich so direkt politisch geäußert wie niemals zuvor. Meine letzten beiden Filme, „Diary“ und „Survival“ sind dagegen viel allgemeiner gehalten.

Das Revival des harten Horrorfilms brachte auch Zombie-Komödien wie „Shaun Of The Dead“ ins Kino. „Zombieland“ wurde gar der erfolgreichste Zombiefilm überhaupt. Haben Sie Angst, dass Zombies so ihr Bedrohungspotenzial verlieren?

Es sind eher die Computerspiele, die den Zombie popularisiert haben. Der Zombie-Hype im Kino wird meines Erachtens ohnehin bald vorüber sein. Jetzt sind erstmal wieder die Vampire dran, die trivialisiert werden. Irgendwann wird man den Zombie dann wieder entdecken, und dann wird er auch wieder bedrohlich sein. Diese so genannten Zombiefilme der jüngeren Vergangenheit sind außerdem gar keine richtigen Horrorfilme, das sind gut gemachte Actionfilme, in denen die Zombies rennen. Ein langsam wankender Zombie ist aber viel unheimlicher.

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Praktisch jeder Horrorfilm der 70er und 80er wurde zuletzt neu verfilmt. Befürchten Sie, dass die Remakes den Originalfilmen ihren Geist rauben?

Mein guter Freund Stephen King wurde mal gefragt, wie es ihm denn damit gehe, dass Filmemacher seine Bücher mit schlimmen Verfilmungen ruinieren? Und Stephen sagte: „Die Bücher wurden doch gar nicht ruiniert! Sie stehen doch immer noch in ihrer Urform im Regal.“ Hollywood verlässt sich eben lieber auf bekanntes Material, als etwas Neues zu wagen. Die Entscheidungsträger dort haben überhaupt keine Beziehung zum Medium Film. Die Neuverfilmung einer meiner Filme, „The Crazies“, wurde gerade veröffentlicht, und ich verstehe die neue Version einfach nicht. Das Original handelt von Vietnam und davon, dass du nie weißt, wer eigentlich der Böse ist, wer die „Crazies“ sind. Im Remake haben die Crazies“ rot unterlaufene Augen! Wo bleibt denn da die Idee?

Ärgert es Sie, dass die Remakes mehr Geld einfahren als die Originale?

Ja, ein klein wenig pisst mich das schon an. Aber immerhin kriege ich ja immer noch genug Geld zusammen, um meine Filme zu machen – und zwar so, wie ich sie mir vorstelle. Das ist doch die Hauptsache.

Über George Andrew Romero

Der Begründer des modernen Zombiefilms kam am 4. Februar 1940 in New York City zur Welt und ist dort am 16. Juli 2017 gestorben. Seine erste Kamera (8mm) erhält er zu seinem 14. Geburtstag. 1968 dreht er seinen ersten Horrorfilm: „Die Nacht der lebenden Toten“ gilt bis heute als Meisterwerk. Nach mäßig erfolgreichen Filmen (u. a. 1973 „The Crazies“) spielt Romeros zweiter Zombiefilm „Dawn Of The Dead“ 1978 weltweit über 55 Millionen Dollar ein. Nach dem Flop „Day Of The Dead“ 1985 zieht sich Romero vom Zombiefilm zurück. 2004 wird das Remake von „Dawn“ zum bis dato erfolgreichsten Zombiefilm der Geschichte. Mitte der Nullerjahre knüpft Romero an seine Trilogie an und veröffentlicht in schneller Reihenfolge „Land Of The Dead“ (’05), „Diary Of The Dead„ (’07) und „Survival Of The Dead“ (’10).

Aus unserem Archiv heraus gekramt: Das Interview mit George A. Romero erschien zum ersten Mal in der Juni-Ausgabe des Musikexpress 2010.