Xavier Naidoo


Während viele seiner Kollegen den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, schwört der 28-jährige Sänger auf die Bibel. Ist er wirklich Nicht von dieser Welt?

Grüß Gott!

(lacht) „Wenn ich ihn sehe – das sagt man dann doch immer? Ist aber eine schöne Begrüßungsformel – primär südlich des Schwarzwaldes und hinüber nach Bayern in die gottesfurchtigen Gegenden, beim Pietkong.“

Klingt, als hättest du Probleme mit den Pietkong-Führern – Papst, Bischöfe, Kardinale?

„Generell bin ich eher mißtrauisch. Ich versuche meinen Glauben rein zu halten und keine Religionen mit einzubeziehen.“

Glauben denn nicht alle Menschen im Grunde an den gleichen Gott?

„Nein! Ich bin Christ. Ich glaube an Jesus Christus und an seinen Vater. Es ist ja auch nicht uninteressant, wie ich dich nenne. Auch du willst bei deinem Namen genannt werden. Wenn der Name meines Gottes Allah wäre, dann hätte er keinen Sohn. Das ist nicht mein Gott, da gibt es nichts zu diskutieren.“

Während deines Zivildienstes bist du aus Langeweile auf die Bibel gestoßen. Und wenn nun zufälligerweise eine deutsche Koran-Übersetzung herumgelegen hätte?

„Ich glaube nicht, daß mich der Koran derart fasziniert hätte. Dort, wo ich die Bibel aufgeschlagen habe, war das, was ich da gelesen habe, so aktuell, daß es auch eine Reportage gewesen sein könnte.“

Hattest du dich vor dieser Zeit schon mit Glauben beschäftigt?

„Wie alle, war auch ich im Angesicht des Milleniums auf der Suche. 1993 bin ich fündig geworden. Zuvor hatte ich vieles in Betracht gezogen. Vieles, was ich jetzt verurteile – Wahrsagerei, Astrologie.“

Duldest du wenigstens, daß andere Menschen an einen anderen Gott glauben?

„Das erlaubt mir meine Erziehung: Ich habe immer Respekt vor dem anderen Menschen. Aber er wird mir niemals erzählen können, daß sein Gott über meinem steht. Jeder Moslem wird sich mit mir darüber vortrefflich streiten können – warum soll ich das nicht auch tun? Für mich ist das ein legaler Wettstreit der Religionen, der nun kurz vor der Entscheidung steht.“

Wie im Kosovo, oder in den Kreuzzügen?

„Ich will kein Blut. Ich setze meine Musik als legale Waffe ein. Meine rechte Hand schreibt meine Texte – und die sind gesalzen. Ich habe etliche Texte noch nicht veröffentlicht, weil ich weiß, daß sie zu kraß rübergekommen wären.“

Zu kraß?

„Man kann ja noch deutlicher werden. Ich habe ein Lied geschrieben, das „Atlantis ist Amerika“ heißt. Darin will ich erklären, was ich konkret aus der Bibel herauslesen kann: Amerika geht unter.“

Amerika ist Babylon?

„Nicht nur Amerika. Auch Frankfurt ist Babylon, London und Tokio. Babylon ist überall. Aber Amerika und Tokio sind ganz oben auf der Abschußliste.“

Bist du da ganz sicher?

„Ich habe mein Wissen. Ich sehe mich als jemanden, dessen Berufung es ist, solche Dinge zu sagen.“

Ist Mannheim auch Babylon?

„Nein. Aber es gibt Anfänge, wie den Fernsehturm, der am Neckar steht.“ (lacht)

Ist technischer Fortschritt nicht gottgewollt?

„Doch. Alles kommt von Gott. Neulich hat ein Bischof gesagt: „Gott ist nicht im Internet.“ Das ist falsch. Dann wäre er auch nicht in unserer Computermusik. Gott ist überall. Alles hat zu seiner Zeit seine Bestimmung. Jeder verheerende Sturm, jedes Stück Metall.“

Stimmt es, daß du noch bei deiner Mutter wohnst?

„Ich wohne gemeinsam mit meiner Freundin im selben Haus, zwei Stockwerke über meiner Mutter.“

Wie reagierte deine Mutter auf deine Bekehrung?

„Sehr verstört, natürlich. In den ersten Jahren war das für sie ein rotes Tuch, weil sie sich von mir diverse Angriffe auf die Kirche anhören mußte. Ich kreide der Kirche an, daß sie nur einmal pro Woche ein einzelnes Zitat aus der Bibel im Gottesdienst behandelt. Aber diese Zitate sind irreführend, weil sie aus dem Zusammenhang herausgerissen werden.“

Bist du bibelfest?

„Ich muß gestehen, daß ich zu faul bin, alles auswendig zu lernen. In der Bibel steht aber auch, daß du nicht in Zungen sprechen sollst, wenn du es nicht übersetzen kannst. Es ist doch wichtiger, zu wissen, wovon man spricht. Verstanden zu haben, daß wir gemeint sind in der Offenbarung. Es ist nicht – wie die Kirche erzählt – ein immer wiederkehrender Kreislauf von Krieg und Frieden. Es ist haargenau meine aktuelle Umwelt, die Johannes beschreibt.“

Da ist die Bibel wie ein guter Pop-Song – jeder kann sich wiederfinden.

„Man muß seinen Käscher auslegen, auch wenn einem die anderen Fische deshalb davon schwimmen. Natürlich muß ich erst mal gehörig mit dem Geschirr klappern, um den Leuten das Buch nahezubringen. Auch ich bin nicht allwissend. Ich bin zum Beispiel kein großer Mathematiker, der all die Zahlen, die in der Bibel stehen, genau zusammenführen kann. Aber mich wundert es nicht, daß man herausgefunden hat daß das ganze Buch zahlenmäßig codiert ist. Alles, was ich daraus lesen kann, bestätigt mich in meinem Wissen, daß es kurz vor knapp ist.“

Was genau droht uns?

„Ich denke, daß uns viele Sachen wegbrechen werden: Das Geld, Inflation, Börsencrash. Amerika wird eine Naturkatastrophe nach der anderen bekommen. Da nützt ihnen auch ihr unglaublicher Reichtum nichts.“

Bist du sicher, daß pünktlich zum Millenium die Apokalypse kommt?

„Kein Christ darf jemals das Datum der Apokalypse, des Jüngsten Tages, ansetzen. Man hat aber entdeckt, daß das Armageddon 1992 begann. Davon bin auch ich überzeugt. Denn das war das Jahr, in dem ich erstmals in der Bibel las.“

Ziehst du konkrete Handlungsanweisungen für dein tägliches Leben aus der Bibel?

„Logisch! Ich würde nie nach Amerika ziehen. Ich würde auch nie aus Deutschland wegziehen. Uns allen steht eine große Notzeit bevor, aber ich denke, daß Deutschland das kleinere Übel ist. Deutschland hat die Zerstörung, die der Welt noch bevorsteht, in diesem Jahrhundert ja bereits erlebt Das passierte auch anderen Staaten. Halb Europa starb im Mittelalter an der Pest. Das war aber auch nicht in der Zeit der letzten Gefechte. Bei mir zu Hause laufen rund um die Uhr Nachrichtensender. In der Bibel steht, es wird die Zeit kommen, da hört man die Gerüchte von den Kriegen an anderen Orten. Im Mittelalter wußte man in China nicht, daß in Mitteleuropa die Pest wütet. Heute erfahren wir alles sofort.“

Nehmen wir an, deine Stimme wird gehört, die Saat deiner Botschaft geht auf – gibt es dann eine Rettung?

„Es ist nicht meine Botschaft, es ist die Botschaft Gottes. Es ist auch nicht meine Saat. Ich bin nur der Knecht, der sie ausbringt. Ich will nur eins erreichen: Keiner soll sagen können, er habe es nicht gewußt.“

Ist die Apokalypse denn überhaupt aufzuhalten?

„Eigentlich nicht.“

Dann ist es vielleicht besser, wenn es keiner weiß.

„Nein! Man kann gerettet werden. Der einzige Schlüssel ist: Erkenne diesen Gott – und alles wird gut! Ich glaube nicht an den Tod. Mein Glaube wird mich befähigen, den Himmel zu sehen. Warum sterben wir Christen Tag für Tag, wenn Christus den Tod schon vorweggenommen hat? In der Bibel steht ganz klar, daß der Tod nur ein Schatten ist.“

Was nun – gibt es doch die Erlösung im Diesseits?

„Logo – und genau die muß ich suchen. Ich will, daß meine Generation das kapiert. Die Welt wie wir sie kennen geht ja nicht unter. „Am Ende der Zeit“ steht in der Bibel. Das heißt für mich: Keine Uhr mehr, zurückkehren in den alten Rhythmus, der uns nicht kaputt macht. Ich glaube nicht, daß die Greenwich-Zeit die richtige Zeit ist, daß die Zeitzonen rechtens sind. Warum steht nirgendwo in der Bibel, daß der Mond auch tagsüber geschienen hat. Ich könnte genauso behaupten: Wir haben es so toll getrieben, daß nun der Mond sogar tagsüber scheint. In der Bibel steht, daß in unseren Tagen die Sonne rot untergehen wird. Früher ist die Sonne nicht rot untergegangen.“

Das kommt von den verschmutzten Luftschichten, die die Strahlen der Abendsonne anders brechen als früher die reine Luft.

„Ach was, ich glaube schon lange keinem Wissenschaftler mehr. Neulich habe ich im „PM“ gelesen, daß keine Formel richtig zieht. Alles ist ein bißchen hin- und her geschoben.“

Gut. Aber was ist die Alternative – wie sieht die Wunsch-Welt von Xavier Naidoo aus?

„Wenn es danach ginge, stünden uns tausend Sommer bevor. Tausend Jahre.“

Ich dachte, du mißtraust unserer Zeitrechnung? Das „Ende der Zeit“ bedeutet doch vor allem: das Ende der Idee von einer linear fortschreitenden Zeit?

„Genau – keine Unterteilungen mehr. Allenfalls natürliche, wie Sonnenaufgang und -Untergang. Das afrikanische Prinzip: „Ich komme irgendwann.“ Dann könnten wir uns endlich wieder um unsere Kinder kümmern, um unsere Eltern. Auf jeden Fall ist es gesund, alles in Frage zu stellen. Herzinfarkt zum Beispiel ist nicht mehr die HauptTodesursache, aber die amerikanische Kardio-Industrie arbeitet dagegen. Spinat hat nicht mehr Eisen als anderes Gemüse, das ist ein Komma-Fehler.“

Und du trägst eine Jacke aus Kunstfaser.

„Ich prangere die Energieverschwendung ja auch nicht an. Auch Plastik ist aus natürlichen Rohstoffen gewonnen. Ich mache mir die Erde untenan. Ich lasse mir von keinem irgendetwas verbieten. Ich kann genauso sagen: Was wir hier verbrennen, sind alles Gifte, die durchs Ozonloch entweichen. Dann sind wir sie für immer los. Warum soll ich mir erzählen lassen, daß das Ozonloch giftig ist?“

In Industriegebieten entweichen die Gifte aber nicht durchs Ozonloch, sondern machen die Menschen krank.

„Dann ist das eben unser Los.“

Als leidenschaftlicher Autofahrer bläst du mit deiner ’70er Jahre S-Klasse auch ziemlich viel Sprit in die Luft…

„Mein Benz verbraucht extrem viel Benzin, viel mehr als moderne Autos.“

Dein Benz fährt also auch ohne Wald.

„Der Wald stirbt nicht an meinem Benz oder an deinem Benz. Wir können uns doch nicht herausnehmen zu sagen, daß wir die Erde kaputt machen. Das wird nicht passieren. Die Erde wäre so oder so in diesem Zustand, weil wir in diesem Zustand sind. Selbst das Automobil ist in der Bibel beschrieben.“

Wo genau steht das in der Bibel?

„Das steht an mehreren Stellen, in denen die Cherubime beschrieben werden. Für mich sind diese Engelsgeschöpfe die Automobile. Es gibt vier Arten von diesen Wesen – und wir haben vier Arten von Fortbewegungsmitteln auf der Erde. Ich bin überhaupt nicht gegen den Fortschritt. Dieser Fortschritt muß nur anerkennen, daß es einen Gott gibt.“

Der sichere Karriere-Killer für jeden Wissenschaftler.

„Edison hat auch versucht, die Bibel zu decodieren und er hat das Licht erfunden. Er hat die Welt erleuchtet! Oder Benz. Das sind die Leute, die uns den Himmel ermöglicht haben. Das ist der Himmel. Wir leben schon im Himmel, wir haben es nur noch nicht kapiert.“

Für einen Himmel ist es ganz schön dreckig hier.

„Er muß nur ordentlich ausgekehrt werden.“

Dann mache den Anfang: Melde deinen Benz ab und kaufe dir ein schadstoffarmes Auto.

„Nein. Durch das, was passiert, wird – ich will es nicht hoffen – die Weltbevölkerung so dezimiert, daß mein Benz zum Pipifax wird. Man hat uns auch die Nachricht verkauft, daß sich nach der Bombardierung der irakischen Ölfelder die Erde verdunkeln wird. Aber die Erde läßt sich von uns nicht kaputt machen. Es sind nur Mittel, die eingeleitet wurden, um andere Wege zu weisen. Ohne die Umweltverschmutzung und Dutzende anderer Sachen – wann würden wir denn zusammenrücken in Deutschland? Wann würden es die normalen europäischen Bürger für nötig befinden, wieder zusammenzukommen? Doch nur, wenn unsere Flüsse über die Ufer treten und unsere Keller unter Wasser stehen.“

Somit ist es für dich also nur konsequent, den Tanz auf dem Vulkan zu beschleunigen und zehn alte Benzinschleudern zu fahren?

„Wir beschleunigen ihn, ja. Auch in der Kunst. Die Sachen, die ich höre – Jungle und Breakbeat – werden immer schneller. Die Spirale zieht sich zu.“

Ist das der göttliche Plan?

„Leider liegt es in unserer Natur, uns immer weiter von Gott zu entfernen. Ich bin in der glücklichen Situation, in jungen Jahren zu Gott gefunden zu haben. Wenn ich mit 50 immer noch warten würde, würde ich vielleicht wieder vom Glauben abfallen.“

Machst du es dir nicht ein bißchen zu leicht?

„Oh nein! Ich habe meinen Plan zu erfüllen. Und der ist: Ich will meine Stadt voranbringen. Das gelingt mir nur, wenn ich drei Milliarden verdiene, denn so viele Schulden hat Mannheim. Wenn ich, um dieses Geschäft auszuüben, mal schnell von Mannheim nach Hamburg und wieder zurück muß, dann verbrauche ich eben viel Benzin. Das ist nicht das Problem. Benzin ist doch gewachsene Natur.“

Wie viele Millionen liegen inzwischen auf deinem Mannheim-Sparbuch?

„Meine Kohle ist doch Pipifax. Laß mich zu einem Konzern werden, zu einem Bill Gates – und dann messe mich daran.“

Aber erst mal die Villa, den Benz, die Yacht?

„Warum soll ich mir das nicht kaufen? Salomon hat auch Paläste gehabt. Ich werde in meiner Wohnung, die ein paar Quadratmeter hat, weiterhin glücklich sein. Und wenn ich mir in meiner Stadt ein Haus kaufe, weil sich vor meinem jetzigen Haus schon die Fans tummeln, dann soll mir das auch gegönnt sein. Und ich werde mir auch meine kleine Autosammlung gönnen. Aber ich brauche keine Yacht in der Karibik.“

Im „Hohelied Salomon“, das von der Kirche jahrhundertelang aus der Bibel herauszensiert wurde, wird auch kräftig gepoppt…

„Logisch! In der Bibel steht auch: Wenn dir im Krieg irgendwo eine Frau gefällt, dann nimm‘ sie mit. Dann muß sie halt einen Monat lang außer Haus schlafen.“

Gesetzt den Fall, dein Plan gelingt. Du verdienst die drei Milliarden und errettest Mannheim von der Schulden-Geißel. Meinst du. daß du dann verschont wirst?

„Ich glaube, daß es nahtlos ineinander übergehen wird. Ich kann nur daran arbeiten. Mir ist Gott und danach der Mensch als seine Schöpfung heilig. Und bevor ich irgendwelchen Tieren oder Ausländern Gutes tue, agiere ich lieber für Mannheim.“

Sieh an: Xavier, der Rassist?

„Ja. Aber ein Rassist ohne Ansehen der Hautfarbe. Ich bin nicht mehr Rassist als jeder Japaner das auch ist.“

Ist ein Amerikaner weniger wert als ein Mannheimer?

„Natürlich nicht. Aber ich muß als erstes sagen: Bevor ihr uns diktiert, was wir zu tun haben, hört erst mal auf, uns mit eurer Musik zuzuscheißen. Alles ist amerikanisiert. Da muß ich doch wie ein Gallier dagegen angehen, gegen diese blinde Verherrlichung Amerikas. Gegen die Art, wie Amerika mit der Welt umgeht. Keine Demut, keine Achtung. Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein. Und als Schwarzer kann ich das ohne irgendwelche Hintergedanken sagen. Wie würden sich die Mannheimer fühlen, wenn ich plötzlich nach Monaco ziehe und dort meine Steuern zahle?“

Immerhin bekommst du dein Geld von einem japanischen Plattenkonzern.

„Deshalb will ich ja einen eigenen Vertrieb für meine Platten aufbauen. Für alles, was meine eigene Firma „Die Söhne Mannheims“ herausbringt. Ich werde besser sein als jeder Vertrieb, den das Label 3p jemals hatte. Keiner kann gegen uns angehen. Wir werden gegen die größten Konzerne der Welt bestehen.“

Und wann wirst du – wie angekündigt – Geld an Bedürftige verteilen? Sieh’mal: Hier ist mein letzter Kontoauszug. Raus mit dem Scheck!

„Wenn das mit den Milliarden geklappt hat, reden wir noch mal drüber. Was ich sagen will: Ich will Arbeitsplätze in Mannheim schaffen. Alleine um zu zeigen, wie unwichtig Geld überhaupt ist. Ich bin ja nur aufgrund meines Glaubens reich geworden. Ich finde es einfach zum Kotzen, wenn jetzt etliche Firmen aus dem Land flüchten und die Arbeiter, die jahrelang zu den Produkten deutscher Firmen gestanden haben, so zu bescheißen. Ich will Mannheim zu einer florierenden Stadt machen, ohne Arbeitslose, ohne Obdachlose.“

Dann konntest du ja langsam mal zumindest im Kleinen anfangen?

„Natürlich, aber es wäre falsch, das an die große Glocke zu hängen. Wir machen einiges – wir versteigern zum Beispiel die ganzen Preise, die mir verliehen werden.“

Auch den „Echo“, den du nicht selbst in Empfang nehmen wolltest?

„Ich kann einfach nicht zu solchen Symbolen stehen, zu diesem Goldenen Kalb. Da bin ich lieber vorsichtig und verhindere, mit meinen Händen diese Götzen des Erfolges zu berühren. Ein einziges Mal war ich bei einer Goldverleihung. Ich hatte das Gefühl, mir würden die Hände abfallen. Noch heute läuft mir beim Gedanken daran ein kalter Schauer über den Rücken.“

Sonst hast du keine Probleme?

„Doch! Noch wichtiger ist, daß der Sabbat nicht mehr heilig ist. Alle Welt – außer den Juden – feiert ihn am Sonntag, aber es ist der Samstag.“

Na und? Gott wollte doch sicher nur, daß wir ihn an einem der sieben Tage ehren?

„Wie konnte das verrutschen? Wie konnte man den Tag verlegen? Wenn Gott den Samstag wollte, soll man auch den Samstag ehren. Er will doch nicht vieles. Wenn unsere Bänder am Samstag statt am Sonntag stillstehen würden, dann – das schwör‘ ich dir würde auf einmal ruck zuck alles besser werden.“

Und was macht Xavier Naidoo an den Samstagen? Die Autos waschen?

„Natürlich nicht. Weil aber meine Arbeit darin besteht – da berufe ich mich auf Jesus – diese Sache zu verkünden, mache ich diese Arbeit, wenn es sein muß, auch am Samstag.“

Bist du rund um die Uhr Prediger?

„Nein. Ich werde nur dann zu diesem Feuer- und Flamme-Typ, wenn man mich auf dieses Thema anspricht. Darüber hadere ich seit sieben Jahren mit mir. Darf ich das, reflektiert es mein Leben? Vor Gott habe ich jeden Tag wieder Angst. Ich will ja auch keine Institution für Glaubensfragen werden.“

Nimmt dich eigentlich dein Label-Chef Moses Pelham ernst?

„Ich bin mir sicher, daß auch hier bei 3p und bei der Plattenfirma immer wieder Zweifel herrschen. Doch schon bevor ich meine erste Platte veröffentlichte, wußte ich: Die muß in die Millionen gehen, sonst bin ich unzufrieden. Jetzt stehen wir bei über 700.000 – und ich bin unzufrieden.“

Wann hast du eigentlich zum letzen Mal gelacht?

„Vorhin. Ich lache eigentlich die ganze Zeit. Auf dein Konto bringt dir Weinen natürlich mehr. Jeder arme, geknechtete Mensch hat mehr Chancen auf das Heil als ein Reicher. Und außerdem lachen wir doch meist auf Kosten anderer.“

Zum Beispiel auf Kosten deiner Freundin. Wenn du von „Liebe“ singst, meinst du fast immer die Liebe zu Gott. Wird deine Freundin nicht manchmal eifersüchtig auf den Herrn?

„Nun ja, es ist ja auch immer wieder mal ein Titel für sie dabei.“

Teilt sie die deinen Glauben?

„Da bin ich sehr rigoros. Ich würde sogar meine Mutter stehen lassen. Alle. Meine Freundin fragt sich sicher jedes Jahr, ob sie mit so einem Typen zusammen sein muß. Wenn ich von meiner Arbeit nach Hause komme, ziehe ich mich zurück. Andere Leute würden dann mit ihrer Freundin ins Bett gehen. Ich bleibe im Wohnzimmer sitzen und lese in der Bibel. Und in solchen Momenten darf man mich nicht stören. Da kann man mich nicht fragen, ob ich irgendeine Überweisung getätigt habe.“

Prangerst du es an, wenn ein Mensch einen anderen körperlich verletzt? Beispiel: Moses brach Stefan Raabs Nasenbein?

„Ich prügel mich auch rum. Aber ich hatte bislang keine Streiterei, nach der ich meinem Gegenüber nicht wieder hinterher die Hand reichen konnte. Als Kind waren mir viele andere Kinder rhetorisch unterlegen. Aber ich bereue wenigstens, daß ich sie niederdiskutiert habe. Jeder erntet das, was er sät. Das erging auch Moses nicht anders.“

Aber im Gegensatz zu ihm erntest du schlimmste Magenprobleme, Krämpfe und Schmerzen. Manchmal, wenn du vor einem Mikrofon stehst, weiß man nicht: singt er nun – oder hat er wieder einen bösen Magenkrampf?

„Kein Mensch kann sich vorstellen, welche Schmerzen ich auf der Bühne habe. Ein Gefühl, als hätte ich Hodenkrebs. In Hotels gibt es manchmal keinen Platz mehr, an den ich mich hinlegen kann, weil ich vor Schmerzen alles naßgeschwitzt habe.“

Und was sagen die Ärzte?

„Ich gehe nicht zu Ärzten. Nicht mehr. Ich weiß, daß es kein Krebs, sondern die Pilzkrankheit Candidose ist. Ich weiß, was ich nicht essen darf. Ich weiß, daß ich eigentlich nur Wasser trinken darf. Ich schrecke nicht zurück vor Leid. Ich lese oft in der Bibel, daß es besser ist zu weinen als zu lachen. Vielleicht ist es in einem Jahr alles vorbei. Wenn mein Glaube Berge versetzen kann, werde ich vielleicht nie wieder krank. Es ist mein krankes Hirn, das mir sagt: „Halte die Schmerzen aus.““