Yello


„Schade, daß es schon vorbei ist. So was könnte ich stundenlang machen.“ Synthi-Zauberer Boris Blank lehnt sich nach getaner Arbeit zufrieden zurück. Dabei war es wieder einmal Dieter Meier, Sänger und Hansdampf der Schweizer Gruppe, der zu 90 Prozent das Sprechen besorgte. Beide hatten sich bei einem Blitzbesuch in München dem berüchtigten Blind Date unterzogen; gleich danach ging’s wieder zurück ins Land der glücklichen Kühe. Arbeit gibt’s nämlich dort mehr als genug: Neben dem Endspurt für die eigene LP muß man sich entscheiden, ob man das ehrenvolle Angebot annimmt und die kommende Grace Jones-LP produziert. Chris Blackwell, Grace Jones-Mentor und Chef des Island-Labels, hat jedenfalls große Pläne mit den beiden…

DÖF: „Love Me“

Boris: „Das ist doch Michel Polnareff! Zumindest die Nummer ist von ihm“ – Dieter: „Ich steh da nicht drauf, weil da so eine Überheblichkeit drinsteckt. Wenn Intellektuelle einen Song covern, in dem es um ‚ursprüngliche Gefühle‘ geht, dann bekommt das gleich einen zynischen Beigeschmack. Für mich ist das ein ungesunder Zynismus, wenn man etwas sagt – am Schluß dann aber augenzwinkernd anfügt: ‚don’t really mean it‘. Nein, steh ich nicht drauf.“

Re-Flex: „The Politics Of Dancing“

„Klingt wie eine Martin-Rushent-Produktion, diese großen und langweiligen Echos aus der englischen Pop-Tradition. Kannst du auch gleich weitermachen, geistlose Musik. Wobei ich geistlose Musik gelegentlich durchaus gern habe! Aber wenn man – wie jetzt – konzentriert zuhören will, kann ich nur mit Karl Kraus sagen: ‚Dazu fällt mir nichts ein‘ „

Laurie Anderson: „Excellent Birds“

„Von der Stimmung her klingt das wie Laurie Anderson. Da steckt eine unheimliche Liebe zum Detail drin. Es ist Laurie Anderson? Ich muß gestehen, daß ich noch nie eine Platte von ihr gehört habe, nur das Video von ,Oh Superman‘. Die Nummer hier hat einen unwahrscheinlich lieben Charme, das hat Gefühl; die meint das, die macht das, es lebt. Finde ich toll.“

George Clinton: „Nubian Nut“

„Das klingt wie eine TV-Anzeige für Turnschuhe auf einer New Yorker Fernsehstation. Die rappen nämlich inzwischen viele Anzeigen. Ein Rap-Rip-Off. Scratchen und Rappen ist so gut oder schlecht wie eine Violine gut oder schlecht ist. Alle diese Rap-Epigonen sind auf einen furchtbar cleanen, polierten Sound aus. Wenn man dagegen früher Afrika Bambaataa sah, wie er mit seinem Riesen-Arsch den Takt angab… Das war unheimlich originale Musik – das hier ist nur noch Abklatsch. George Clinton? Nun, der kommt ja eigentlich aus einer anderen Ecke. Er schwimmt auf dem falschen Dampfer.“

Arno Steffen: „Supergut, ne?“

„Wer ist das, die Einstürzenden Vasen? Das ist wieder so ein Scratch-Rip-Off, eine Mickey-Mouse-Verarschung eines interessanten Kultur-Phänomens. Und das mag ich überhaupt nicht. Das steht für mich in der Tradition der deutschen Blödel-Barden, die ein musikalisches Phänomen übernehmen und das dann Mickey-Mouse-mäßig verarschen. Das ist für mich unter dem Niveau eines deutschen Provinz-Cabarets. Willst du uns hier auf die deutsche Scholle festnageln? Absolut uninteressant. Kannste weitermachen.“

Swansway: „Soul Train“

„Gefällt mir auf Anhieb. Der Sänger hat eine unheimliche Inbrunst in der Stimme. Der Schrei nach dem Weibe. Eine zurückgelehnte Hysterie. Auch eine gute Produktion, nicht so ausgelutscht. Tut mal was für diese Gruppe!“

Double: „Rangoon Moon“

Bons: „Das sind doch unsere Jungs aus der Schweiz!“ – Dieter: „Troppo hieß die Gruppe früher; sie war ihrer Zeit um Jahre voraus. Das ist neben Laurie Anderson der interessanteste Track: Alle sehr minimal, auf die einzelnen Sounds wird viel Wert gelegt – allenfalls die Phrasierung der Stimme gefällt mir nicht. Könnte ein guter Popsong sein.“ – Boris: „Es wird ganz schön geflirtet, geht aber dann doch nicht zur Sache.“

Debbie Harry: „Rush Rush“

„Diesen Anfang hat man genau schon 8359mal gehört. Solche Musik müßten eigentlich Fünfjährige machen. Seelenlos. 08/15.“ – Boris: „Nun warte doch mal ab, es hat doch gerade erst angefangen!“ – Dieter: „Die Stimme kommt mir bekannt vor… Donna Summer? Debbie Harry?! Dann ist das wohl eine Giorgio-Moroder-Produktion. Er versucht halt immer wieder, Leute und Stimmen zu finden, die er mit seinen kalten Sounds kombinieren kann. Manchmal klappt das, manchmal ist dieser Kontrast interessant zwischen einer leblosen Musik und einer lebenden Stimme. Ich finde diese Stimme hier nicht mal schlecht, aber die Produktion… Giorgio sollte im Prinzip ja nichts anderes machen; das ist in seiner Art absolut perfekt. Aber es ist halt so, als ob du auf einer großen Schiene durch die Wüste Nevadas fährst.“

Style Council: „My Ever Changing Moods“

„Oha, hier kommt die fröhliche Karibik. Das kleine Fischerdorf am Meer. Dr. Tigges. Das ist für mich tote Fröhlichkeit, vorgetäuschte ,Happy Music‘. Die Fröhlichkeit wurde im Studio eingefroren. Keine Seele mehr drin. Zuviel Nebel in der Karibik.“