Zukunftsmusik


Der Ton macht die Musik. Nicht so bei Coldcut Das Duo setzt auf multimediale Möglichkeiten.

Der Weg zur Freiheit ist lang. Vor allem, wenn er Mitte der ‚8oer begann, inmitten einer Pop- und Disco-Kultur, die alternative Ansätze noch gar nicht kannte. In dieser Ödnis produzierten der Kunstlehrer Jonathan Moore und der studierte Biochemiker Matt Black kluge Pop-Musik, brachten Lisa Stansfield und Yazz in den Charts-Himmel und erarbeiteten sich selbst ein schönes Stück vom Kuchen mit „What’s That Noise“, ihrer ersten LP unter dem Namen Coldcut. Doch irgendwann war das Potential der Künstler, die vor zwölf Jahren mit „Say Kids,WhatTime Is If’durch den Einsatz von Sampling-Technolgie die Musikgeschichte verändert hatten, zu groß für ihre Plattenfirma. So nutzten die versierten Produzenten über lange Zeit ihren noch laufenden Deal, um langsam ihr eigenes Label zu starten, bis sich 1993 die Wege von Coldcut und der Industrie offiziell trennten. In den davorliegenden vier Jahren erschien auf Ninja Tunes, so der Name des Labels, eine bemerkenswerte Serie unter dem Namen Jazz Brakes“, die die Welt zum erstenmal mit jenen instrumentalen HipHop-Experimenten konfrontierte, die einige Zeit später das Genre „Trip-Hop“ begründen sollten.

Wie bei einem anderen namhaften Duo der poppigen Elektronik, den Pet Shop Boys, gibt es auch bei Coldcut eine festgelegte Rollenverteilung. Jonathan, der Mann mit Bartstoppeln und Raver-Hut, fördert den Club-Aspekt, ist musikalisch up to date. Matt dagegen obliegt es, die visionäre, technische Seite voranzutreiben. So erscheint „Let Us Play“ praktisch in einer Jon & Matt-Ausführung: eine Doppel-CD mit einem normalen Audio-Träger und einer CD voller Videos, Spiele, Informationen und interaktiver Möglichkeiten,selbst Musik zu formen.“Ich bin nicht besonders interessiert an Dance-Music“, bestätigt Matt. Jungle,Techno, TripHop – das alles gibt mir nichts. Ich möchte meinen Horizont erweitern, Audio und Video miteinander kombinieren, künstliche Intelligenz reinbringen, Komplexitäts-Theorie, State-Of-The-Art-Computergrafik, Real-Time-Bilder, interaktives Zeug, das Internet, algorithmische Musik-Komposition, alternative Performance-Techniken wie MIDI-Handschuhe – das sind Interessensgebiete für mich, und davon ist nicht viel zu spüren in der Club-Kultur.“ Damit das anders, wird gibt es Ninja Tunes.