Zukunftsmusik


Das Internet gilt weiterhin als der Motor der New Economy, ungeheure Geldsummen werden investiert, um diese neue Infrastruktur weiter auszubauen und profitabel zu machen. So schwierig es ist, eine klare Prognose zu stellen - drei Faktoren spielen derzeit eine wichtige Rolle.

Das größte Problem vor allem für Musikliebhaber in Deutschland ist die noch zu geringe I Bandbreite. Selbst per ISDN dauert es 10 bis 15 Minuten, um einen mp3-Song runterzuladen – bei den derzeitigen Telefon- und Internetgebühren ein relativ teurer Spaß, selbst wenn der Track an sich kostenlos (oder eine illegale Raubkopie) ist. Durch die dominierende Position der Telekom im deutschen Markt wird es erst allmählich eine Annäherung an den Idealzustand geben: Internet 24 Stunden pro Tag, sieben Tage pro Woche kostenlos. In den USA sieht das anders aus, dort sindTi-Leitungen auf dem Vormarsch, die mp3-Downloads in Echtzeit (also auch mp3-Radio in annähernder CD-Qualität) ermöglichen. Telefonkosten fallen dort schon seit Jahren keine an. Europa hingegen ist Vorreiter bei der mobilen Kommunikation, und es sieht ganz so aus, als würde eine ausreichende Bandbreite eher über die neuen UMTS-Frequenzen für Handys als über das Festnetz zur Verfügung stehen. Aus diesen lokalen Unterschieden ergeben sich unterschiedliche Konstellation kommerzieller Partner, deren Vision aber meist recht ähnlich sein dürfte. Monsterfusionen wie die zwischen AOL und Time Warner oder Vivendi und Seagram haben nur ein Ziel: Den Internetbenutzer aus der freien Wildbahn des WWW in ein mediales Disneyland (Disney gilt übrigens als einer der heißesten noch zu habenden Content-Lieferanten für liquide Big Player im Internet) zu locken. Das sieht dann so aus: Der Musikfreund mit AOL-Account findet sich nach dem Einloggen (sei es vom Computer, seiner Settop-Box am TV oder seiner vernetzten Hifi-Anlage aus) auf seiner personalisierten Startseite. Sein Musikgeschmack ist bekannt, entsprechend ausgewählte Songs werden ihm gestreamt, was ihn besonders interessiert, kann er direkt ordern – als Datei oder als klassische CD, über den angegliederten Online-Shop direkt zustellbar. Abgerechnet wird über das AOL-Konto, lästige Eingaben von Kreditkartennummern entfallen. Unterwegs tritt das WAP-Handy auf den Plan, das natürlich auch als Musik-Player oder tragbares Internetradio nutzbar ist.

Dieser lukrativen Vision, die natürlich auch Fernsehen und sonstige Entertainment-Funktionen umfasst, stehen neben dem in absehbarer Zeit sicher lösbaren Bandbreitenproblem zwei weitere Hindernisse im Weg. Da ist zu einem die Frage des Copyrights bzw. die Problematik, die potenziell unendlich oft verlustfrei kopierbaren digitalen Daten zu schützen. MP3, das völlig ohne Kopierschutz daher kommt, ist allein aus diesem Grund der Musikindustrie ein Dorn im Auge. Ein hundertprozentig zuverlässiger Kopierschutz indes scheint beinahe unmöglich – das Fiasko um die Verschlüsselung von DVDs, die in kürzester Zeit gecrackt war, steckt allen Beteiligten noch in den Knochen. Relativ sicher wäre nur die feste Bindung der Daten an ein einziges Gerät, wie es derzeit mit den eBooks (elektronischen Büchern) praktiziert wird. Ein solches Verfahren wird aber nur schwer durchzusetzen sein, denn wer will schon seine Musik nur auf einem einzigen Gerät abspielen können? Vor allem kommt hier-neben den neuen Internet-und Medien-Giganten -eine dritte Kraft ins Spiel: Die Hardware-Hersteller, die in der Regel kein Interesse daran haben, dass ihre Geräte in der Nutzung eingeschränkt sind. Der klassische Fall ist Philips, die sich als Erfinder der CD immer gweigert haben, dem Standard eine Möglichkeit zur Implementierung eines Kopierschutzes hinzuzufügen.

Das letzte große Hindernis auf dem Weg zur totalen Kommerzialisierung des Internets ist das Internet selbst. Rein technisch handelt es sich ja um nicht mehr als eine ganze Menge vernetzter Rechner und ein Protokoll, über das sie miteinander kommunizieren können. Die traditionelle Anarchie, die in diesem Medium zu ganz eigenen Ordnungsprinzipien geführt hat, wird sich nicht ohne weiteres im Sinn der Konzerne abschaffen lassen. Schon heute wirkt der Kampf der Musikindustrie gegen Napster 81 Co. wie der Don Quichottes gegen die Windmühlen, gibt es doch mit GNUtella oder dem Freenet dezentralisierte, verteilte Netzwerke, die auf der Infrastruktur des klassischen Internets aufsetzen und im Idealfall eine weitgehend anonyme und vollkommen unkontrollierbare Kommunikation zwischen den Teilnehmern ermöglichen – den Tausch von Musikdateien (sei es mp3 oder das in Entwicklung befindliche völlig patentfreie Komprimierungsformat ogg vorbis) natürlich eingeschlossen.