Zum 1. Todestag: Arte zeigt George Michaels „Freedom“-Doku im TV und als Stream
Bei der Doku „Freedom: George Michael“ führte ihr Hauptdarsteller selbst Regie. Das ist leider das größte Problem des Films.
Zuerst die Fakten: „1988 hat kein Künstler mehr Tonträger verkauft als George Michael. Dies ist die Geschichte, wie Ruhm und Tragik sein Leben für immer verändert haben.“ Das kündigt eine Stimme aus dem Off an, während Michael selbst an einer Schreibmaschine sitzt. So beginnt die Dokumentation „Freedom: George Michael“, die kurz nach seinem Tod am 25. Dezember 2016 fertiggestellt wurde und bei der Michael selbst Regie führte. Sie ist stellenweise sehr persönlich, etwa wenn Michael sich an seinen Lebensgefährten Anselmo Feleppa erinnert, den er vor seiner Familie verschwieg und der 1993 an Aids starb. Leider aber bleibt „Freedom: George Michael“ aus eben dieser Personalunion zu distanzlos und unkritisch, um viel mehr als ein kommentierter und lückenhafter Zusammenschnitt seiner Karriere zu sein.
Versklavt von der Plattenfirma
In „Freedom: George Michael“ wird dem Zuschauer über Michaels Karriere und Privatleben zumeist das serviert, was hinlänglich bekannt sein dürfte und so ähnlich, ohne Bild und Ton, auch ein Wikipedia-Eintrag sein könnte: George Michael, der als Teenager mit seinem Kumpel Andrew Ridgeley eine „shitty“ Skaband namens The Executive und danach die extrem erfolgreiche Boyband Wham! gründete. George Michael, der fünf Jahre später eine Solokarriere einschlug, sich als ernstzunehmender Musiker etablierte, schließlich zu einem der größten Popstars der Welt aufstieg und genau das wollte: Erfolg. George Michael, der sich auf seinen Soloalben stets neu erfand und gegen seine damalige Plattenfirma Sony vor Gericht zog, weil er sich als Künstler dort versklavt fühlte. George Michael, der seine Homosexualität erstmals auf OLDER (1996) thematisierte, aber bis 1998 nicht öffentlich bestätigte.
Dass „Freedom: George Michael“ nichts von Michaels letzten Tagen, Monaten und Jahren vor seinem Tod enthält, liegt in der Natur der Entstehungsphase und Produktion: Erstens nahm Michael immer wieder Drogen und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich, dazu sorgte er immer seltener musikalisch für Schlagzeilen. Zweitens wusste aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mal George Michael selbst, dass er bald sterben würde. Und selbst wenn: Wer würde schon als Nachlass einen ansonsten so lobpreisenden Film über sich drehen wollen, der damit enden würde, dass die besten Tage des Superstars wohl hinter ihm liegen?
Fans dürften in „Freedom: George Michael“ trotzdem oder gerade deswegen nicht viel Neues erfahren, Michaels Status und Integrität hingegen wird unterstrichen. Lebendig wird die Doku durch Archivaufnahmen, etwa von seinem Auftritt mit Queen in Gedenken an Freddie Mercury, durch Privatfotos und durch zahlreiche Kommentare von Michaels Weggefährten: Zu Wort kommen unter anderem Michaels Held Stevie Wonder, Elton John, Ricky Gervais, Nile Rodgers, Mark Ronson, Tracey Emin, Liam Gallagher, Mary J. Blige, Jean Paul Gaultier, James Corden, Tony Bennett und all die Supermodels, die er 1990 in seinem Video zu „Freedom! ’90“ versammelte.
Ganz schräg ist leider das Intro und Outro von „Freedom: George Michael“: Kate Moss wendet sich in einem Drehstuhl lasziv der Kamera zu und ordnet ein, dass Michael kurz vor Fertigstellung seines Films starb. Sie tut das so gestelzt und unbeholfen, als ob es beim Casting von „Inspector Gadget“ nicht für die Rolle des Dr. Kralle gereicht hätte und sie in Zukunft „True Crime“-Sendungen moderieren möchte.
Der Film endet mit einer Frage: „Wie soll man sich an sie erinnern?“
George Michael: „Sie meinen, was auf meinem Grabstein stehen soll?“
„Soweit wollen wir nicht gehen. Welches Erbe soll mit Ihrem Namen verbunden sein?“
George Michael: „Großartiger Songwriter… Erstens ein großer Sänger und Songwriter aus einer Zeit, die wir wohl nicht wieder erleben werden. Ich glaube nicht, dass die Jugendkultur auch künftig Menschen wie mich, Madonna und Prince hervorbringen wird. Das wird wohl nicht mehr passieren, denn sie ist so zersplittert. Man soll sich an mich erinnern als einen der letzten großen Stars mit einem gewissen Glamour. Aber eigentlich geht es mir nur um die Songs. Ich hoffe, die Leute sehen mich als jemanden mit einer gewissen Integrität. Sonst wäre alles verschwendete Zeit gewesen, vergeudete Mühe.“