Zurück zur Natur: Paul Weller singt postmoderne Landlieder
BERLIN. Weller hat, von The Jam bis zum Style Council, alle Stadien der Hipness durchschritten und überwunden. Jetzt ist er nur noch er selbst, einer der besten Songwriter Englands. Seit dem Ende des Style Councils schlingert Weller ein wenig, hat aber an Größe nur gewonnen, wie der furiose Auftritt vor einer halbvollen Halle bewies.
Die Band: cool, geschmackvoll, in bester Style-Council-Tradition. Eine auf vier Musiker beschränkte Standard-Besetzung unterstützt den Sänger, keine Bläser, kein Background-Gesang. Musikalisch schwanken die ersten Stücke zwischen späten Jam und dem Folk des letzten Albums „Wild Wood“. Er singt Rock-Nummern wie „Sunflower“ zwar irgendwie wütend und aggressiv – aber so richtig böse wollte diese Stimme ja noch nie klingen. Es ist immer Understatement im Spiel, auch bei wehmütigen Balladen wie „Wild Wood“ oder „Remember How We Started“. Wo solche Akkordfolgen fließen, kann die Botschaft so hoffnungslos nicht sein: Wellers Melancholie richtet sich, anders als bei anderen Sängern aus der New-Wave-Zeit, niemals gegen sich selbst.
Wer Stil mit soviel Bewußtheit behandelt, covert auch nicht ohne Hintersinn. Am Ende eines Stückes beginnt Weller auf einmal zu grinsen und singt tatsächlich „The Magic Bus“ – eine Reminiszenz an die Who. als deren Erben ja die Jam immer mißverstanden wurden. Ein wenig später dann ein weiterer Tribut an die 60er Jahre, eine Zeit, in der Weller sich immer wohler fühlt. Aus dem Traffic-Hit „Feelin“ Alright“ holt er das heraus, was Joe Cocker dringelassen hat: Soul, Euphorie, Swing. Weit und breit nicht zu hören sind nennenswerte Anklänge an die eigene Vergangenheit. Es ist Weller wohl lieber, mit seinen privaten Landliedern ein kleines Publikum zu erreichen, als mit Eigenplagiaten ein großes. Solange der große Stilist so leidenschaftlich um Orientierung kämpft wie an diesem Abend, sei ihm alles erlaubt.