5 Fragen an Sarah Kuttner


Vor zwei Wochen war "Schluss mit „Kuttner" bei MTV. Die Moderatorin über das Ende ihrer Sendung und ihre Lesetour im Herbst.

1. Am 3. August ist zum letzten Mal „Kuttner“ auf MTV gelaufen. Wie hast du reagiert, als sie dir mitgeteilt haben, dass die Sendung abgesetzt wird?

Als ich von der Absetzung erfahren habe, war ich schon erschrocken, aber noch nicht so emotional eingebunden wie in den Tagen vor der letzten Sendung. Da stiegen mir schon das eine oder andere Mal die Tränchen in die Augen. Auch wegen der ganzen Leute, mit denen ich zusammengearbeitet und die ich lieb gewonnen habe. An dem Tag, als die Absetzung bekannt gegeben wurde, haben wir alle sofort die Arbeit niedergelegt. Um zwei Uhr nachmittags sind wir Eis essen gegangen, haben uns einen Grill gekauft und sind bis zehn Uhr abends im Park rumgelegen. Wir haben auch sofort angefangen, fiese, schlimme Witze über uns und unsere anstehende Arbeitslosigkeit zu machen. Es war lustig und nett und sehr intim, aber eben auch eigenartig, weil zu diesem Zeitpunkt wirklich keiner damit gerechnet hatte. Ich bin auch in der Zwischenzeit Fan von meiner Zielgruppe geworden, von all diesen schluffigen Chucks-Trägern und den Ringelshirt-Mädchen und den Stern-Tattoo-Leuten.

Das sind alles schlaue junge Menschen. Ich mag die gern, ich möchte gerne für die Fernsehen machen.

2. Was waren die offiziellen Gründe für die Absetzung deiner Show?

Die offizielle Sprachregelung bei MTV war: „Wir hatten alle Lust auf was Neues.“ Aber das stimmt nicht, ich hatte keine Lust auf was Neues. Ich bin mir sicher, dass die auch keine Lust auf was Neues hatten, aber die Sendung war einfach zu teuer für MTV. Die haben einen bestimmten Etat zur Verfügung, und dann müssen sie sich entscheiden, ob sie mich absägen oder zum Beispiel die News. Und da kann ich schon verstehen, dass sie nicht die News absägen. Die Quote war okay. Aber das muss man ja alles im Verhältnis sehen zu „Pimp My Dingsbums“ und zu den „South Park“-Wiederholungen. Im Verhältnis dazu war unsere Quote nicht so gut, und im Verhältnis zu dem Geld, was die Sendung gekostet hat, augenscheinlich auch nicht. Gegen Ende haben auf einmal wieder seh weineviel Leute zugesehen. Das ist so Katastrophentourismus, die wollten einem beim Sterben zusehen.

3. Du hast einem gesichtslosen Fernsehsender ein Gesicht gegeben. Mit der Absetzung deiner Show trägt MTV zu einer weiteren Anonymisierung des Programms bei. Ich finde, dass sich MTV einen Luxus wie meine Sendung leisten sollte, weil sie ja auch durchaus positives Feedback für den Sender gebracht hat. Wie gesagt, wirtschaftlich gesehen verstehe ich das schon. MTV ist in einem schwierigen Umorientierungsprozess, der übrigens auf musikalischer Ebene ganz gut gelingt. Es ist durchaus erleichternd zu sehen, dass etwa die Kaiser Chiefs im Tagesprogramm laufen. Musikalisch ist das teilweise wirklich gut, was da läuft, nur gibt es eben nicht mehr so viel davon. MTV hat sicher enorme Kosten durch die Zusammenlegung mit VIVA, dann haben sie noch den Kindersender Nick aus dem Boden gestampft. Ich finde nur, dass man sich den Luxus, den meine Sendung offensichtlich darstellt, leisten muss. Fürs Image.

5 Im März ist das Buch „Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens“mit deinen Kolumnen für den MUSIKEXPRESS und die „Süddeutsche Zeitung“erschienen.

Du warst im Frühjahr schon auf Lese tour und gehst im Herbst wieder. Wie hast du dich bei deiner allerersten Lesung gefühlt?

Ich war schon aufgeregt, aber eher freudig-erregt. Nicht so prüfungsmäßig aufgeregt, sondern eher so wie vor Weihnachten. Die erste Lesung fand in Leipzig statt, da kamen gleich 400 Leute. Die Zuhörer bei den Lesungen reagieren viel direkter als das Publikum im Fernsehstudio. Auf der Tour lese ich auch nicht nur, es werden auch Einspieler aus der Sendung gezeigt, und es werden Zettel verteilt, auf die die Zuschauer eine Frage an mich schreiben dürfen. Ich finde es immer schön, wenn die Leute ernsthaft Fragen stellen, es sind aber auch viele Quatschfragen dabei wie „Gehst du heute abend mit mir aus?“ Ich filtere keine Fragen. Ich muss mit allem, was kommt, leben und darauf antworten. Die Leute haben die Chance, mir eine Frage zu stellen, aber nur ganz wenige nutzen das für etwas Schlaues.

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