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Back for very good: Das sind die 50 besten Comeback-Alben


Von Blur über Aphex Twin bis John Cale: Wir teilen mit euch 50 großartige Comeback-Alben.

MY FATHER WILL GUIDE ME UP A ROPE TO THE SKY
2010

Dass das hier ein Swans-Album war, werden auch die Anhänger:innen der frühen von Doom Metal und NO NEW YORK informierten Detonationen von Michael Gira und seinem Lower-East-Side-Ensemble aus den Achtzigern erkannt haben. Aber MY FATHER … markierte dann doch wieder einen Tonspurwechsel im Horrorfilm, den die Swans aufzulegen wussten, wenn deren Chef dazu bereit war. Sie spielten dieses Comeback-Album im Geiste einer Blues-Band ein. Und Blues nach Michael Gira im Jahre des Herrn 2010 brachte eine exzessive Auseinandersetzung mit dem Guten und dem Bösen mit sich, nunmehr in einem etwas traditionelleren Rahmen angelegt. Eine Platte, die die hymnischen und die aggressiven Momente von Nick Cave und den Bad Seeds durchaus in Erinnerung bringen konnte. Er habe den Koffer geöffnet, in dem er Bruder Dämon gefangen gehalten hatte, vermeldete Gira. (Frank Sawatzki)

 


Guns N’ Roses
CHINESE DEMOCRACY
2008

Als hätte er’s mit Absicht getan: Nach 15 Jahren des Wartens – 17, setzt man bei den zumindest mehrheitlich mit Originalmaterial gefüllten Zwillingsalben USE YOUR ILLUSION
an – verkam der longest running joke der Musikindustrie zum Rohrkrepierer: Statt der üblichen epischen Videos gab es kein einziges, noch nicht mal Singles wurden veröffentlicht. Axl Roses No-PR-Policy verhinderte eine Flut an Titelgeschichten. Das dramatisch herausgestellte Riff des titelgebenden Vorabsongs war lächerlich. So ging das ehemals meisterwartete Album der Rockgeschichte an der Welt vorbei. Was schade ist: Zwar ruinierte Roses Insistieren auf mittlerweile längst veraltete, Marilyn-Manson-artige Gimmicksounds das eigentlich großartige „Shackler’s Revenge“, doch Songs wie „Prostitute“ und „Madagascar“, so überkandidelt sie auch sein mögen, konnten es locker mit Klassikern wie „Estranged“ aufnehmen. (Stephan Rehm Rozanes)

 

 


Gil Scott-Heron
I’M NEW HERE
2010

No more smoothness: Scott-Herons Stimme reibt sich an den Stücken auf, zieht an der seidenhaften Produktion Fäden. Der Rap-Urvater erlaubt uns mit seiner ersten Platte nach 16 Jahren keinen sanften Einstieg, er rotzt 29 Minuten Schwere, die nur spärlich mit Instrumentierung bekleidet wird. Der Spoken-Word-Crooner weiß, wie ungemütlich er es uns mit seinen kratzigen Selbstreflexionen macht. Der Könner in seinem Element – der Albumtitel bloß nicht wörtlich zu verstehen. Und doch musste erst Produzent und XL-Recordings-Chef Richard Russell bis ins New Yorker Gefängnis reisen, um den dort wegen Drogenmissbrauchs sitzenden Scott-Heron zu überzeugen, mit seinem Support neue Stücke in Albumform zu hüllen. Herausgekommen ist eine düster-schöne Einbettung der intimen Storys in eine frische, jedoch reduzierte Produktionsweise. Es sollte das letzte Werk des großen Poeten werden. (Hella Wittenberg)

 


Idris Ackamoor & The Pyramids
OTHERWORLDLY
2012

OTHERWORLDLY – auch so ein Lieblingswort der internationalen Schallplattenkritik, wenn es um schwer einsortierbare, irgendwie futuristische Musik geht. Die Beschreibung passte schon nicht schlecht auf die Urversion der Pyramids, die der US-Saxofonist Idris Ackamoor in den 1970ern anführte. Die Band hatte mit Auftritten und produktiven Perioden in Ghana, Kenia und Äthiopien auch Wurzeln im Afro-Jazz geschlagen und trug die Beat-Entdeckungen dieser Reisen in ihre geografische Heimat. Wo die Seele dieser Musik ihr Zuhause hatte, davon kündete dieses Comeback-Album 2011, nachdem die drei Longplayer aus den Seventies wiederveröffentlicht worden waren. Die Pyramids setzten ihre spirituellen World-Jazz-Erkundungen mit psychedelischem Feuerzauber fort. OTHERWORLDLY entstand übrigens im Studio der Krautrocker von Faust, und auch das passte wieder. (Frank Sawatzki)

 


Dexys
ONE DAY I’M GOING TO SOAR
2012

Mit Blut an den Lippen wollen sich Kevin Rowlands Soul Rebels 1980 ihre Vision einer radikalen Popmusik erspielt haben, so geht jedenfalls die Geschichte. Sie war so gut, dass Dexys Midnight Runners zu Lieblingen der etwas heimatlosen Punk-Gemeinde werden durften, um zwei Jahre später einen internationalen Partygassenhauser im latzhosigen Celtic-Soul-Stil rauszuhauen, „Come On Eileen“. 1987 löste die Band sich auf. Dieses Dexys-Comeback 25 Jahre später folgte einem weiteren, mit heißem Herzen gestrickten Bekenntnis: Er glaube an die Macht der Liebe, aber wisse doch so gar nichts von ihr, so Rowland. Radikales Ehrlichmachen traf auf gediegenen Streicherpop, der reflektierte Liedermacher hatte Hut und feines Tuch gegen die Frauenkleider aus der Phase davor eingetauscht. Dexys waren wieder da, mit Schmerzensmusik, die nicht mehr ganz ins Volle traf. (Frank Sawatzki)

 


Throwing Muses
URGATORY / PARADISE
2013

Man schrieb das Jahr 1981 und die Zeit war reif: Kristin Hersh und ihre Stiefschwester Tanya Donelly gründeten in der US-Provinz ihre erste Band, einen Plattenvertrag gab es allerdings nur fern der Heimat, beim britischen Label 4AD. Mal gemeinsam, mal getrennt, schrieben sie einige Kapitel Indie-Rock-Geschichte, doch 2003 war Schluss. Bis 2013, als Hersh – ohne Donelly – das Experiment PURGATORY / PARADISE wagte. Experiment deshalb, weil die 32 zwischen 28 Sekunden und knapp fünf Minuten langen Tracks als illustriertes Textbuch mit Download-Codes erschienen, eine Vinylausgabe wurde später nachgereicht. Benannt nach einer Kreuzung in Middletown, Rhode Island, oszilliert das ambitionierte Werk zwischen Rätselhaftigkeit und Zugänglichkeit. Im Anzapfen des Bewusstseinsstromes hatte es Hersh längst zur Meisterschaft gebracht. Interessantes Spätwerk. (Uwe Schleifenbaum)

 


David Bowie
THE NEXT DAY
2013

Die Vorabsingle „Where Are We Now?“ hatte es bereits leise angedeutet, wenig später meldet sich der ‚Thin White Duke‘ zehn Jahre nach REALITY auf dem Tonträgermarkt zurück. Mit dem Wissensstand von heute klingt THE NEXT DAY natürlich noch einmal ganz anders, 2013 jedoch ist die Freude über das Wiedersehen mit Bowie, der sich nach einer Herzattacke beim Hurricane-Festival 2004 aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, noch völlig ungetrübt. Tony Visconti ist, wie so oft in der Vergangenheit, der Mann an den Reglern, Songs wie „The Stars (Are Out Tonight)“ bieten originäre Bowie-Grandezza im Spannungsfeld zwischen gestern und heute, das Video mit Tilda Swinton ein lässiger Coup. Drei Jahre später würde BLACKSTAR die Geschichte Bowies weiterschreiben, der Schlusspunkt eines Unsterblichen, auch posthum noch ein konkurrenzloser Konzeptmeister. (Ingo Scheel)

 


My Bloody Valentine
MBV
2013

Obwohl es Kevin Shields immer wieder schafft, sich mithilfe der MBV-Liveauftritte den Titel als eine der lautesten Live-Bands abzuholen, war es nach dem 1991er Album LOVELESS viel zu lange still um seine Gruppe geworden. Und als kaum eine:r mit mehr als einem Running Gag rechnete, kam tatsächlich dieses Werk Nummer drei. Mit einem absolut simplen Titel, hinter dem aber dann auch so viel mehr steckte als nur eine weitere Platte. Ein Traumgebilde im Gewand sich überschlagender Experimentalwellen in Übergröße. Schummrig-flirrende Gitarrenläufe, zu denen sich der Gesang Shields über gedehnte Sehnsüchte entlangschob, als bräuchten weder die Stimme die Melodie noch andersherum. Obwohl ein Teil des Shoegaze-Meisterwerks kurz vor der Trennung der Band 1997 und der andere erst 2012 aufgenommen wurde, funktioniert es als absolut homogenes Gesamtstück. (Hella Wittenberg)

 


Black Sabbath
13
2013

Wer sonst hätte sich einer Reunion der IG Metall aus Birmingham annehmen können als der barfüßige Rauschebart und Alltime-Fan Rick Rubin: „Der Gedanke an etwas Neues von Black Sabbath, das das alte Fieber auslöst, war sehr aufregend“, sein Mindset zur Zusammenarbeit. Der Weg gerät steinig, das Ergebnis jedoch lohnt den Schweiß. „End Of The Beginning“ ist zäh wie Lava, „Loner“ und „Peace Of Mind“ haben den Groove der frühen Tage, „Damaged Soul“ und „Dear Father“ mäandern als kurvenreiche Epen. Die etwas eingerosteten Musiker – Iommi und Osbourne arbeiten zum ersten Mal seit NEVER SAY DIE (1978) wieder an einer gemeinsamen Platte – würden Rubins Anteil an der Produktion später in Frage stellen, Ozzy ächzte unter zahllosen Vocal-Takes, die Songs auf 13 jedoch sprechen für sich, ein Verdienst auch von RATM-Drummer Brad Wilk, der den Laden zusammenhält. (Ingo Scheel)

 


Suede
BLOODSPORTS
2013

Obwohl es aufregendere Alben aus den Comeback-Jahren der Briten gibt, allen voran THE BLUE HOUR von 2018, ist ihr erstes nach zehnjähriger Trennung dennoch erstaunlich: Nach einem seinem Namen widersprechend stumpfen (HEAD MUSIC, 1999) und einem miserablen Album (A NEW MORNING, 2002), vier kaum erinnerungswürdigen Solowerken von Chef Brett Anderson, sowie einer Reunionplatte mit dem ehemaligen Co-Chef Bernard Butler als The Tears war von den wiederkehrenden Suede nichts zu erwarten. Zwar arbeitete sich auch BLOODSPORTS am altbekannten Sujet der Beziehungsbattles ab, tat dies aber mit ebenjener kraftvollen Eleganz, welche die Band einst aus dem Prä-Britpop-Sumpf herausragen ließ. Keine Best-of der Gruppe sollte je ohne „It Starts And Ends With You“ und „For The Strangers“ auskommen müssen. Auf dem Boden dieses Albums sollten Suede in einem zehn Jahre währenden zweiten Frühling gedeihen – und teilweise sogar über sich hinauswachsen. (Stephan Rehm Rozanes)

 

Neneh Cherry
BLANK PROJECT
2014

Wer Neneh Cherry als quecksilbriges HipHop-Girl mit Korkenzieherlocken und diesem mal eben alle Genres verlachenden Superpopsong „Buffalo Stance“ (1988) in Erinnerung hatte, durfte 2014 mit der Künstlerin einen Quantensprung unternehmen, auf den höchstens die Aufnahmen in der Band The Thing hätten hinweisen können. BLANK PROJECT (sic!) war das Sparsamst-Musik-Unterfangen einer knapp 50-Jährigen, die in ihren Songs Selbstfindung im Selbstzweifel betrieb, es ging ganz offensichtlich auch um Depressionen. Cherrys Stimme kreiste über einen von Beats durchlöcherten minimalen Elektronik-Parcours, den der britische Produzent und Remixer Kieran Hebden für sie angelegt hatte, dazu wummerten die Synthesizer wie ein schlecht geerdeter Plattenspieler. Das kam einem Aufbruch gleich, der sich mit dem Album BROKEN POLITICS (2018) beeindruckend fortsetzte.  (Frank Sawatzki)

 

D’Angelo and The Vanguard
BLACK MESSIAH
2014

Alles war bereitet für seinen Weg bis ganz nach oben: Mit VOODOO schwang sich D’Angelo im letzten Jahr des 20. Jahrhunderts zur größten amerikanischen Soul-Hoffnung auf. Was folgte, war nicht die prophezeite Karriere eines Superstars, sondern Probleme mit Rauschmitteln, ein schwerwiegender Autounfall und wiederholte Rückzüge ins Private. Alle Welt wartete auf ein neues Album und als sie den Glauben daran bereits verloren hatte, drängte die politische Situation in den Staaten D’Angelo zur Veröffentlichung quasi über Nacht. Der Musiker hatte vom Freispruch eines Polizisten erfahren, der den afroamerikanischen Schüler Michael Brown erschossen hatte. Komplett analog nahm er in nur drei Tagen BLACK MESSIAH auf. Es ist keine zwingend dezidiert politische Platte, vielmehr schimmert durch die zwölf Stücke so etwas wie spirituelle Hoffnung. Die vom Vorgänger bekannte Mixtur aus jazzigem Soul, 70er-Funk und R’n’B erweitert D’Angelo auf einigen Stücken um Rock-Facetten. Geblieben ist natürlich auch das, was seine Musik so einzigartig gemacht hat: D’Angelos seidige, sinnliche, wundervolle Stimme. (Martin Schüler)

 


Afghan Whigs
DO THE BEAST
2014

Während Nirvana, Pearl Jam et al die Grunge-Ernte einfuhren, kreisten Greg ­Dulli und seine Mannen im Parallel-Orbit, zu soulful für Seattle, zu krude für den Mainstream, mit anderen Worten: austariertes Mischfutter für Gourmets. Zu Anfang des neuen Jahrtausends, nach sechs Studioalben, trudelten die Afghan Whigs aus, vor allem Dulli erging sich in etlichen Folgeprojekten – bis das Freundschaftsglöckchen zwischen ihm und Bassist John Curley wieder zu bimmeln begann. Die ersten Reunionshows zeigten die Band aus dem Stand in Bestform, mit DO THE BEAST schließlich, anderthalb Jahrzehnte nach dem Vorgänger 1965, gelingt es ihnen, alte Schauwerte mit neuem Schwung zu kombinieren. Songs wie „Lottery“ oder „Matamoros“ geraten zu ‚instant Classics’, zwei weitere Alben, IN SPADES (2017) und HOW DO YOU BURN? (2022), manifestieren ihre Reinkarnation. (Ingo Scheel)

 


Aksak Maboul
EX-FUTUR ALBUM
2014

1977 vom späteren Crammed-Discs-Chef Marc Hollander und Vincent Kenis gegründet, im Geiste des Punk und doch ein paar Hauptfahrwege vom Punk entfernt, stellten Aksak Maboul für zwei, drei Spielzeiten die munterste Avantgarde-Band Europas – eine Art Verteilerkreis, von dem Jazz, Kammermusik, Chanson und Improvisation rasante Ausfahrten nehmen konnten. 34 Jahre nach ihrem Zweitwerk erschienen 2014 auf dem EX-FUTUR betitelten Album zehn Tracks, die in den frühen 80ern als Demos aufgezeichnet worden waren und nie den Weg auf eine geplante dritte Aksak-Maboul-Platte fanden. Surprise! Was für eine poppig-verträumte Platte das war; die Band um Hollander, Kenis und die Sängerin Véronique Vincent hatte in der Vergangenheit die Zukunft mit elektronisch verbandelten Hybrid-Musiken bespielt, stand jetzt mitten in der Gegenwart. Und startete wieder neu. (Frank Sawatzki)